Franz Martin Schindler, o. Univ.-Prof. Dr. theol.

25.1.1847 – 27.10.1922
born in Motzdorf/Erzgebirge, Böhmen | Mackov, Czech Republic died in Wien, Austria

Politiker, Mitbegründer der Christlich-sozialen Partei Österreichs

Honors

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Monument in arcaded court 1951 Faculty of Catholic Theology

Functions

Senator Faculty of Catholic Theology 1888/89
Dean Faculty of Catholic Theology 1889/90
Senator Faculty of Catholic Theology 1894/95
Senator Faculty of Catholic Theology 1895/96
Dean Faculty of Catholic Theology 1896/97
Dean Faculty of Catholic Theology 1903/04
Rector Faculty of Catholic Theology 1904/05
Senator Faculty of Catholic Theology 1908/09

Franz Schindler, Sohn einer böhmischen Bauernfamilie, absolvierte das bischöfliche Knabenseminar in Graupen-Mariaschein (Krupka, Tschechien), legte die Matura am Staatsgymnasium in Brüx (Most) ab und studierte ab 1865 an der Philosophisch-Theologischen Hauslehranstalt des Priesterseminars der Diözese Leitmeritz (Litoměřice). 1869 zum Priester geweiht, wirkte Schindler zunächst mehrere Jahre als Landseelsorger in Böhmen, bevor er seine Studien der Theologie 1874 in Wien – am k. k. höheren Priesterbildungsinstitut zum heiligen Augustin („Frinteaneum“) sowie an der Universität – fortsetzte. Hier nahm er seinen zweiten Vornamen, den Firmnamen „Martin“ an. 1877 promovierte er zum Doktor der Theologie.

Nach kurzer Tätigkeit als Kaplan wurde Franz Martin Schindler zunächst Supplent und 1879 ordentlicher Professor für Moraltheologie an der Hauslehranstalt Leitmeritz, wo er später zusätzlich das Fach Kirchenrecht übernahm. Daneben unterrichtete er als Religionslehrer am städtischen Gymnasium. Bereits zu dieser Zeit setzte er sich intensiv mit sozialen Fragen auseinander und nahm an den Tagungen der „Freien Vereinigung katholischer Sozialpolitiker“ teil.

Im Jahr seiner Teilnahme als Referent am 1. nordböhmischen Katholikentag wurde Franz Martin Schindler 1887 als ordentlicher Professor für Moraltheologie an die (Katholisch-)Theologische Fakultät der Universität Wien berufen und zeitgleich zum k.k. Hofkaplan ernannt. Er fungierte in den Studienjahren 1889/90, 1896/97 und 1903/04 als Dekan seiner Fakultät, 1904/05 als Rektor der Universität Wien und viermal als Mitglied des Akademischen Senats.
In den 30 Jahren seiner Lehrtätigkeit an der Universität Wien übte Schindler eine bedeutende Wirkung als theologischer Lehrer aus: Nicht nur zählten zu seinen Schülern sein Nachfolger, der spätere Bundeskanzler Ignaz Seipel, sowie der spätere Herausgeber der Tageszeitung „Reichspost“, Friedrich Funder, Schindler prägte mit seiner Lehre insgesamt junge katholische Intellektuelle (CV, angehende Kleriker). Um über die Theologiestudenten hinaus ein breites Publikum zu erreichen, veranstaltete er ein „Collegium Publicum für christliche Soziologie“. Zudem wirkte er auf die Berufung neuer Lehrender ein, u. a. jene seines langjährigen Freundes Albert Ehrhard 1898.

Franz Martin Schindler war als zentraler Vertreter des politischen Katholizismus und Mentor der christlich-sozialen Bewegung in Österreich hoch engagiert. Er publizierte zu Fragen der Wirtschaftsethik und Sozialpolitik und kam in Kontakt mit der Gruppe um den Reformer Carl von Vogelsang. Mit ihm sowie Aloys von und zu Liechtenstein und Karl Lueger bereitete Schindler den 2. Österreichischen Katholikentag 1889 vor. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft  entwickelten sich regelmäßige Vortrags- und Diskussionsrunden zu sozialpolitischen Themen im Wiener Hotel „Zur Goldenen Ente“ („Entenabende“), die von 1889 bis 1898 stattfanden und an denen namhafte Persönlichkeiten teilnahmen. Nach dem Tod Vogelsangs 1890 übernahm Schindler in diesem Kreis die Rolle als führender Theoretiker und formulierte anlässlich der Reichsratswahlen 1891 das erste (später mit Lueger und Liechtenstein überarbeitete) Programm der „christlich-sozialen Bewegung“ – Basis der Christlich-sozialen Partei, der Vorgängerin der heutigen ÖVP.
Als Folge des mitorganisierten 3. Österreichischen Katholikentages 1892 und als Kritiker der katholisch-konservativen Zeitung „Das Vaterland“ gründete Schindler 1892 gemeinsam mit Ambros Opitz, den er bereits aus seiner Zeit als junger Seelsorger kannte, die Parteizeitung „Reichspost“, die ab 1894 erschien. Später, 1911 bis 1920, war Schindler auch Obmann des katholischen Pressevereins „Herold“. Gemeinsam mit Joseph Alexander von Helfert gründete er 1892 außerdem die katholische Gelehrtenvereinigung Leo-Gesellschaft, der Schindler bis 1913 als Generalsekretär vorstand. Er beteiligte sich führend an deren Kursprogramm und war Mitherausgeber ihres Jahrbuchs (ab 1895), der Reihe „Theologische Studien der Leo-Gesellschaft“ (mit Albert Ehrhard, ab 1902), sowie der zehnbändigen Buchreihe „Das Sociale Wirken der katholischen Kirche in Österreich“ (1896–1909).

Sein wissenschaftliches Hauptwerk bildete das dreibändige „Lehrbuch der Moraltheologie“, in dem er seine christliche Soziallehre festhielt. Entsprechend der 1891 erschienenen Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ strebte Schindler soziale Gerechtigkeit in einer berufsständisch gegliederten Gesellschaft an. Daneben richtete sich Schindler mit zahlreichen publizistischen Beiträge sowie literarischen Werken an eine breite Öffentlichkeit. Aufgrund seiner sozialpolitischen Stellungnahmen galten er und die christlich-soziale Bewegung den Katholisch-Konservativen als zu fortschrittlich. Zwar gelang es Schindler, sich vor Papst Leo XIII. erfolgreich gegen die Verdächtigungen zu verteidigen, eine Berufung zum Bischof (Linz 1907 bzw. Leitmeritz 1910) scheiterte jedoch offenbar aufgrund dieser Opposition.

Dennoch erhielt Franz Martin Schindler im Laufe seiner Karriere wichtige kirchliche wie staatliche Funktionen und Ehrungen: 1898 zum Hofrat ernannt, wurde ihm 1906 das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen. Schindler war seit 1893 päpstlicher Hausprälat und ab 1913 apostolischer Protonotar. Er fungierte von 1907 bis 1918 als Mitglied des Herrenhauses und – nach seiner Emeritierung 1917 –  von 1918 bis 1922 als Konsulent für kirchliche Angelegenheiten im Ministerium für Cultus und Unterricht. Zudem war er Ehrenmitglied mehrerer Verbindungen des Österreichischen Cartellverbandes (Ferdinandea, Norica, Austria-Wien, Rudolfina).

Nach seinem Tod 1922 wurde Schindler auf dem Friedhof Wien-Hetzendorf in einem ehrenhalber gewidmeten Grab bestattet.
1951 wurde im Arkadenhof der Universität Wien ein Porträtrelief Schindlers, gestaltet von Arnold Hartig, enthüllt.

Werke (Auswahl)

Ist der Staat zur Durchführung einer Zwangsversicherung berechtigt?, 1885. 
Nationalität und Christentum
, 1888.
Denkschrift über die soziale Frage, gerichtet an den hochwürdigen Episkopat Westösterreichs, 1888.
Der Lohnvertrag, 1893.
Die besonderen Aufgaben der christlichen Charitas in der Jetztzeit, 1895.
Staat und Arbeitsvermittlung, 1901.
Das Kapital-Zins-Problem, 1903.
Die Stellung der theologischen Fakultät im Organismus der Universität (Inaugurationsrede), 1904.
Die soziale Frage der Gegenwart vom Standpunkt des Christentums, 1905 (4. Aufl. 1908).
Lehrbuch der Moraltheologie, 3 Bände, 1907–1911 (2. Aufl. 1913).
Empor die Herzen! Gebet- und Erbauungsbuch, 1910.
Leo XIII., der soziale Papst, 1910.
Die Gaben des Hl. Geistes nach Thomas von Aquin, 1915.
Begriff und Wesen der Liebe bei Thomas von Aquin, 1919 (1922).

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 03/26/24

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  • Franz Martin Schindler

    Denkmal im Arkadenhof der Universität Wien für den Theologen und Politiker Franz Martin Schindler (1847-1927) vom Bildhauer Arnold Hartig (1878-1972...

    Courtesy: Archive of the University of Vienna

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