Max Dvořák, o. Univ.-Prof. Dr.
Ordinarius für Kunstgeschichte, einer der Hauptvertreter der Wiener Schule der Kunstgeschichte, Denkmalpfleger und Kunstschützer
Honors
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
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Commemorative Plaque of Faculty | 1962 | Faculty of Philosophy |
Die Eintragung des Namens des ehemaligen Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Wien Max Dvořák in die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät erfolgte auf Antrag seines Schülers Karl Maria Swoboda aus Anlass dessen 40. Todestages im Frühjahr 1961, da:
Die mit dieser Frage betraute Kommission der Philosophischen Fakultät, bestehend aus Dekan Ferdinand Steinhauser und den Professoren Swoboda, Fritz Eichler, Alfons Lhotsky, Hugo Hantsch und Eberhard Clar, stimmte dem Antrag am 1. Dezember 1961 einstimmig zu. Das Professorenkollegium der Fakultät gab am 16. Dezember 1961 seine Zustimmung, der Senat der Universität Wien am 20. Jänner 1962. Am 6. Februar 1962 beauftragte Rektor Franz Arnold die Universitäts-Gebäudeverwaltung mit der Durchführung der Eintragung. The name of the former full professor of art history at the University of Vienna, Max Dvořák, was inscribed in the Faculty of Philosophy's Commemorative Plaque of honor at the request of his student and successor Prof. Karl Maria Swoboda on the occasion of the 40th anniversary of his death in spring 1961, as:
The Faculty's committee, consisting of Dean Ferdinand Steinhauser and professors Swoboda, Fritz Eichler, Alfons Lhotsky, Hugo Hantsch and Eberhard Clar, unanimously approved the application on December 1st, 1961. The Faculty's Board of Professors gave its approval on December 16th, 1961, and the Senate of the University of Vienna on January 20th, 1962. On February 6th, 1962, Rector Franz Arnold, instructed the University Building Administration to carry out the inscription. |
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Biographisches und Bildungsweg
Der 1874 im böhmischen Raudnitz an der Elbe geborene Sohn eines fürstlich Lobkowitz'schen Archivars und Bibliothekars studierte an der tschechischen Universität Prag Geschichte und setzte seine Studien an der Universität Wien fort, wo er auch 1895–97 Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung wurde und am 31. März 1897 aufgrund der Dissertation „Quellenuntersuchungen zu Kosmas von Prag“ zum Doktor der Philosophie im Fach Geschichte promovierte.
Er wandte sich unter dem Einfluss der Kunsthistoriker Alois Riegl und Franz Wickhoff der Kunstgeschichte zu, wurde 1898 Wickhoffs Assistent und habilitierte sich 1902 mit einer Arbeit über die böhmische Handschriftenmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts zum Privatdozenten für Kunstgeschichte an der Universität Wien. In Nachfolge Alois Riegls wurde er 1905, trotz antitschechischer Ressentiments, außerordentlicher Professor und auch Generalkonservator der k.k. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale (heutiges Bundesdenkmalamt). 1909 wurde er ordentlicher Professor. Im selben Jahr wurde als Nachfolger Franz Wickhoffs der Grazer Kunsthistoriker Josef Strzygowski an die Universität Wien berufen und es kam aufgrund von Unvereinbarkeiten zur Aufspaltung der Kunstgeschichte in zwei auch räumlich getrennte Institute. Max Dvořák, war Vorstand des II. Kunsthistorischen Instituts.
Er war verheiratet mit Gisela Hislik, mit der er auch zwei Töchter hatte, und war in zweiter Ehe 1911 mit Rosa Jovanovič, verw. Seatovič verheiratet.
Kunsthistoriker | Wiener Schule der Kunstgeschichte
Er suchte die Tradition der Wiener Schule von Wickhoff und Riegl weiterauszubauen und die Kunstgeschichte einerseits zu einer möglichst exakten Wissenschaft aufgrund streng historisch-philologischer Forschung auszubauen, andererseits eine neue, geistesgeschichtlich eingestellte Auslegung der kunstgeschichtlichen Erscheinungen zu geben. Die Methodik der Wiener Schule wird als ein Dreieck aus dem historischen Ansatz von Dvořák, dem stilistischen Ansatz von Wickhoff und dem sprachgeschichtlichen Ansatz von Riegl/Schlosser beschrieben (Edwin Lachnit). Zusammen bilden diese vier Kunsthistoriker die Richtung der Wiener Schule des frühen 20. Jahrhunderts.
Methodisch verwendet Dvořák in seinem Frühwerk Riegls evolutionäres Modell der Kunstgeschichte und beschrieb (z. B. in seiner Habilitation) den „großen Strom der künstlerischen Entwicklung“. Er setzte eine stark formale Analyse von Objekten ein und argumentierte, wie zum Beispiel in „Das Rätsel der Kunst der Brüder Van Eyck“, für eine lineare Entwicklung der Kunst auf der Grundlage einer stilistischen Analyse. Er lehnte den Naturalismus des van Eyck als plötzliche Erscheinung ab und zeichnete stattdessen die kontinuierliche Entwicklung vom Realismus des Quattrocento über die französische Manuskriptillumination bis hin zur Malerei der nördlichen Renaissance nach. In seinem Spätwerk zeigt sich zunehmend seine Überzeugung, dass der geistige Gehalt, der sich aus Gegenstand und Form ergibt, der Schlüssel zum Verständnis ist.
Anstelle einer genauen, kennerschaftlichen Lektüre einzelner Werke wählte Dvořák in seinen späteren Schriften umfassendere historische Prinzipien. Diese geistesgeschichtliche Methode zeigt sich am besten in seinem Werk „Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei“ (1917, dt. 1967), in dem er unter anderem argumentiert, dass der Grad der Realitätsnähe eines Kunstobjekts den persönlichen Ausdruck eines Künstlers widerspiegelt und nicht einen Kampf zwischen Abstraktion und Naturalismus. Die Arbeiten von Otto Benesch und Hans Tietze bauen beide auf dieser Methode auf.
Hans Tietze betonte in seinem Nachruf, Dvořák
„hatte als reiner Historiker begonnen und kam, mit dem vollen Rüstzeug dieser älteren Wissenschaft ausgestattet, zur Kunstgeschichte durch Wickhoff und Riegl. Deren Überwindung des ästhetischen Dogmatismus, wie Dvořák selbst in seinem Nachruf für Riegl es charakterisiert, hat ihm den Grund bereitet,– er übernahm von ihnen die Wissenschaft von der Kunst als eine historische Disziplin – mit aller Gefährlichkeit dieser Einstellung. Denn die Absolutheit des Kunstwerks und die Relativität aller historischen Erkenntnisse stehen in schroffem Gegensatz,– es lag im Wesen der letzten Generation des vergangenen Jahrhunderts — der Periode der naturwissenschaftlichen Orientierung und des Impressionismus —, diese Kluft durch den Begriff der künstlerischen Autonomie zu überbrücken. Die Kunstwerke, von der ästhetischen Bindung losgelöst und durch Auffassung als bloße historische Tatsache wesentlicher Elemente beraubt, werden durch ihre eigene Gesetzlichkeit zu einer Entwicklung zusammengeschlossen, sie bilden Reihen, deren physische Verknüpfung in der Sonderart der isolierten Kunstwerke begründet ist. Die Raum- und Zeitgrenzen, die die Geschichte zieht, bestehen nicht für ihre Welt, und so zersprengt die evolutionistische Deutung der Kunst den historischen Dogmatismus. Nicht innerhalb der Nationen und nicht innerhalb der Stilperioden spielt sich das historische Leben der Kunst ab, es greift aus und über, ein Strom, der sein Bett sich selber gräbt. Eine Einstellung wie diese muß mit Vorliebe alle Übergangsgebiete bebauen. Es ist kein Zufall, daß die großen Arbeiten Wickhoff's und Riegl's den stilistischen Grenzfragen gewidmet sind und daß auch Dvořák in seinen ersten Arbeiten an dieser Befreiung der Kunstgeschichte aus fremdgeistigen Banden mitwirken mußte“
Denkmalpflege
Max Dvořák war 1905 bis 1910 in Nachfolge von Alois Riegl (1858–1905) auch Generalkonservator der k.k. Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale (heute Bundesdenkmalamt) und erstellte den „Katechismus der Denkmalpflege“ (1916/18²), der, ausgehend von Riegls theoretischem Ansatz und im Aufbau wesentlich von Erzherzog Franz Ferdinand beeinflusst, an konkreten Beispielen und (negativen) Gegenbeispielen Grundsätze und Richtlinien der Denkmalpflege veranschaulicht.
Später wurde er Leiter des 1911 geschaffenen kunsthistorischen Instituts der nunmehrigen k.k. Zentralkommission für Denkmalpflege, das mit der Erfassung des Denkmalbestandes, der Grundlagenforschung und der Publikation von großen Inventarwerken, wie den Kunsttopographien und später den Dehio Handbüchern, betraut war.
Dvořák nahm seine Position als öffentlicher Denkmalpfleger sehr ernst und half bei der Rettung vieler österreichischer Kunstschätze für die Reparationsleistungen nach dem Ersten Weltkrieg. Er setzte die Veröffentlichung des „Kunstgeschichtlichen Jahrbuchs der Zentralkommission für die Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale“ sowie die Erstellung eines Inventars österreichischer und ungarischer Denkmäler, der „Österreichischen Kunsttopographie“ (1907), fort und arbeitete auch an der „Böhmischen Kunsttopographie“ mit und führte die von Wickhoff begonnene Katalogisierung der „Österreichischen Illuminierten Handschriften“ weiter.
Seine Reaktionen auf Fragen der Denkmalpflege in Wien, Krakau (Wawel) und Split (Diokletianpalast) werden als repräsentative Fallstudien aus dem Zentrum und der Peripherie des Reiches detailliert analysiert, wo die modernen Denkmalpfleger gleichzeitig gegen die Übergriffe der Moderne einerseits und die zerstörerischen Praktiken der Restaurierung des 19. Jahrhundert andererseits ankämpften.
Die staatliche Verwaltung des kulturellen Erbes in der späten Habsburgermonarchie mit seinen verschiedenen Völkern, Sprachen und Geschichten war ihm auch als eine inhärent politische Angelegenheit bewusst und war Teil einer kulturellen Anstrengung zur Erhaltung des Reiches selbst.
Museumskommission | Kunstgüterschutz
Als von allen widerstreitenden Akteur*innen akzeptierter Experte und aufgrund seiner großen Organisationserfahrung wurde er nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns 1918 auch beauftragt, den Verbleib des österreichischen Kunstbesitzes in Österreich (großteils in Wien) abzusichern: Einerseits gegen die teilweise berechtigten, teilweise überschießenden Interessen der anderen Nachfolgestaaten der Monarchie am ehemaligen Privatbesitz des abgedankten Kaiserhauses. Andererseits aber auch gegen die Bestrebungen der österreichischen Verwaltung, Kunstgüter (etwa die kaiserlichen Gobelins) in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg zur Beschaffung von Lebensmittel und Bestreitung von Reparationszahlungen zu veräußern.
Dvořák wurde von Otto Glöckel zum Vorsitzenden der von Hans Tietze initiierten Museumskommission (1919) ernannt, die den Kunst- und Kulturbesitz erhalten und reorganisieren sollte, und wurde auch Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien (1920), Leiter des kunsthistorischen Instituts des Staatsdenkmalamtes, Mitglied des Archäologischen Instituts in Wien etc. Er setzte sich bis 1920/21 – intensiv unterstützt von Hans Tietze – weitgehend erfolgreich für den Verbleib der in Wien aufbewahrten österreichisch-ungarischen Kunstdenkmäler und Archivbestände ein. Legendär war sein breit publizierter „offener Brief an die italienischen Fachgenossen“ in Hans Tietzes Schrift „Die Entführung von Wiener Kunstwerken nach Italien“ (1919), als eine italienische Reparationskommission Kunstwerke überfallsartig aus dem Kunsthistorischen Museum und der Schatzkammer entfernten und nach Italien verbrachten.
In dieser Zeit lehnte er 1920 einen attraktiven Ruf an die neugegründete Universität Köln ab.
Werke (Auswahl)
Von seinen zahlreichen Publikationen seien hier nur einige genannt:
- Über den byzantinischen Einfluß auf die italienische Miniaturkunst des Trecento, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Erg. Bd. 6 (1900).
- Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt [Habilitation] Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (1901), 35–127.
- Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck“, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 24 (1904), 161–317.
- Katechismus der Denkmalpflege, Wien 1916, 1918².
- Idealismus und Naturalismus in der gotischen Skulptur und Malerei“, in: Historische Zeitschrift 119 (1918): 1–62, 185–246 (reprint Berlin, Boston 2019).
- Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance, 2 Bde., München 1927/28.
- Kunstgeschichte als Geistesgeschichte: Studien zur abendländischen Kunstentwicklung (hg. v. K. M. Swoboda) München 1924.
- Gesammelte Aufsätze zur Kunstgeschichte (hg. v. K. M. Swoboda u. J. Wilde) München 1929.
- Vorwort, in: Oskar Kokoschka: Variationen über ein Thema, Wien 1921.
- Die Gemälde Peter Bruegels des Älteren, Wien 1942.
- El Greco and Mannerism, in: The Magazine of Art, Vol. 46 no. 1 (1953), pp. 14–23.
- Idealism and Naturalism in Gothic Art. Notre Dame, IN, 1967.
- The History of Art as the History of Ideas. Boston, 1984.
Er starb im Alter von nur 47 Jahren an einem Schlaganfall bei einem Erholungsurlaub in Schlos Grusbach [Hrušovany nad Jevišovkou/bei Znaim [Znojmo], Tschechische Republik und ist am dortigen Friedhof in einem traditionellen Grab beigesetzt (das barocke Grabkreuz wurde von Fürst Johann II. v.u.z. Liechtenstein gestiftet), obwohl Adolf Loos ein modernistisches Mausoleum für ihn entworfen hatte, das aber nicht realisiert wurde.
Ehrungen
In seinem Geburtsort Roudnice nad Labem (Raudnitz) wurde ihm umgehend ein Denkmal errichtet, im März 1924 wurde eine Gasse in Wien 13. (Speising) ihm zu Ehren in „Dvorakgasse“ umbenannt und anlässlich seines 40. Todestages wurde 1961/62 an der Universität Wien sein Name in die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät in der Aula des Hauptgebäudes aufgenommen.
Zu seinem 100. Todestag fanden 2021 zahlreiche Ausstellungen und Kongresse mit reicher Beteiligung aus Österreich, Tschechien, Slowakei, Italien, USA und Ungarn statt.
Archiv der Universität Wien/PHIL Rigorosenakt 1031; PHIL Promotionsprotokoll M 34.2 (1881-1905) Nr. 750; PHIL Personalakt PH PA 1514; Akad. Senat S 304.192; Akad. Senat GZ 6 ex 1961/62; PHIL GZ 117 ex 1960/61;
Archiv des Instituts für Kunstgeschichte, Bestand Max Dvorak
Zuletzt aktualisiert am 04/21/24