Erich Schenk, o. Univ.-Prof. Dr. phil.

5.5.1902 – 11.10.1974
born in Salzburg, Austria died in Wien, Austria

Honors

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Badge of Honor Ehrenz. 1962/63 Faculty of Philosophy

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Erich Schenks Antisemitismus und seiner Involvierung in den Nationalsozialismus als „problematisch“ eingestuft. Er war Mitglied im NSLehrerbund und im Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund. Er betätigte sich für das „Amt Rosenberg“ und war wegen der Mitarbeit in Alfred Rosenbergs „Sonderstab Musik“ vom Wehrdienst freigestellt. Im Zuge dieser Tätigkeiten war er besonders bemüht, alle „jüdischen“ Musikwissenschafter*innen als solche zu erfassen und in der wissenschaftlichen Rezeption zu kennzeichnen, u.a. für das im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP herausgegebene „Lexikon der Juden in der Musik“ (1940). Er spielte auch bei der Beschlagnahmung und Enteignung der Bibliothek des NS‐verfolgten Guido Adler eine aktive und zentrale Rolle, erwirkte nach Adlers Tod bei der Gestapo die Beschlagnahmung der Bestände im Mai 1942, während die die Bibliothek verwaltende Tochter Melanie Adler nach Maly Trostinec deportiert und am 26. Mai 1942 ermordet wurde.

Schenk machte auch nach 1945 kein Hehl aus seiner antisemitischen Überzeugung und lehnte etwa Dissertationsvorhaben über Franz Schreker und Gustav Mahler mit Verweis auf deren jüdische Abstammung ab.

Functions

Dean Faculty of Philosophy 1950/51
Rector Faculty of Philosophy 1957/58

Nach der Reifeprüfung am Staatsgymnasium in Salzburg studierte Erich Schenk zunächst Klavier und Musiktheorie am Mozarteum in Salzburg, ab 1920 in München an der Universität sowie an der Akademie der Tonkunst. Mit seiner Dissertation über „Giuseppe Antonio Paganelli“ promovierte er hier 1925 zum Doktor der Philosophie. Anschließend war er als Bibliothekar und Lehrer für Musikgeschichte im Mozarteum sowie im Pressebüro der Salzburger Festspiele (1927 Pressechef) tätig. Im Zuge mehrerer Studienreisen in Italien, Deutschland und Wien war er auch Hörer Guido Adlers, einer der Gründerväter der Musikwissenschaft im deutschsprachigen Raum. Mit der Schrift „Studien zur Entwicklung der deutschen Triosonate nach Corelli“ wurde Erich Schenk 1929 an der Universität Rostock habilitiert. 1936 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt und gründete das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Rostock. Neben der Leitung des Institutes hatte er auch jene des Collegium musicum inne, lehrte Musikwissenschaft sowie Musiktheorie und veranstaltete zahlreiche Konzerte.

Als Nachfolger von Robert Lach wurde Erich Schenk 1940 ordentlicher Professor für Musikwissenschaft an der Universität Wien und Vorstand des Musikwissenschaftlichen Instituts.

„Schenks Berufung markiert die Mitte eines Zeitraums, von etwa 1920 bis 1960, der zu Beginn von Positionskämpfen um die Nachfolge des 1927 emeritierten Guido Adler geprägt war. Adler selbst konnte sich in diesen Auseinandersetzungen nicht behaupten und musste seinen Lehrstuhl resigniert an den antisemitischen und deutschnationalen Ethnomusikologen Robert Lach übergeben. Unter Lach kam es zur Abwanderung bzw. Marginalisierung der Adler-Schule, sodass Schenk mit seinen biografistisch-regionalhistorischen Forschungsinteressen (der Gegenpol zur Adler’schen Stilkritik) das Fach in Wien neu ausrichten und seine Karriere als Nutznießer des NS-Regimes vorantreiben konnte.“
Yukiko Sakabe u. Michael Staudinger: Erich Schenk und die Wiener Musikwissenschaft

Antisemitismus und Nationalsozialismus | „Arisierung“ der Bibliothek Guido Adlers

Erich Schenks antisemitische Einstellung wurde bereits Anfang der 1930er-Jahre deutlich. Nach der Machtergreifung der Natonalsozialisten in Deutschland trat er 1934 dem NS-Lehrerbund bei und wenig später dem Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund. Er betätigte sich für das „Amt Rosenberg“ und war wegen der Mitarbeit in Alfred Rosenbergs „Sonderstab Musik“ vom Wehrdienst freigestellt. Im Zuge dieser Tätigkeiten war er besonders bemüht, alle „jüdischen“ MusikwissenschafterInnen als solche zu erfassen und in der wissenschaftlichen Rezeption zu kennzeichnen (u.a. für das im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP herausgegebene „Lexikon der Juden in der Musik“ (1940).

Schenk spielte insbesondere bei der Beschlagnahmung und Enteignung der Bibliothek von Guido Adler, der während des Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt wurde und am 15. Februar 1941 verstarb, eine aktive und zentrale Rolle. Unmittelbar nach dessen Tod ging Schenk im März 1941 eigenmächtig an die „Sicherstellung“ der Privatbibliothek sowie des wissenschaftlichen Nachlasses Adlers für das Musikwissenschaftliche Institut, doch der Generaldirektor der Nationalbibliothek Paul Heigl sprach sich für eine Aufteilung der wertvollen Bestände aus.
Die Tochter Guido Adlers, Melanie Adler, beabsichtigte, die Bibliothek ihres Vaters an die Münchener Stadtbibliothek verkaufen, was Schenk jedoch verhinderte, indem er im Mai 1942 bei der Gestapo die Beschlagnahmung der Bestände erwirkte. Einige Objekte wertvolle Objekte wie die Totenmaske von Ludwig van Beethoven waren wohl bereits zuvor von Schenk aus der Sammlung entnommen worden.

Wenige Tage nachdem am 12. Mai 1942 eine Besprechung über die Aufteilung der Sammlung auf verschiedene musikwissenschaftliche Einrichtungen (Universitätsbibliothek Wien, Bibliothek der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde und Musikabteilung der Nationalbibliothek) stattfand, wurde Melanie Adler am 20. Mai 1942 nach Maly Trostinec deportiert, wo sie am 26. Mai 1942 ermordet wurde.

Ein Verfahren, das nach Kriegsende 1945 in Sachen „Arisierung“ der Adler-Bibliothek gegen Schenk eingeleitet wurde, blieb folgenlos. Otto Skrbensky, Sektionschef im Unterrichtsministerium, bestritt die Vorwürfe und betonte im Gegenteil, dass Schenk korrekt und im Interesse Österreichs gehandelt hätte, die Bibliothek im Land zu behalten („Vermögenssicherung“). Dieses Narrativs bediente sich auch Schenk selbst und behauptete, die Sammlung „vor dem Zugriff der NS-Behörden“ bewahrt zu haben. Die aufgeteilte Bibliothek wurde später zum Teil an Adlers Sohn Hubert-Joachim zurückgegeben, der sie an die University of Georgia verkaufte. Erst um das Jahr 2000 wurde die „Arisierung“ der Bibliothek genauer untersucht. Im Rahmen der NS-Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek Wien konnten später noch Restbestände festgestellt und restituiert werden.

Erich Schenk machte jedoch auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs keinen Hehl aus seiner antisemitischen Überzeugung und lehnte etwa Dissertationsvorhaben über Franz Schreker und Gustav Mahler mit Verweis auf deren jüdische Abstammung ab. Ein Gerichtsverfahren, das 1967 wegen seiner antisemitischen Lehre gegen ihn eröffnet wurde, endete jedoch aufgrund fehlender Zeugen abermals zu seinen Gunsten.

Nachkriegskarriere

Erich Schenk blieb nach Kriegsende in seiner Position als Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Wien und bemühte sich um einen raschen Wiederaufbau sowie die Rückholung der kriegsbedingt ausgelagerten Bestände. 1948 wurde er nach Entnazifizierung offiziell zum ordentlichen Professor wiederernannt und konnte seine akademische Karriere erfolgreich fortsetzen. Im Studienjahr 1950/51 fungierte Schenk als Dekan der Philosophischen Fakultät und wurde 1957/58 zum Rektor der Universität Wien gewählt. 1971 erfolgte seine Emeritierung an der Universität Wien.

Schenk erlangte im österreichischen Musikleben der Zweiten Republik eine dominante Position. Wissenschaftlich befasste er sich in zahlreichen Publikationen vor allem mit den musikgeschichtlichen Forschungsschwerpunkten Barockmusik und Wiener Klassik. Ab 1947 bis zu seinem Tod fungierte er als Herausgeber der reaktivierten musikwissenschaftlichen Reihe „Denkmäler der Tonkunst in Österreich“ und veröffentlichte im Mozartjahr 1956 eine große Mozart-Biografie. Schenk war auch als Herausgeber weiterer musikwissenschaftlicher Schriften, als Musikkritiker sowie als Komponist aktiv.

Seit 1944 bereits korrespondierendes Mitglied, wurde er 1946 zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ernannt und leitete dort ab 1947 als Obmann die Kommission für Musikforschung. 1948 wurde Schenk Direktionsmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde und fungierte 1973/74 als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft. Außerdem gehörte er als Mitglied der der Accademia nazionale di Scienze, der Lettere ed Arti in Modena, der Mozartgemeine Wien, dem Internationalen Musiker-Briefarchiv, der Deutschen Chopin-Gesellschaft sowie der Internationalen Franz-Schrecke-Gesellschaft in Berlin an.

Für seine wissenschaftlichen Verdienste wurde Erich Schenk vielfach ausgezeichnet, u.a. 1958 mit dem Großen Silbernen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1966 mit dem Wilhelm-Hartel-Preis, 1969 mit den Ehrendoktoraten der Universitäten Brünn und Rostock, 1970 mit dem österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst sowie dem Kommandeurkreuz des Ordine „Al merito della Repubblica Italiana“ und 1974 mit der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold. Die Universität Wien verlieh ihm am 23. September 1958 – am Tag der Übergabe des Rektorats an seinen Nachfolger Erwin Eugen Schneider – das Rektorserinnerungszeichen sowie am 15. Dezember 1962 das Ehrenzeichen.

Nach seinem Tod am 11. Oktober 1974 wurde Schenk in einem Ehrengrab auf dem Kommunalfriedhof Salzburg bestattet. In Salzburg wurde eine Straße nach ihm benannt (Erich-Schenk-Straße) und eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus in der Sigmund-Haffner-Gasse 12 angebracht. Seit 2003 verleiht die Mozartgemeinde Wien den „Erich-Schenk-Preis“ an Nachwuchsmusiker*innern.  

Werke (Auswahl)

Giuseppe Antonio Paganelli (Dissertation München 1925), 1928.
Johann Strauß, 1940.
Beethoven zwischen den Zeiten, 1943.
950 Jahre Musik in Österreich, 1946.
Kleine Wiener Musikgeschichte, 1947.
Wolfgang Amadeus Mozart, 1955 (2. Auflage 1975).

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 10/07/24

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