Universitätsjubiläen
Die Jubiläumskultur – das Erinnern an die Gründung in bestimmten Zeitintervallen – etablierte sich im deutschsprachigen Raum in Neuzeit als allseits praktiziertes populäres Ritual. Auch die Universität Wien, die 2025 ihr 660. Jubiläum feiert, nutzte während der letzten beiden Jahrhunderte diese Gelegenheiten, um einem internationalen Publikum ihre lange Eigengeschichte, Tradition eine zeitgenössische Leistungsschau zu präsentieren. Die Jubiläen boten den Anlass für die Entwicklung einer Universitätsgeschichtsschreibung, die Verleihung universitärer Ehrungen sowie für diverse Veranstaltungen und Erinnerungzeichen.
500. Universitätsjubiläum 1865
1865 fanden an der Universität Wien anlässlich des 500. Jubiläums die ersten größeren Jubiläumsfeiern statt – zu einem Zeitpunkt, als die Universität über kein repräsentatives Hauptgebäude verfügte und umfangreiche Reformen vollzogen hatte. Da die Universitätsleitung Ausschreitungen unter den Studenten befürchtete, wurde die offizielle „Jubelfeier“ der Universität vom Gründungstag am 12. März in die Ferienzeit verlegt (1. bis 3. August 1865), womit die Teilnahme vieler Studierender verunmöglicht wurde. Zudem sorgten hohe Eintrittspreise dafür, die Studenten von den Feierlichkeiten fernzuhalten. Ein studentischer Festausschuss, der bereits mit den Vorbereitungen für die Feiern begonnen hatte, war daher von der Teilnahme zurückgetreten.
Im Zuge der Jubiläumsfeierlichkeiten verlieh die Universität Wien eine noch nie dagewesene Zahl an Ehrentiteln an international renommierte Männer der Wissenschaft: 41 Personen wurden zu Ehrendoktoren ernannt sowie 85 Personen zu Ehrenmitgliedern der Doktorenkollegien der Fakultäten – eine Ehrungsform, die in der Geschichte der Universität Wien nie zuvor oder danach verliehen wurde, wurden die Doktorenkollegien doch bereits 1873 abgeschafft.
Als Festschrift veröffentlichte der Historiker Joseph Aschbach im Auftrag der Universität Wien den Band „Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhunderte ihres Bestehens“, der stark auf den Gründungsakt der Universität Bezug nahm und rezente kontroverse Entwicklungen der Universität ausblendete. Der Anlass des Universitätsjubiläums wurde jedoch auch als Plattform für oppositionelle Anliegen genutzt, die sich etwa in der „Gegenfestschrift“ von Gerson Wolf äußerten. In seiner Publikation behandelte er kontroversielle Aspekte der Wiener Universitätsgeschichte. Unter anderem stellte er die Datierung der Gründung 1365 in Frage und wies auf Quellen hin, die auf eine frühere Gründung bereits 1237 hindeuten. Auch ging er auf das Verhältnis der Juden zur Universität ein und übte Kritik am katholischen Charakter der Institution.
1898 – 1915 – 1940
Auch die Jubiläen der Monarchie wirkten in den Bereich der Universität hinein, wie das 50. Jubiläum der Thronbesteigung von Kaiser Franz Joseph I., das 1898 im großen Stil zelebriert wurde. Aus diesem Anlass gab der Senat die Huldigungsschrift „Geschichte der Wiener Universität von 1848 bis 1898“ heraus.
Das 550. sowie das 575. Universitätsjubiläum 1915 und 1940 fielen jeweils in das zweite Kriegsjahr des Ersten und Zweiten Weltkriegs und wurden kaum bis gar nicht gefeiert. Planungen für ein universitätsgeschichtliches Museum, das 1915 eröffnet werden sollte, wurden nach Kriegsausbruch verworfen, da sich die Universität der Beteiligung an der Kriegsvorbereitung widmete. Im Sinne einer Konkurrenz der Wiener Hochschulen ist bemerkenswert, dass die Technische Hochschule ihr 100. Gründungsjubiläum 1915 mit der Herausgabe mehrerer Festschriften feiern konnte.
600. Universitätsjubiläum 1965
Das Jubiläum 1965 konnte auf die intensive Arbeit von Universitätsarchivar Franz Gall zurückgreifen, der eine universitätshistorische Jubiläumsausstellung gestaltete und einen Großteil der Schriften zur 600-jährigen Geschichte der Alma Mater Rudolphina veröffentlichte. Trotz der historischen Expertise spiegelte das Jubiläum 1965 aber vor allem die verkürzte Auseinandersetzung der Institution mit der eigenen Geschichte wider, da die Zeitgeschichte sowie aktuelle Streifragen ausgeblendet wurden. Stattdessen stand vor allem die Selbstrepräsentation der Universität nach außen im Vordergrund: Für ein einheitliches Auftreten der Professoren wurden eigens Professorentalare produziert und im Gegensatz zu 1865 sollten nun auch die Studierenden als Teil der Universität in der Öffentlichkeit inszeniert werden. Gall meinte damit jedoch vor allem die farbentragenden und schlagenden Studentenverbindungen, die bei den Feierlichkeiten 1965 u.a. als traditionelle Träger der Universitätsfahne ein korporatives Auftreten boten:
„Mögen auch im Alltag die einen als ‚Klerikale‘, die anderen als ‚Radaustudenten‘ verschrien sein, akademische Solidarität und Aufgeschlossenheit den brennenden Zeitfragen gegenüber wird durch die Wiener Couleurs doch demonstriert“.
Gall 1965, S. 192
Die Selbstinszenierung der Universität Wien, die ein breites Ensemble an alten und neuen Traditionen und Erinnerungszeichen nutzte (Festumzüge, Gottesdienste, Briefmarken, Postkarten, Gedenkmünze etc.), stieß in der inner- und außeruniversitären Öffentlichkeit auf Widerspruch. Diese äußerten sich besonders in einer Gegenveranstaltung der ÖH „Symposium 600 – Gestaltung der Wirklichkeit“, das einen Aktualitätsbezug forcierte. Die Proteste gegen die offiziellen Jubiläumsfeiern standen auch im Zusammenhang der Proteste gegen den antisemitischen Professor Taras Borodajkewycz, im Zuge derer der ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger niedergeschlagen worden und wenige Tage später vorstorben war. Die Borodajkewycz-Affäre brachte Hans Kelsen dazu, die offizielle Einladung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten zurückzuweisen. Er kam letztendlich auf Einladung der Bundesregierung dennoch nach Wien und beteiligte sich an einer Festschrift der Summer-School of the University of Vienna zum 600. Jubiläum, die u.a. 15 autobiografische Berichte größtenteils emigrierter Wissenschafter über ihre Zeit an Universität Wien enthielt.
Im Rahmen der Jubiläumswoche (10. bis 15. Mai 1965) fand im Wiener Burgtheater auch die feierliche Ernennung von 29 Ehrendoktor*innen, 15 Ehrenbürger*innen und 10 Ehrensenatoren statt. Eine der geplanten Ehrenpromotionen hatte im Vorfeld der Feiern für großes Aufsehen gesorgt, als publik geworden war, dass ein 1933 veröffentlichtes Werk des zu ehrenden Juristen Ernst Forsthoff klar antisemitische Äußerungen enthielt. Eine parlamentarische Anfrage sozialdemokratischer Abgeordneter sowie eine entsprechende Berichterstattung der Arbeiter-Zeitung hatten Rektor Karl Fellinger unter Druck gesetzt, sodass die Universität die Ehrung Forsthoffs verschob. Die Verleihung fand schließlich unter Anwesenheit zahlreicher internationaler Ehrengäste ohne Forsthoff statt. In seiner Begrüßungsrede hieß Rektor Fellinger „ganz besonders auch die ‚Emigranten‘, jene ehemaligen Mitglieder unserer Universität, die oft von weither gekommen sind, um dieses Fest mit uns zu feiern“, willkommen und äußerte gegenüber den 1938 Vertriebenen die Absicht, man wolle, „wenigstens symbolhaft, ein wenig gutzumachen versuchen, was damals geschah“.
625. Universitätsjubiläum 1990
Nachdem 1984 an der Universität Wien zwei größere „Teiljubiläen“ – 600 Jahre Katholisch-Theologische Fakultät sowie 100 Jahre Hauptgebäude
an der Ringstraße – gefeiert wurden, fand das 625. Universitätsjubiläum in deutlich kleinerem Rahmen statt. Beim offiziellen Festakt in Anwesenheit staatlicher Würdenträger am 7. Mai 1990 führten Proteste von Studierenden zu einer kurzen Unterbrechung. Sie kritisierten zentrale Fragen der Massenuniversität des 20. und 21. Jahrhunderts: die finanzielle und räumliche Ausstattung einzelner Institute und die Heranziehung von Drittmitteln für die Forschung. Mit Viktor Frankl und Hermann Mark wurden zwei im Nationalsozialismus vertriebene Wissenschafter als Festredner eingeladen. Als „UniPräsent 1990“ veröffentlichte die Universität Wien vier Hefte, darunter erstmals ein Werk zur Vertreibung 1938, das einen wichtigen Schritt für die beginnende kritische Aufarbeitung der Zeitgeschichte darstellte. Gemeinsam mit der Technischen Universität Wien, die im selben Jahr ihr 175. Jubiläum feierte, gab die Universität Wien 1965 eine Jubiläumsbriefmarke heraus.
650. Universitätsjubiläum 2015
Im Jahr 2015 wurde das erste Jubiläum der Universität Wien im 21. Jahrhundert in großem Umfang gefeiert. Die Öffentlichkeitsarbeit der Universität bemühte sich, die Universität zum 650. Jubiläum als eine moderne, farbenfrohe Institution zu bewerben. Großformatige Plakate, Fahnen sowie Straßenbahnen dienten als Werbeträger, zudem gehörten eine Jubiläumsbriefmarke, eine eigens gezüchtete Jubiläumsdahlie sowie ein Jubiläumswein zum Repertoire.
Das Veranstaltungsprogramm erstreckte sich über mehrere Monate (vom Eröffnungsfestakt am 12. März bis zu einem abschließenden Bankett im Rathaus am 29. Oktober 2015). Es umfasste eine Vielzahl unterschiedlichster Veranstaltungen, wie Vorträge, Vorlesungen und Symposien, Ausstellungen, Konzerte, Performances sowie zahlreiche Publikationen, die sich der Universitätsgeschichte widmeten. Thematische Schwerpunkte bildeten die Themen Nationalsozialismus und Diskriminierung von Frauen – Ausdruck der in den letzten Jahrzehnten entstandenen kritischen Gedenkkultur. An einem eigenen Dies honorum fand die Verleihung von sechs Ehrendoktoraten sowie die Promotionen sub auspiciis statt.
Proteste gegen die Selbstrepräsentation der Universität Wien kamen vor allem vonseiten der ÖH, die schwarze Plakate mit der Aufschrift „650 – Es gibt keinen Grund zu feiern!“ in Universitätsgebäuden anbrachte und u.a. den Werbeslogan „Open since 1365“ mit Verweis auf verschiedenste Zugangsbeschränkungen bzw. die Universität Wien als Eliteninstitution kritisierte, sowie vonseiten der IG LektorInnen, die darauf hinwies, dass die Mehrzahl der LektorInnen unter prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten müssen.
660. Universitätsjubiläum 2025
Das Rektorat und der Senat der Universität Wien laden anlässlich der 660. Wiederkehr des Jahrestages der Gründung der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis am Dies academicus am 12. März 2025 zur Akademischen Feier sowie zur Public Lecture von Emmanuelle Charpentier, Nobelpreisträgerin für Chemie 2020, am 11. März ein. In einem Festakt wird Charpentier das Ehrendoktorat verliehen, zudem erhalten zwei Personen die Promotio sub auspiciis und fünf Personen die Ehrensenator*innen-Würde. Aus diesem Anlass wird außerdem die neu adaptierte Installation „Nobelpreis und Universität Wien – Gruppenbild mit Fragezeichen“ in der Aula der Universität Wien enthüllt.
Artikel
- Repräsentation
- Szepter und Amtsketten des Rektors und der Dekane
- „Unter den Talaren …“
- Der Dies Academicus als zentraler Feiertag der Universität Wien
- Wappen, Siegel und Fahnen
- Universitätsgeschichtsschreibung
- Universitätsjubiläen
- Rektoratsreden 19./20. Jahrhundert (Arbeitstitel)
- Die Fakultätsbilder von Gustav Klimt im Festsaal der Universität Wien
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Erinnerungsmedaille zum 500. Gründungsjubiläum der Universität Wien
Bronzemedaille mit der Inschrift: UNIVERSITAS LITT:VINDOBON: RUDOLPHO IV:XII:MARTII MCCCLXV:SECULI V FRANC:IOS. I.
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Plakat „600 Jahre Universität Wien 1365–1965“
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Amtsträger der Universität Wien auf der Hauptstiege bei der 600 Jahrfeier 1965
vorne Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perčević neben Rektor Karl Fellinger
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Festzug zur 600-Jahrfeier der Universität Wien, 1965
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät im Professorentalar während des Festzuges anlässlich der 600-Jahrfeier der Universität Wien, 1965
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Festzug Chargierter mit der Universitätsfahne im Rahmen der 600-Jahrfeier der Universität Wien
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Karikatur "Rudolf der Stifter und seine Kehrseite", Arbeiter-Zeitung, 9.5.1965
Die Karikatur, die die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung nur einen Tag vor Beginn der Feiern zum 600. Gründungsjubiläum der Universität Wien...
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Ehrenpromotion im Rahmen der 600-Jahrfeier der Universität Wien, Burgtheater Wien, 1965
Verleihung der Ehrendoktorate an Hubert Jedin und Roland de Vaux (Katholisch-Theologische Fakultät), Ernst Wolf und Ladislaus Marton Pákozdy (...
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Jubiläumsbriefmarke zur 625-Jahrfeier der Universität Wien und zur 175-Jahrfeier der Technischen Universität Wien, 1990
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650 Jahre Universität Wien, Cover des Programmhefts zum Jubiläum der Universität Wien 2015
Das Programmheft zu "650 Jahre Universität Wien" 2015 ist unter https://www.univie.ac.at/uploads/media/Programm-650-Jahre-Jubilaeum.pdf erreichbar.
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Plakate zum Eröffnungsfestakt des Jubiläumsjahres der Universität Wien 2015 und der kritischen ÖH-Aktion „Es gibt keinen Grund zu feiern“
Zuletzt aktualisiert am : 26.02.2025 - 13:37
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Anfänge der Alma Mater Rudolphina
1365–1384 -
Der Dies Academicus als zentraler Feiertag der Universität Wien
12th.3.1994–12th.3.21. Jhdt. -
Universitätsgeschichtsschreibung
1854–21. Jhdt.