Gottfried Bessel, Dr. theol., Dr. jur. utr.

5.9.1672 – 22.1.1749
born in Buchen (Odenwald), Germany died in Göttweig, Austria

Honors

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Commemorative Plaque of Faculty 1893 Faculty of Catholic Theology

Die Ehrentafeln der Fakultäten in den Seitenaulen des Hauptgebäudes der Universität Wien wurden am 24. Mai 1893 enthüllt. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Ehrentafel der Theologischen Fakultät eine Liste von 31 Namen von berühmten Schülern der Universität Wien, darunter jenen von Gottfried Bessel. Die Liste war für die Fakultät von Prof. Laurenz Müllner bzw. im Auftrag des Senats von Universitätsarchivar Karl Schrauf zusammengestellt worden.

Functions

Rector 1714/15
Rector 1726/27

Der spätere Abt von Göttweig wurde am 5. September 1672 als Johann Georg Bessel geboren. Sein gleichnamiger Vater war Soldat sowie als Schultheiß Gerichtsbeamter der Stadt Buchen und des Klosters Amorbach.

Nach dem Besuch der Lateinschule in seiner Geburtsstadt absolvierte Bessel weitere Studien in Aschaffenburg sowie um 1687 in Würzburg – in der dortigen Universitätsmatrikel scheint er allerdings nicht auf. Im Studienjahr 1689/90 wurde Bessel an der Universität Bamberg immatrikuliert, 1690 erfolgte seine Promotion zum Bakkalar der Philosophie. Ab 1691 studierte er Theologie an der Universität Salzburg. 1692 ersuchte er den damaligen Abt von Göttweig, Berthold Mayr, um Aufnahme in das Benediktinerstift. Ein Jahr später legte er die Profess ab und nahm dabei den Ordensnamen Gottfried an. Danach wurde er gemeinsam mit drei Mitbrüdern an die Universität Wien geschickt, wo er im November 1693 als Frater Godefridus Besselius Ord. S. Benedicti exempti monasterii Göttwicensis professus in die Hauptmatrikel eingeschrieben wurde. 1696 wurde er zum Priester geweiht und am 7. Mai desselben Jahres zum Doktor der Theologie promoviert.

Bald nach der Promotion kehrte Bessel nach Göttweig zurück, er wurde allerdings bereits im August 1696 aus dem Klosterverband entlassen. Die Gründe dafür sind nicht überliefert, offenbar war es zwischen Bessel und seinen Mitbrüdern zu ernsthaften Differenzen gekommen: Sein Schwager sprach in einem Brief von 1714 von der früheren „Verfolgung“ des nunmehrigen Abtes.

Nach seinem Ausscheiden ging Gottfried Bessel in das Benediktinerkloster Seligenstadt (Kurmainz), wo er von 1696 bis 1698 Logik, Physik und Metaphysik lehrte. Zu Beginn des Jahres 1699 wurde er vom Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn an dessen Hof berufen und zum Ehrenhofkaplan und geistlichen Rat ernannt. 1700 folgte die Ernennung zum apostolischen Protonotar. 1702 wurde Bessel zum Studium nach Rom geschickt, wo er im selben Jahr zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. Daneben war er als Diplomat für die Familie Schönborn tätig. 1703 wurde Bessel zum Pfalzgrafen erhoben und nach seiner Rückkehr aus Rom 1704 zum erzbischöflichen Offizial ernannt. Seine bedeutendsten diplomatischen Missionen waren die Konversionen von Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (1707) und ihres Großvaters Anton Ulrich (1710). Bei der Kaiserkrönung Karls VI. 1711 leitete Bessel die geistlichen Zeremonien, die den Mainzer Kurfürsten betrafen. Der von ihm verfasste Plan über den Ablauf der Zeremonie ist in der Stiftbibliothek von Göttweig erhalten.

Bessel wurde 1710 wieder in den Göttweiger Konvent aufgenommen, war jedoch aufgrund seiner Tätigkeit für den Erzbischof von der Residenzpflicht befreit. Nach dem Tod Berthold Mayrs wurde Gottfried Bessel 1714 mit Unterstützung des Kurfürsten zum neuen Abt gewählt. Bessel war wohl der bedeutendste Abt des Stiftes, das ihm seine heutige Baugestalt verdankt: Nach einem Brand 1718 beauftragte der Abt Johann Lucas von Hildebrandt mit der Planung eines neuen Ensembles. Der nach dem Vorbild des Escorials angelegte Bau wurde zu rund zwei Drittel umgesetzt. Neben Hildebrandt waren weitere prominente Künstler der Zeit in Göttweig tätig, beispielsweise erfolgte die Innengestaltung des Kaisertraktes mit seinem Stiegenhaus durch Franz Anton Pilgram und Paul Troger. Auch die Sammlungen des Stiftes wurden unter Bessel fortgeführt und erweitert, die Bibliothek und das Archiv neu geordnet und katalogisiert.

Neben seiner Tätigkeit als Abt war Gottfried Bessel wissenschaftlich tätig. Sein Hauptwerk ist das sogenannte „Chronicon Gotwicense“, eine auf drei Bände konzipierte Geschichte des Stiftes Göttweig in Verbindung mit der Geschichte der habsburgischen Länder und des Heiligen Römischen Reiches. 1732 erschien der erste Band, der als Einleitung zur eigentlichen Stiftsgeschichte einen Überblick über das Quellenmaterial bietet. Die nicht veröffentlichen Folgebände sollten die eigentliche Geschichte Göttweigs sowie Faksimiles wichtiger Urkunden und sonstiger Dokumente enthalten. Bei der Darstellung stützte Bessel sich weitgehend auf Jean Mabillons Werk zur spätantiken und mittelalterlichen Diplomatik „De re diplomatica libri sex“. Das „Chronicon Gotwicense“ kann somit als eines der ersten Handbücher zur den historischen Hilfswissenschaften im deutschen Raum angesehen werden. Dementsprechend wurde Bessel von Zeitgenossen als „deutscher Mabillon“ bezeichnet. Das „Chronicon“ enthält nicht nur detaillierte Quellenbeschreibungen, sondern auch zahlreiche Kupferstiche mit Darstellungen von Schriften, Siegeln und Miniaturen. Die Vorlagen wurden mittels eines speziellen Pausverfahrens hergestellt, um größtmögliche Genauigkeit zu erzielen. Die umfangreichen Recherche- und Reproduktionsarbeiten wurden durch intensiven Briefkontakt mit anderen Klöstern und dort wirkenden Gelehrten ermöglicht. Unter den Mitarbeitern Bessels sind v. a. der Melker Historiker P. Bernhard Pez und Franz Joseph von Hahn, ab 1734 Weihbischof von Bamberg, zu nennen.

Warum nur der erste Band des „Chronicon“ publiziert wurde, ist nicht bekannt. Neben finanziellen Gründen waren vermutlich die vielfältigen Aufgaben Bessels ein Hindernis für die Drucklegung der Folgebände, zu denen umfangreiche Vorarbeiten erhalten sind: Neben der Führung des Konventes hatte er die umfangreichen Bauarbeiten zu koordinieren. Weiters war Bessel als Abt Mitglied des niederösterreichischen Prälatenstandes. Zusätzlich wurde er weiterhin mit diplomatischen Missionen betraut, auch wenn diese allmählich seltener wurden. Erschwert wurde all dies durch seinen schlechten Gesundheitszustand – Bessel litt seit 1725 an einer offenen Wunde am Bein und war in seinen letzten Lebensjahren weitgehend bettlägerig.

Im Verlauf des Österreichischen Erbfolgekriegs wurde das Stift 1741 mit Kontributionszahlungen belegt und der Abt mit zwei seiner Mitbrüder von bayrisch-französischen Truppen als Geisel genommen. Fünf Jahre später, 1746, erfuhr Bessel anlässlich des 50-jährigen Jubiläums seiner Priesterweihe und seiner Promotion eine letzte bedeutende Ehrung: Die Feierlichkeiten im Stift fanden in Anwesenheit des Kaiserpaares Franz Stephan und Maria Theresia statt. Gottfried Bessel starb am 22. Jänner 1749 in Göttweig und wurde in der Stiftskirche begraben.

Gottfried Bessel gehörte zwar der Theologischen Fakultät an, nahm aber an deren Geschäften kaum Anteil. Seine zweimalige Wahl zum Rektor der Universität verdankte er in erster Linie seinem Stand als Abt von Göttweig. Seine historischen Interessen waren wohl ausschlaggebend dafür, dass er während seiner zweiten Amtszeit 1726/27 eine Revision der alten Registratur veranlasste. Die Bestände, die von Fäulnis bedroht und in kompletter Unordnung waren, wurden gesichtet und in drei Findbehelfen verzeichnet. Zwei dieser Repertorien, die in den beiden Registraturen sowie im Universitätsarchiv hinterlegt wurden, sind heute noch erhalten. Für die Bestände des Universitätsarchivs legte der damalige Archivar P. Joseph Pargger auf Anweisung des Rektors ebenfalls ein neues Repertorium an. Zusätzlich wurden eiserne Behältnisse für die sichere Aufbewahrung von Archivalien angeschafft.

Rund 150 Jahre nach seinem Tod ehrte die Universität Wien Gottfried Bessel durch die Aufnahme seines Namens in die 1893 angebrachte Ehrentafel der Katholisch-Theologischen Fakultät

Ulrike Denk

Zuletzt aktualisiert am 01/27/23

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