Adolf Butenandt, Univ.-Prof. Dr.
Honors
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
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Honorary Doctorate | Dr. med. h.c. | 1964/65 | Faculty of Medicine |
Am 11. Mai 1965 wurde Adolf Butenandt im Rahmen des 600. Universitätsjubiläums das Ehrendoktorat der Medizinischen Fakultät der Universität Wien verliehen. Als Dekan der verleihenden Fakultät stellte Leopold Breitenecker ihn als neuen Ehrendoktor vor: „Professor Dr. Adolf Butenandt, geboren 1903 in Bremerhaven, studierte in Marburg und Göttingen. Professor Butenandt verdanken wir die Isolierung, die Strukturaufklärung und Synthese mehrerer Sexualhormone und einer Reihe von Wirkstoffen der Insekten. Professor Butenandt ist Direktor des Max Planck-Institutes für Biochemie in München und Präsident der Max Planck-Gesellschaft. 1939 hat er für seine Arbeiten den Nobelpreis für Chemie erhalten. Er ist Ehrenmitglied zahlreicher bedeutender wissenschaftlicher Gesellschaften und seit vorigem Jahr auch Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Er ist siebenfacher Ehrendoktor, hat zahlreiche weitere wissenschaftliche Preise und Medaillen erhalten, so auch 1962 die Dale-Medaille der Society for Endocrinology, London. Sein wissenschaftliches Werk umfaßt 270 Veröffentlichungen.“ (Die Sechshundertjahrfeier der Universität Wien. Offizieller Festbericht, Wien 1965, S. 48) |
Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Adolf Butenandts Involvierung in den Nationalsozialismus als „diskussionswürdig“ eingestuft
- Biochemistry
Am 11. Mai 1965 erhielt Adolf Butenandt im Rahmen des 600‐Jahr‐Jubiläums der Universität Wien ein Ehrendoktorat verliehen. Der Nobelpreisträger des Jahres 1939 war einer der führenden Biochemiker Deutschlands und zum Zeitpunkt der Ehrenpromotion Präsident der Max‐Planck‐Gesellschaft (MPG). Die Frage einer möglichen NS‐Vergangenheit spielte, soweit aus den Akten ersichtlich, im Vorfeld der Verleihung keine Rolle.
Butenandt studierte Chemie, Physik und Biologie in Marburg und Göttingen, wo er 1927 über den pflanzlichen Wirkstoff Rotenon promovierte. 1931 erfolgte die Habilitation in organischer und biologischer Chemie mit der Arbeit „Untersuchungen über das weibliche Sexualhormon“ – seine Entdeckungen auf diesem Forschungsgebiet sollten ihm bereits wenige Jahre später den Nobelpreis einbringen. 1933 wurde er ordentlicher Professor für organische Chemie und Direktor des organisch‐chemischen Instituts der Technischen Hochschule Danzig. Sein wichtigster Karriereschritt erfolgte 1936 mit der Bestellung zum Direktor des Kaiser‐Wilhelm‐Instituts für Biochemie in Berlin‐Dahlem als Nachfolger des als Juden verfolgten Carl Neuberg (1877–1956). Diesem gelang zwar 1939 über mehrere Stationen die Flucht in die USA, er erreichte aber bis an sein Lebensende keine vergleichbare wissenschaftliche Position mehr. Butenandt hingegen gelang es, mit der 1944 erfolgten Verlegung des Instituts von Dahlem nach Tübingen dort 1945 auch wieder eine ordentliche Professur zu erlangen, die er in Personalunion mit dem Direktorat ausübte. 1956 übersiedelte er ein weiteres Mal mit seinem Institut, diesmal nach München. Mit der Wahl zum MPG‐Präsidenten 1960 erreichte der den Höhepunkt seiner Karriere.
In politischer Hinsicht war Adolf Butenandt prononciert deutschnational eingestellt. Im März 1932 unterzeichnete er einen öffentlichen Aufruf zur Wahl Hindenburgs in der anstehenden Reichspräsidentenwahl, womit er einen direkten Konkurrenten Adolf Hitlers unterstützte. Am 11. November 1933 unterzeichnete Adolf Butenandt das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler. Am 1. Mai 1936 trat er in die NSDAP ein, was der amerikanische Wissenschaftshistoriker Robert Proctor plausiblerweise als Teil seiner politischen Qualifizierung für den Direktorsposten in Berlin‐Dahlem betrachtet. Dazu kamen Mitgliedschaften in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), dem NS‐Dozentenbund, dem NS‐Lehrerbund, der NSVolkswohlfahrt, dem NS‐Altherrenbund, dem Deutschen Studentenbund und dem NS‐Bund Deutscher Technik. Seit 1944 gehörte Butenandt dem wissenschaftlichen Beirat des Generalkommissars für das Sanitäts‐ und Gesundheitswesen Karl Brandt an. Proctor hebt hervor, dass er keine Hinweise auf eine antisemitische Einstellung Butenandts gefunden habe. Auch habe Butenandts Vorgänger Carl Neuberg diesem keinen persönlichen Vorwurf daraus gemacht, 1936 seine Stelle übernommen zu haben.
Umstritten ist Butenandt nicht nur wegen seiner Mitgliedschaften in NSDAP und anderen NS‐Organisationen. Er war auch – direkt und indirekt – in zweifelhafte wissenschaftliche Versuche verwickelt. Zu nennen ist dabei einerseits eine umfangreiche Zusammenarbeit mit der Luftwaffe, in deren Rahmen Butenandt unter anderem an der Erprobungsstelle Rechlin auch bei Versuchen persönlich anwesend war. Der genaue Inhalt und die näheren Umstände dieser Kooperation konnten (außer der Suche nach einem blutbildungsfördernden Mittel) bis heute nicht geklärt werden – zahlreiche Dokumente wurden vernichtet, viele auch auf Initiative Butenandts. Zum anderen war Butenandt über seinen engen Mitarbeiter (und zeitweiligen Stellvertreter in Dahlem) Günther Hillmann (1919–1976) in ein Forschungsprojekt mit dem harmlos klingenden Titel „spezifische Eiweißkörper“ involviert. Betrieben wurde es von Otmar Freiherr von Verschuer (1896–1969), Direktor des ebenfalls in Berlin‐Dahlem angesiedelten Kaiser‐Wilhelm‐Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik und einer der führenden Rassenhygieniker des „Dritten Reichs“. Über Ziel und Zweck des Projekts existieren unterschiedliche Auffassungen, wobei nach dem deutschen Historiker Hans‐Walter Schmuhl die Suche nach einem „serologischen Rassentest“ die plausibelste Annahme darstellt. Unumstritten ist die Tatsache, dass Verschuer für dieses Vorhaben von seinem Schüler Josef Mengele (1911–1979) ungefähr 200 Blutproben aus dem Konzentrations‐ und Vernichtungslager Auschwitz erhielt. Es gilt heute als äußerst unplausibel, dass Butenandt über die Herkunft der Proben, die an seinem Institut untersucht wurden, in Unkenntnis gewesen sein könnte. Nach 1945 trat er zudem als Verteidiger sowohl von Verschuer als auch von Mengele auf.
Archiv der Universität Wien, Senat S 199.3.13, (Butenandt, Adolf: Verleihung des Ehrendoktorats).
Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät, GZ 104 ex 1962/63 (Jubiläumsfeier der Universität Wien).
Zuletzt aktualisiert am 01/23/24