Arthur Marchet, o. Univ.-Prof. Dr. phil.
Functions
Senator | 1938/39–1944/45 | |
Dean | Faculty of Philosophy | 1943/44–1944/45 |
- Petrology
- Mineralogy
- Petrography
- Faculty of Philosophy
Arthur Gustav Karl Julius Marchet studierte ab dem Wintersemester 1911/12 an der Universität Wien. Bereits ab 1914 war er aufgrund seiner Wehrdienstunfähigkeit als Hilfsdemonstrator am Institut für Mineralogie und Petrographie tätig. Unter Anleitung von seinem Mentor Friedrich Becke beschäftigte er sich seit dieser Zeit mit seiner Dissertation „Der Gabbro-Amphibolitzug vom Rehberg im niederösterreichischen Waldviertel“. 1916 promovierte er zum Dr. phil. 1923 erhielt er die venia legendi. Im Jahr 1932 wurde er außerordentlicher Professor am Mineralogischen Institut. 1937 folgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor und 1940 ließ sich Marchet unter Zuhilfenahme seiner persönlichen Beziehungen zum ordentlichen Professor ernennen.
Politisches Engagement im Nationalsozialismus
Schon während des Studiums trat der deutschnational eingestellte Arthur Marchet 1911 der politisch rechts stehenden, schlagenden Verbindung der Akademischen Universitätssängerschaft „Ghibellinen zu Wien“ bei. 1932 trat er der NSDAP (Mitgliedsnummer 1,210.876) und der SA beim Sturm 3/24 in Wien bei. Als überzeugter Parteigänger beteiligte er sich an Versammlungen, Aufmärschen und Störaktionen.
In der Zeit vom 1. April 1933 bis 1. Juli 1938 leitete er auch während des Verbotes der NSDAP und deren Untergruppierungen eine illegale Zelle des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB). Am 1. April 1934 erklärte er darüber hinaus freiwillig seinen Beitritt zur „Vaterländischen Front“.
Von der Machtübernahme des NS-Regimes im März 1938 profitierte Marchet in hohem Maß. Am 11. April 1938 wurde er durch Reichsdozentenbundführer Walter Schulze persönlich vorerst kommissarisch mit der Wahrnehmung der Geschäftsführung des NSD-Dozentenbundes im Bereich des Landes Deutsch-Österreich beauftragt und im April 1939 definitiv im Amt bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt stand der universitären Leitungsebene eine deklariert parteipolitische Führungsstruktur in der Person Arthur Marchets gegenüber. Das bedeutete, dass er als Gaudozentenbundführer einerseits die Gesamtheit des Lehrkörpers aller Wiener Hochschulen gegenüber den Führungsgremien des Reichserziehungsministeriums (REM) und der Parteiführung vertrat. Andererseits war ohne seine Akzeptanz für Entscheidungen der Rektoren keine Weiterleitung an vorgesetzte Instanzen im „Altreich“ möglich.
Im Zuge der Neuorganisation der Universität nach dem „Anschluss“ widmete sich der überzeugte Nationalsozialist vorerst primär der personellen „Säuberung“ des Lehrkörpers von politisch und „rassisch“ missliebigen Personen der Wiener Hochschulen. Diese beruhte u. a. auf bereits getätigten Erhebungen der einzelnen Dekanate, ergänzt durch die von Marchet erstellten Personallisten. Diese hatte er aus eigenem Antrieb in seiner Funktion als Sachwalter des NS-Lehrerbundes noch vor dem „Anschluss“ erstellt.
Die Machtposition des Gaudozentenbundführers zeigte sich jedoch am prägnantesten in dessen Schlüsselposition bei Habilitationsverfahren, da diese ausschließlich in seinem Beisein abgehalten werden durften. Ein wesentliches Aufgabengebiet Arthur Marchets zielte auf die Beobachtung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und damit auf die Beeinflussung der Berufungen ab, weil seine politische Stellungnahme in allen Berufungsverfahren verpflichtend war. Ebenso war auch das oft inoffiziell geäußerte persönliche Ermessen des Universitätspolitikers hinsichtlich der politischen Überzeugung der Aspiranten maßgeblich.
Das Bekanntwerden von Eigeninteressen, die mit persönlichen pekuniären Vorteilen verknüpft waren, die Betreibung von Fachpolitik und das Wirtschaften in die eigene Tasche bei Berufungsverfahren, die verschwiegene Mitgliedschaft bei der „Vaterländischen Front“, die Zweckentfremdung der eingehobenen Parteimitgliedsbeiträge sowie die Tatsache, dass sich Marchet in dieser Zeit zum ordentlichen Professor hat vorschlagen lassen, diskreditierten ihn in hohem Maße und gaben der Wiener NSDAP-Führung im Mai 1939 die Möglichkeit, Arthur Marchet die Gaudozentenbundführung zu entziehen und Kurt Knoll zu überantworten. Marchet blieb jedoch bis zum Wintersemester 1944/45 NS-Dozentenbundführer der Universität Wien.
Trotz der gravierenden Korruptionsvorwürfe und dem damit verbundenen Reputationsverlust konnte Arthur Marchet seine Universitätskarriere fortsetzen. Entscheidend dafür waren persönliche Beziehungen, das Bestehen und der Einfluss universitärer Seilschaften aus der Zeit vor 1938 und seine politischen Netzwerke, derer sich der Universitätspolitiker während seiner gesamten NS-Karriere sicher sein konnte. So wurde er im November 1939 zum SA-Sturmführer und bereits ein Jahr später zum SA-Obersturmführer befördert. Im September 1940 wurde der Multifunktionär zum Stellvertreter des Dekans der Philosophischen Fakultät gewählt und im Dezember 1940 zum Prorektor ernannt. Im Juli 1942 wurde er zum Gauamtsleiter der NSDAP Wien befördert und im November 1942 wurde ihm die Position des Gauhauptstellenleiters im Dozentenbund mit dem Rang eines Obergemeinschaftsleiters der NSDAP zuerkannt. Parallel dazu leitete er ab diesem Zeitpunkt als Direktor das Petrographische Institut und fungierte ab Mai 1943 als Dekan der Philosophischen Fakultät.
Des Weiteren fungierte Marchet an der Universität Wien ab April 1938 als Betriebsluftschutzleiter, ab Mai 1943 als Leiter der Gastvorträge an der Universität Wien samt Betreuung des wissenschaftlichen Vortragswesens, ab Mai 1943 als Mitglied des Kuratoriums des Instituts für Zeitungswissenschaft sowie als Gesamtleiter der Fernbetreuung der Universität Wien und ab Juli 1943 als Beiratsmitglied des Instituts für Geschichte des Postwesens.
Nachkriegszeit
Im Dezember 1944 setzte sich Arthur Marchet nach Kärnten ab, wo er im Juni 1945 von der britischen Militärbehörde verhaftet wurde. Nach 18-monatiger Internierungshaft wurde der einst so mächtige Mann der NS-Hochschullandschaft der österreichischen Gerichtsbarkeit übergeben. Im Dezember 1947 wurde er wegen des Verbrechens des Hochverrats nach § 10, 11 VG zu 13 Monaten schweren, verschärften Kerkers samt Vermögensverfall verurteilt und sein akademischer Grad aberkannt.
Im Mai 1950 wurde ihm sein aberkannter Doktortitel neuerlich zuerkannt und 1956 erfolgte die Rückerstattung seines Vermögens. Ferner wurden die von ihm 1957 eingeklagten Pensionsansprüche anerkannt.
Marchet, der schon im April 1945 von all seiner universitären Funktionen enthoben und Zuge der „Entnazifizierung“ der Professorenschaft der Universität Wien am 6. Juni 1945 entlassen worden war, musste sich nach Verbüßung der Haftstrafe in die Privatwirtschaft zurückziehen. Er zählte damit zu jenem Professorenzirkel, dem nach dem Ende des Nationalsozialismus eine Rückkehr an die Universität Wien verwehrt blieb.
Arthur Marchet, der beharrlich bemüht war, seine Vergangenheit entlastend zu rekonstruieren und immer von dem Unrecht gesprochen hat, das er nach 1945 erlitten habe, starb im Alter von 88 Jahren in der Marktgemeinde Oberalm (Salzburg).
Zuletzt aktualisiert am 03/13/24