Die Universitätssternwarte an der Türkenschanze

1873

Während der militärischen Besetzung der Neuen Aula nach 1848 mussten sämtliche Universitätseinrichtungen das ehemalige Hauptgebäude in der Bäckerstraße verlassen, nur die Astronomen der Sternwarte durften weiterhin ihr Observatorium auf dem Dach verwenden. Doch dieser Gebäudeaufsatz hatte sich bereits früh als ungeeignet erwiesen und wurde 1828 vom Direktor der Sternwarte, Johann Joseph Littrow, bemängelt, da er „wegen seiner äußerst schwachen Bauart von jeher zu gar keinem wissenschaftlichen Zwecke gebraucht werden“ konnte. Stattdessen empfahl der Astronom einen Standort außerhalb der Stadt, wo weder die Luftverschmutzung noch Erschütterungen die Himmelsbeobachtungen stören sollten. Im Jahr 1873 wurde der Bau der bis heute größten Sternwarte Europas begonnen.

Die Architektur der Sternwarte

Als die Sternwarte im ausgehenden 19. Jahrhundert eröffnete, erhob sich der monumentale Observatoriumsbau mit einer Länge von 105 Metern und einer Breite von 72 Metern markant über die weitgehend unbebaute Umgebung auf der Türkenschanze. Nicht nur der kreuzförmige Grundriss, sondern auch die drei konchenartigen Kuppeltürme sowie die zentrale Kuppel lassen bei der Architektur der Sternwarte an einen mächtigen Sakralbau denken.

In der dekorativen Gestaltung fallen deutliche Unterschiede zwischen dem nördlichen, überkuppelten Gebäudeteil und dem südlichen „Langhaus“ auf. Während der nördliche Teil, der das Observatorium selbst beherbergt, zwar durch die Kuppeln hervorsticht, sind hier die Fassaden nur minimal ornamentiert. An den Fassaden des Südtrakts hingegen, in dem sich die großzügige Wohnung des Sternwartedirektors befand, setzen verschiedene zusätzliche Bauornamente wie steinerne Fensterlaibungen und –verdachungen klare Akzente und erinnern so an das von Heinrich von Ferstel errichtete Erste Chemische Institut in der Währingerstraße.

Trotz der imposanten Vorzüge des Neubaus, die sowohl im Standort mit freier Sicht als auch in der stabilen Konstruktion selbst bestanden, wurden auch die Nachteile des riesenhaften Baus bald deutlich. So war der Wiener Bau einer der letzten, bei dem ein kreuzförmiger Grundriss verwendet wurde, da man andernorts bereits dazu überging, die überkuppelten Observatorien von den anderen Wohn- und Arbeitstrakten zu trennen, um die Wärmeabstrahlungen von deren Dächern sowie den Rauch von deren Öfen möglichst von den Teleskopen fernzuhalten.

Für den Wiener Plan, den der junge Theaterarchitekt Ferdinand Fellner 1873 entwickelte, waren bereits um 1848 von dem damaligen Sternwartedirektor Karl Ludwig Littrow, Sohn und Nachfolger von Johann Joseph Littrow und dessen Ingenieur Hieronimus Schaller Vorlagen erstellt worden. Diese wiederum hatten Karl Friedrich Schinkels Neue Sternwarte in Berlin zum Vorbild, die der berühmte preußische Architekt 1830 auf Betreiben des Naturforschers Alexander von Humboldt für den Berliner Astronomen Johann Franz Encke errichtet hatte.

 

Druckversion