Johann Sölch, Univ.-Prof. Dr.
Honors
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
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Monument in arcaded court | 1965 | Faculty of Philosophy |
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Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Johann Sölchs Verhältnis zum Nationalsozialismus als „diskussionswürdig“ eingestuft. Er wurde zwar nach der NS-Machtübernahme bis 1939 beurlaubt, da seine Ehefrau Berta ihrem Abstammungsnachweis zufolge „Mischling ersten Grades“ war, ab dem Herbst 1939 konnte er jedoch gemeinsam mit Hugo Hassinger die Leitung des Geographischen Instituts wieder aufnehmen. Er war zwar nie Mitglied der NSDAP, verhielt sich gegenüber dem NS-Regime aber eher zustimmend. Während seiner Heidelberger Professur wurde ihm eine antisemitische Einstellung attestiert. Während der NS-Zeit wirkte er an bevölkerungswissenschaftlichen Projekten mit, die zur nationalsozialistischen „Lebensraumpolitik“ beitrugen.
Functions
Rector | 1947/48 | |
Senator | Faculty of Philosophy | 1949/50 |
Senator | Faculty of Philosophy | 1950/51 |
- Geography
- Faculty of Philosophy
Johann Sölch, Sohn des Direktors des k. k. Schulbücherverlages Johann Georg Sölch, studierte nach seiner Matura ab 1902 Geographie und Geschichte an der Universität Wien (1904 an der Universität Bern). Zu seinen Lehrern zählten u.a. die Geographen Albrecht Penck, Eugen Oberhummer sowie die Historiker Oswald Redlich und Alfons Dopsch. Bei Penck promovierte er 1906 mit der Dissertation „Studien über Gebirgspässe“, legte die Lehramtsprüfung ab und war anschließend als Gymnasiallehrer in Wien und Graz tätig. 1907 arbeitete Sölch vorübergehend als Assistent am geographischen Institut der Universität Leipzig.
Von 1908 bis 1920 lehrte er als Gymnasiallehrer in Graz. Seine Habilitation mit der Schrift „Eiszeitliche Talgeschichte des steirischen Randgebirges“ erfolgte 1917 an der Universität Graz, wo er fortan als Privatdozent für Geographie wirkte.
1920 wurde Johann Sölch als ordentlicher Professor für physische Geographie an die Universität Innsbruck berufen, wo er das „Seminar für Alpengeographie“ aufbaute. 1927/28 fungierte er als Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck. In seinen wissenschaftlichen Forschungen widmete sich Johann Sölch vor allem der durch die Eiszeit bedingten Geomorphologie sowie der Geographie des Ostalpenraumes. Daneben beschäftigte er sich auch mit Fragen der politischen Geographie sowie der Länderkunde. 1928 wechselte als Nachfolger von Alfred Hettner an die Universität Heidelberg, wo er die ordentliche Professur für Geographie übernahm. Es gelang ihm, die unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung des Instituts zu verbessern, auch wenn die räumlichen Verhältnisse bis zum Umzug ins neue Hauptgebäude 1933 beengt blieben. 1930/31 wurde er auch hier zum Dekan gewählt. An der Universität Heidelberg trat Sölch bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 gegen jüdische Mitglieder der Fakultät auf und unterstützte die Angriffe nationalsozialistischer Studenten auf den demokratisch‐sozialistisch eingestellten Statistikprofessor Emil Gumbel, die 1932 zum Entzug von dessen Lehrbefugnis führten.
Nationalsozialismus
Sölch war zwar nie Mitglied der NSDAP, trug jedoch mit einigen seiner Arbeiten zur Legitimierung der nationalsozialistischen „Lebensraumpolitik“ bei. In mehreren bevölkerungswissenschaftlichen Abhandlungen bewies Sölch somit bereits 1933, dass sein rechtskonservatives Weltbild durchaus mit jenem der Nationalsozialisten vereinbar war. Insbesondere widmete er sich den östlichen Grenzgebieten Deutschlands, die er durch das Wachstum der slawischen Völker bei gleichzeitigem Bevölkerungsrückgang des deutschen Volkes gefährdet sah. Nur eine „zielbewusste Bevölkerungspolitik“ könne den „drohenden Untergang“ des deutschen Volkes verhindern. Ebenso beteiligte sich Sölch an dem großangelegten revisionistischen und expansionistischen Projekt des „Handwörterbuchs des Grenz‐ und Auslandsdeutschtums“, das vom Reichsministerium des Innern finanziert wurde und sich der bevölkerungsgeschichtlichen Erforschung der „deutschen Volksgruppen“ im Zeichen des „Volkstumskampfs im Osten“. Sölch verfasste für den ersten, 1933 veröffentlichten Band dieses Nachschlagewerks einen ausführlichen Artikel über die „Alpen“, in denen er auch auf das „Eindringen“ der slawischen Völker in den behandelten geografischen Raum einging.
Als Nachfolger Fritz Machatscheks kehrte Johann Sölch im April 1935 als Ordinarius der Geographie (besonders der physischen Geographie und Länderkunde) an die Universität Wien zurück. Gleichzeitig übernahm er gemeinsam mit Hugo Hassinger die Leitung des Geographischen Instituts.
Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde Johann Sölch von den nationalsozialistischen Machthabern zwangsweise beurlaubt, da seine Frau Bertha (geb. Buchhorn) nach NS‐Kriterien als „Mischling 1. Grades“ kategorisiert wurde. Auch die bisher gemeinsame Institutsleitung musste Sölch 1938 zurücklegen und Hassinger wurde mit der alleinigen Geschäftsführung betraut.
Um den Lehrbetrieb wieder vollständig aufnehmen zu können, bemühte sich Dekan Viktor Christian bei Otto Wächter, dem personalpolitischen Referenten des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich Josef Bürckel, intensiv um die Wiederindienststellung Sölchs. Um Gutachten angefragt, beurteilten sowohl das Gaupersonalamt des Gaues Baden der NSDAP als auch der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg Sölch als politisch zuverlässig im Sinne des Nationalsozialismus. Auf Wächters Anweisung verlangte Christian von Sölch zudem eine „schriftliche eidesstattliche Erklärung […] über den Zeitpunkt, zu dem er von der nicht vollarischen Abstammung seiner Ehegattin Kenntnis erhielt, ferner ob der Genannte, bevor er urkundenmässige Kenntnis bekam, keinerlei Anhaltspunkte für Vermutungen über die Mischlingseigenschaft seiner Ehefrau hatte“ (Wächter an V. Christian, 15.05.1939, Personalakt J. Sölch im Archiv der Universltät Wien). In ebendieser Erklärung gab Sölch im Mai 1939 an, bereits zur Zeit der Eheschließung 1908 aufgrund des Mädchennamens seiner Schwiegermutter den Verdacht gehabt zu haben, „dass meine Frau nicht rein arischer Abkunft sei“, jedoch erst 1936 hätten urkundliche Nachforschungen ergeben, dass Berta Sölch als „Mischling ersten Grades“ gelte. (PA J. Sölch, eidesstattliche Erklärung vom 17.05.1939).
Am 30. September 1939 genehmigte zunächst das österreichische Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten Sölchs Indienststellung „unter Vorbehalt eines jederzeit möglichen Widerrufes“. Wenig später wurde Sölch informiert, dass er mit Genehmigung Bürckels „ausnahmsweise“ wieder vorbehaltlos und uneingeschränkt lehren durfte. Gemeinsam mit Hassinger konnte Sölch auch wieder als Vorstand des Geographischen Instituts wirken, von der Geschäftsführung blieb er jedoch ausgeschlossen. Seine Wahl zum wirklichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien scheiterte an der Ablehnung des Reichserziehungsministeriums. Nach seiner Rückkehr in den Lehrbetrieb wirkte Sölch wieder an bevölkerungswissenschaftlichen Forschungsaufgaben im Dienste der nationalsozialistischen Lebensraumpolitik mit, wie etwa ab 1940 am Projekt des „Gauatlas Niederdonau“, das von Fritz Bodo und Hugo Hassinger geleitet wurde.
Nachkriegszeit
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte Johann Sölch seine Tätigkeit als Universitätsprofessor ungebrochen fortführen, während Hassinger nach einem Lehrverbot im Sommersemester 1945 seine Universitätskarriere erst ab Herbst dieses Jahres fortsetzen konnte. Bereits im Juni 1945 wandte sich Hassinger an den neuen Dekan Wilhelm Czermak mit der Bitte, seine Position als völlig gleichberechtigter Institutsvorstand wiederherzustellen, ihn mit der Co‐Geschäftsführung zu betrauen und wieder in die Kommission für das Lehramt an höheren Schulen aufzunehmen. Sölch blieb fortan bis zu seinem Tod 1951 gemeinsam mit Hassinger Direktor des Geographischen Instituts.
Im Studienjahr 1947/48 wurde Johann Sölch zum Rektor der Universität Wien gewählt (Prorektor 1948/49). Seine Funktion als Vertreter der Philosophischen Fakultät beim Österreichischen Gewerkschaftsbund legte er anlässlich seiner Wahl zum Rektor zurück. Während seiner Amtszeit als Rektor entschied Sölch 1948, auf der Rektorentafel im Hauptgebäude der Universität Wien für die Namen der Rektoren der NS Zeit – Fritz Knoll und Eduard Pernkopf – zwei Zeilen freizuhalten und den Namen seines Vorgängers Rektor Ludwig Adamovich unterhalb dieser Leerstelle einzumeißeln. Die Nachtragung der ausgelassenen Namen erfolgte schließlich erst 1959.
Auch in der Nachkriegszeit war Sölch in Projekte im Bereich Raumforschung im Umfeld Hugo Hassingers involviert. Ab 1949 betätigte er sich auch als Mitglied der Faculty der neugegründeten Sommerhochschule der Universität Wien, wo er Kurse zum Thema „Austriaʼs Position in Europe“ hielt. Aus seinen zahlreichen Forschungsreisen, v.a. nach Großbritannien, entstand 1951 sein Hauptwerk „Die Landschaften der Britischen Inseln“ (1951), das sich länderkundlichen, aber ebenso kulturgeografischen Fragen widmete. Johann Sölch starb am 10. September 1951 in Kitzbühel, er wurde am Zentralfriedhof in Wien bestattet.
Ehrungen
Johann Sölch wurde für seine wissenschaftlichen Leistungen vielfach ausgezeichnet: Er war ab 1937 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien und wurde 1946 schließlich zum wirklichen Mitglied ernannt. Ab 1949 fungierte er als Sekretär der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der nun als Österreichische Akademie der Wissenschaften bezeichneten Akademie. Seit 1932 gehörte er zudem der Heidelberger Akademie der Wissenschaften an und wurde Ehrenmitglied der geographischen Gesellschaften von Belgrad (1935), Amsterdam (1938) und Wien (1948) sowie korrespondierendes Mitglied weiterer geographischer Gesellschaften. 1951 wurde er zum Präsidenten der Geographischen Gesellschaft in Wien ernannt und erhielt für seine Beiträge zur Geografie der Britischen Inseln das Ehrendoktorat der Universität Glasgow verliehen.
Am 2. Juni 1954 wurde die Sölchgasse im 21. Wiener Gemeindebezirk (Leopoldau) nach ihm benannt. Am 26. März 1965 wurde ein Denkmal für ihn (Reliefmedaillon, gestaltet von Viktor Hammer) im Arkadenhof der Universität Wien enthüllt, das durch Spenden sowie durch das Bundesministerium für Unterricht finanziert wurde.
Werke (Auswahl)
Studien über Gebirgspässe mit besonderer Berücksichtigung der Ostalpen, Versuch einer Klassifikation (Dissertation), 1908.
Die Formung der Landoberfläche, 1914.
Beiträge zur eiszeitlichen Talgeschichte des Steirischen Randgebirges und seiner Nachbarschaft, 1917.
Geographischer Führer durch Nordtirol, 1924.
Die Auffassung der „natürlichen Grenzen“ in der wissenschaftlichen Geographie, 1924.
Die Landformung der Steiermark, 1928.
Die Ostalpen, 1930.
Der Rückzug der letzten Vergletscherung: eine vergleichende Betrachtung, 1932.
Fluß- und Eiswerk in den Alpen zwischen Ötztal und St. Gotthard, 1935.
Die Semmeringlandschaft, 1948.
Die Landschaften der Britischen Inseln (2 Bände), 1952.
Archiv der Universität Wien, Philosophische Fakultät, PH PA 3199 (Personalakt Johann Sölch).
Archiv der Universität Wien, Akademischer Senat, S 265.5.154 (Personalbogen Johann Sölch).
> u:monuments: Denkmal Johann Sölch
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Zuletzt aktualisiert am 04/03/24