Alfons Dopsch, o. Univ.-Prof. Dr. phil.

14.6.1868 – 1.9.1953
geb. in Lobositz | Lovosice, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Porfessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Ehemann von Marie Dopsch (geb. von Ficker)

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. jur. h.c. 1935/36 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1965 Philosophische Fakultät

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Alfons Dopschs großdeutscher und antislawischer Einstellung als „diskussionswürdig“ eingestuft. Dopsch gehörte dem Nationalsozialistischen Hochschullehrerbund der Universität Wien an, war Mitglied im einflussreichen nationalsozialistisch geprägten „Deutschen Klub“ und im antisemitischen Geheimbund „Deutsche Gemeinschaft“.

Funktionen

Dekan*in Philosophische Fakultät 1916/17
Rektor Philosophische Fakultät 1920/21
Senator Philosophische Fakultät 1929/30
Senator Philosophische Fakultät 1930/31
Senator Philosophische Fakultät 1931/32

Ab 1886 studierte Dopsch Geschichte, Philosophie, Geografie und Germanistik an der Universität Wien und promovierte 1890 im Fach Geschichte zum Dr.phil. (Dissertation: Das Treffen von Lobositz 1756) 1889 bis 1891 absolvierte er den 18. Ausbildungskurs des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. 1892 bis 1900 gehörte Dopsch als Mitarbeiter der Diplomata-Abteilung der Monumenta Germaniae Historica an, 1893 habilitierte er sich mit 25 Jahren an der Universität Wien (venia legendi für Österreichische Geschichte, ab 1896 erweitert auf Historische Hilfswissenschaften). 1898 erfolgte die Ernennung zum außerordentlichen, 1900 zum ordentlichen Professor für allgemeine und österreichische Geschichte an der Universität Wien.
Seit 1900 war er verheiratet mit Marie, geb. Ficker (1876–1971), der Tochter des renommierten Innsbrucker Historikers Julius Ficker.
1916/17 war er Dekan der Philosophischen Fakultät, 1920/21 Rektor der Universität Wien.

Von der mittelalterlichen Urkundenlehre und Verfassungsgeschichte gelangte er zur Beschäftigung mit der Wirtschaftsgeschichte, in deren Bereich er grundlegende Arbeiten vorlegte: „Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit“ und „Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung aus der Zeit von Caesar bis auf Karl den Großen“, wo er die These von der Kontinuität der Kulturentwicklung vertrat. 1922 gründete er das Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (später: Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte), das er bis zu seiner Pensionierung/Entlassung 1936 leitete.

Seit 1906 war Dopsch Hofrat, seit 1903 korrespondierendes, seit 1909 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (später Obmann der dortigen Historischen Kommission der Weistümer- und Urbarkommission). 1922 wurde er in die Commission de Cooperation Intellectuelle (Societé des Nations) aufgenommen, im Jahre 1923 gründete er die Österreichische Landeskommission des Völkerbundes. 1926-1933 war er Vizepräsident des Internationalen Historikerkomitees.

Im Austrofaschismus erfolgte seine vorzeitige Pensionierung am 31. Juli 1936. Seine Professur wurde nicht nachbesetzt, sein Institut in das Historische Seminar eingegliedert.

Am 1. September 1953 verstarb Dopsch fünfundachtzigjährig in Wien-Sievering.

Leistungen

Alfons Dopsch zählte zu den wichtigsten Historikern seiner Zeit und gilt als Wegbereiter der österreichischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. International bestens vernetzt (u.a. mit der französischen Annales-Schule), institutionalisierte er das Fach in Österreich. Er war auch ein Förderer von Frauen in der Wissenschaft (1925 wird seine Assistentin Erna Patzelt erste habilitierte Historikerin Österreichs) und er war auch hochschulpolitisch aktiv.

Problematische Aspekte

Alfons Dopsch beschreibt sich selbst als großdeutsch bzw. deutschnational von Jugend an. Er war antislawisch und teilweise antisemitisch eingestellt und stellt seine wissenschaftliche Autorität und Kenntnis in den Dienst einer deutschnationalen Agenda, bot aber in seinem Institut auch Andersdenkenden Entwicklungsmöglichkeiten, was in der stark deutschnational ausgerichteten Wiener Geschichtswissenschaften der 1920er und 1930er Jahre eher selten war.

Er war schon als Student in der deutschnationalen Historikerszene gut vernetzt, gründete etwa 1889 den Akademischen Verein deutscher Historiker in Wien (Slawen und Juden waren ausgeschlossen) und agierte auch später als Lehrender oder als Dekan und Rektor nahe an der deutschnationalen Studentenschaft und fordert in Zeitungsartikeln eine „wahrhaft deutsche Erziehung“, um die Jugend wieder in „völkischen Idealen“ schulen zu können. Dopsch betrieb Sozialgeschichte in deutschnationaler Perspektive, als modernisierter Historismus, der positivistische Quellenzentriertheit, Ablehnung von Theorien bei gleichzeitiger Integration landesgeschichtlicher Konzeptionen mit deutschnationalen politischen Interessen verband (Ehmer/Müller). Er beteiligte sich als Teilnehmer, Redner oder Ehrenschutz an den deutschnationalen Reichsgründungsfeiern, an „alldeutschen Gründungsfeiern“ von deutschvölkischen und nationalsozialistischen Studentenvereinigungen (1925). Er stand dem Deutschen Schulverein Südmark nahe und war Mitglied im Deutschen Klub, einem antisemitischen und deutschnationalen Netzwerk, das auch die nationalsozialistische Unterwanderung der österreichischen Institutionen in der Ersten Republik förderte. Er war auch Mitglied der Fachgruppe Hochschullehrer der Deutschen Gemeinschaft, einem antisemitischen Geheimbund, der 1919-1930 sehr aktiv war, um Liberale und Juden von Lehrstühlen fernzuhalten, und „gelbe Listen“ publizierte, die Hochschullehrer jüdischer Abstammung, liberaler oder marxistischer Gesinnung stigmatisierten.
Er war nie Mitglied der NSDAP, der SS oder SA, lediglich ab 1933 im „NS-Hochschullehrerbund“ und ab 1942 in der NS-Volkswohlfahrt, schwanke aber zwischen Annäherung und Abgrenzung zum NS-System. Er war bei zunehmender Radikalisierung in den 1930er Jahren aber nicht mehr unter den NS-Proponenten zu finden, wie die Mehrheit der Professoren der Geschichtswissen­schaft, und auch nicht Mitglied der nationalsozialistisch-antisemitischen „Bärenhöhle“-Runde.

Wilhelm Bauer beschrieb Dopsch als Antisemiten, „der hinter allen möglichen Dingen […] jüdische Macht erblickt.“ Bruno Kreisky erinnerte Dopsch dagegen als einen der wenigen Professoren, der damals eben nicht offen antisemitisch auftrat.

Im Austrofaschismus wurde Dopsch einerseits verpflichtet, die neu eingeführte ideologische Pflichtlehrveranstaltung „Über die ideellen und geschichtlichen Grundlagen des österreichischen Staates“ zu halten, andererseits versuchte man ihn bereits 1935 vorzeitig in den Ruhestand zu schicken, was nach umfangreichen Protesten um ein Jahr aufgeschoben erst 1936 erfolgte – sein Institut wurde aufgelöst, bzw. dem Historischen Seminar einverleibt.

Sein Entschädigungsantrag vom Ende März 1938 bei der Wiedergutmachungsstelle der NSDAP wegen der vorzeitigen Pensionierung aufgrund seiner „nationalen Gesinnung“ wurde abgelehnt. 1943 erhielt er aber die Goethe-Medaille zu seinem 75. Geburtstag. Der Vater seiner engen Mitarbeiterin Erna Patzelt, Julius Patzelt, war einer der führenden Akteure der NSDAP in Österreich, Präsident des Deutschen Klubs sowie ständiger Referent der deutschen Burschenschaften. Zwischen den anfänglich nahestehenden prononciert nationalsozialistischen Professorenkollegen Heinrich von Srbik, Hans Hirsch, Otto Brunner und Alfons Dopsch kam es später zu starker Konkurrenz, Ablehnung und Distanz.

Die Kommission zur Prüfung der Wiener Straßennamen kommentierte 2013 die Straßenbenennung nach Alfons Dopsch gar nicht, die Linzer Straßennamenkommission ordnete ihn 2022 in die Kategorie 3 ein, die bedeutet: „punktueller, opportunistischer und taktischer Einsatz von Versatzstücken antisemitischer, nationalsozialistischer, rassistischer, antidemokratischer Ausrichtung, ohne nachweisbarem eigenen Handeln bzw. höchstens punktueller verbaler Propagierung der NS-Ideologie“.

Ehrungen:

  • Ehrendoktorat Universität Wien (1935)
  • Ehrendoktor Universität Prag
  • Ehrendoktorat University of Oxford
  • Ehrendoktor Universität Madrid
  • Ehrendoktor Universität Budapest
  • Ehrenmitglied der American Historical Association (1949)
  • Ehrenring der Stadt Wien (1953)
  • Benennung Dopschstraße in 1210 Wien (1954)
  • Denkmal Universität Wien|Arkadenhof (1965)
  • Benennung Dopschweg in Linz (1973)

Werke (Auswahl)

  • Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit (1912/13)
  • Österreichs Geschichtliche Sendung (1917)
  • Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung von Cäsar bis auf Karl den Großen (1918/20)
  • Der Wiederaufbau Europas nach dem Untergange der alten Welt. Inaugurationsrede, in: Bericht über das Studienjahr 1919/1920 (1920), 65–80.
  • Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. Gesammelte Aufsätze (1928)
  • Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft in der Weltgeschichte (1930)
  • Selbstdarstellung. In: Erna Patzelt, Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Gesammelte Aufsätze/Zweite Reihe (1938), 277–318
  • Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit (1939)

 

Archiv der Universität Wien, 131.58 Teilnachlass, PH GZ 843 ex 1889/90. PH GZ 629, S 222.40, PH PA 1020, RA GZ 573 ex 1935/36, S 265.5.22, S 304.185, S 164.160 131.59.1, 131.30.3.2.21

Herbert Posch

Zuletzt aktualisiert am 15.02.2024 - 20:33

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