Hilda Clark, Dr. med.
Quäkerin, Ärztin, Organisatorin internationaler Hilfsmaßnahmen
Honors
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
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Medal of Honor | Ehrenmedaille gold | 1922 |
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- Medicine
- Obstetrics
Hilda Clark war das jüngste von sechs Kindern des wohlhabenden Schuhfabrikanten William Stephens Clark und seiner Helen Priestman Clark, geb. Bright. Die Familie gehörte der Society of Friends (Quäker) an, deren pazifistische und karitative Ansichten Hilda Clark prägten. Sie wurde zunächst in ihrem liberalen Elternhaus unterrichtet und besuchte später die Quäkerschulen Brighthelmston und The Mount. Wie ihre Tante Annie Clark, die zu den ersten Medizinstudentinnen in Großbritannien gehörte, studierte sie ab 1901 Medizin an der Universität Birmingham. Für den Abschluss ihres Studiums wechselte sie 1906 an das Royal Free Hospital in London, wo sie 1908 ihren Abschluss als MB BS (Bachelor of Medicine, Bachelor of Surgery) machte.
In London lernte sie die Krankenschwester und Hebamme Edith Pye (1876–1965) kennen, mit der sie bald eine lebenslang andauernde Partnerschaft verband. 1908 wurde auch Pye Mitglied der Society of Friends und beide Frauen widmeten sich humanitären Aufgaben sowie den Zielen der nationalen und internationalen Frauenbewegung. Sie wurden Mitglieder der radikalen Women’s Social and Political Union sowie – wie auch Hilda Clarks Schwestern – der Women’s Liberal Federation und der National Union of Womenʼs Suffrage Societies. Clark wurde auch Mitglied der 1913 gegründeten British Society for the Study of Sex Psychology. 1915 zählten Clark und Pye zu den Unterstützerinnen des Internationalen Frauenfriedenskongresses in Den Haag, deren über 1.100 Teilnehmerinnen sich für ein sofortiges Ende des Ersten Weltkriegs einsetzten.
Als Medizinerin spezialisierte sich Hilda Clark zunächst auf das Gebiet der Geburtshilfe und war ab 1909 im Birmingham Maternity Hospital tätig. Ihr Interesse am öffentlichen Gesundheitswesen führte sie jedoch 1910 in ihre Heimatstadt Street, wo sie eine Tuberkulose-Apotheke (Street Dispensary) eröffnete und die umstrittene Tuberkulose-Impfung durchführte. 1911 ernannte die Gesundheitsbehörde in Portsmouth sie zur Tuberkulosebeauftragten. 1914 veröffentlichte Clark Ergebnisse ihrer medizinischen Arbeit in dem Buch „Dispensary treatment of pulmonary tuberculosis“. 1913 trat sie von ihrer Position in Portsmouth zurück, um eine Allgemeinpraxis für Arbeiter*innen in London zu eröffnen und dort Tuberkulose-Impfungen verfügbar zu machen.
Gemeinsam mit Edith Pye engagierte sich Hilda Clark seit Beginn des Ersten Weltkrieges für die Flüchtlingshilfe in Frankreich. Sie begründete zu diesem Zweck mit T. Edmund Harvey die Quäkerhilfsorganisation Friends’ War Victims’ Relief Committee (FWVRC). Im November 1914 gehörte sie einem Quäker-Komitee an, das nach Frankreich entsandt wurde, um den Bedarf an humanitärer Hilfe, besonders für Frauen und Kinder, zu ermitteln. In der Stadt Châlons-sur-Marne (heute: Châlons-en-Champagne), die im Kriegsgebiet lag, richtete das FWVRC eine Entbindungsklinik für weibliche Flüchtlinge ein („Friendsʼ Maternity Hospital and Infant Welfare Center“, später: „Maison Maternelle de la Marne“), deren Leitung Edith Pye ab Dezember 1914 übernahm. Clark leitete die Hilfsmaßnahmen des FWVRC in der Region, koordinierte diese mit dem Hauptquartier der Quäker-Hilfsaktion in Paris und begründete weitere medizinische Einrichtungen für Flüchtlinge mit besonderem Fokus auf Kinder. Neben der praktischen Hilfsarbeit widmete sie sich der Sammlung von Geldern und Lebensmitteln und verfasste zahlreiche Berichte über die Zustände im kriegszerrütteten Frankreich.
Im Juli 1919 reiste Hilda Clark nach Wien, wo sie die Organisation der britisch-amerikanischen Hilfsmission für die notleidende Bevölkerung Wiens im Namen des FWVRC übernahm, das in einem ehemaligen Palais in der Singerstraße 16 im 1. Bezirk seinen Sitz hatte. Ende 1919 folgte Edith Pye ihr nach Wien nach und unterstützte sie. Da eine Initiative der von Herbert Hoover geleiteten American Relief Administration (ARA) bereits über 100.000 Schulkinder in Wien versorgte, wandte sich die Quäkerhilfsorganisation zunächst vor allem der Versorgung unterernährter Säuglinge und jüngerer Kinder zu. Um dem Mangel an Milch entgegenzuwirken, wurden mit Spendengeldern im Ausland Kühe und Viehfutter für Bauernhöfe im Wiener Umland angekauft, wodurch die Milchproduktion massiv gesteigert werden konnte. In Zusammenarbeit mit weiteren Hilfsorganisationen wurden Nahrungsmittel und Kleidung an die Wiener Bevölkerung verteilt und die medizinische Versorgung verbessert. In zahlreichen Artikeln berichtete Clark von der Tätigkeit des FWVRC und die Auswirkungen der Hilfsmaßnahmen bei der Bekämpfung von Krankheiten wie Rachitis, Tuberkulose und Dystrophie sowie einer Minderung der Kindersterblichkeit. Ab 1920/21 widmete sich eine eigene Abteilung der Hilfsorganisation auch der Unterstützung der Universitätsstudenten und -professoren, indem diese etwa Frühstückstische an Universitäten anbot. Gemeinsam mit Pye reiste Hilda Clark 1921 für zwei Monate in die USA, um dort für Spenden für ihre Hilfsmaßnahmen zu werben.
Die Senatskommission zur Verleihung von Ehrenzeichen und Ehrenmedaillen der Universität Wien beantragte Anfang 1922, der „Generalsekretärin der ‚Friends Relief Mission‘“ Hilda Clark „für die Tätigkeit im Wiener Bureau der Society of Friends“ die goldene Ehrenmedaille der Universität Wien zu verleihen. Den Anlass boten die humanitären Hilfeleistungen, die auch den Studierenden und Lehrenden der Universität Wien zugutekamen. Der Akademische Senat beschloss in seiner Sitzung am 24. März 1922 die Verleihung der goldenen Ehrenmedaille der Universität Wien an Hilda Clark. Daraufhin schrieb Clark am 7. September 1922 an den Rektor:
„Wir haben der Arbeit auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft, welche in Oesterreich trotz der widrigsten Verhältnisse so erfolgreich geleistet wird, stets aufrichtige Bewunderung gezollt und betrachten es als besonderen Vorzug, etwas zur Linderung der Not Wiener geistiger Arbeiter beitragen zu dürfen.
In der Ehrung, welche ich im Namen der Englisch amerikanischen Hilfsmission der Gesellschaft der Freunde annahm, erblicken wir einen neuerlichen Beweis des unserem Werke entgegengebrachten Verständnisses, internationale Beziehungen und gegenseitiges Wohlwollen durch hilfsbereite Zusammenarbeit zu fördern.“
(Akademischer Senat, Gz. 708 ex 1919/20)
Wenige Monate nach Clark erhielt Edith Pye mit Senatsbeschluss vom 24. Juli 1922 die silberne Ehrenmedaille der Universität Wien.
Nachdem Hilda Clark im Oktober 1922 die Verantwortung für Hilfsarbeit in Wien zurückgelegt und Wien verlassen hatte, reiste sie nach Polen und berichtete dem FWVRC über die dortigen Lebensverhältnisse. In den folgenden Jahren war Clark für den Völkerbund sowie für die Womenʼs Peace Crusade und die Womenʼs International League for Peace and Freedom tätig. Ihr Engagement zielte auf die Unterstützung von Flüchtlingen, vor allem Frauen und Kindern, aus Griechenland, Serbien, Bulgarien und der Türkei. Ab 1933 widmete sie sich auch der Hilfe für Flüchtlinge aus NS-Deutschland.
Als Reaktion auf die blutige Niederschlagung der Februarkämpfe 1934 in Österreich durch das Dollfuß-Regime sandte Clark – und mit gleichem Wortlaut Pye als Chairman des International Executive of the Women’s League for Peace and Freedom – eine Nachricht an Engelbert Dollfuß mit der Bitte um Gnade:
„Quaker International Service, London, having a special interest in Austria through child-feeding 1919–1922, hearing with deep sorrow of suffering in your country, urges policies of mercy, especially with regard to repeal of death sentence.”
(zit. nach: Spielhofer 2001, S. 78)
Während des Spanischen Bürgerkriegs koordinierten Clark und Pye die wohltätige Arbeit der Quäker in Spanien, u.a. im Rahmen der International Commission for the Assistance of Child Refugees.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland reiste Clark als Ehrensekretärin des neugegründeten German Emergency Committee im Oktober 1938 nach Wien, um Flüchtlinge zu unterstützen. Anschließend setzte sie ihren Einsatz für Flüchtlinge von Großbritannien aus fort. 1940 stufte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin sie als eine von über 2.800 wichtigen Zielpersonen ein, die im Falle einer erfolgreichen Besetzung Großbritanniens von Sondereinheiten der SS verhaftet werden sollten. Nachdem ihr Haus in London 1940 bombardiert worden war, zog Clark nach Kent, wo sie sich an der Arbeit der Soldiersʼ, Sailorsʼ and Airmenʼs Families Association beteiligte.
Nach einer langen Karriere in der internationalen Hilfe zog sich Hilda Clark, die an Parkinson litt, 1952 mit Edith Pye in ihre Geburtsstadt Street in den Ruhestand zurück. Clark starb am 24. Februar 1955 und wurde auf dem Quäkerfriedhof in Street beerdigt. 1956 veröffentlichte Edith Pye zahlreiche Briefe von Hilda Clark unter dem Titel „War and its aftermath: letters from Hilda Clark … from France, Austria and the Near East“. Pye starb zehn Jahre nach Clark und wurde in demselben Grab wie ihre Partnerin bestattet.
Teilnachlässe von Hilda Clark (Hilda Clark Papers), die auch ihre Korrespondenz aus der Zwischenkriegszeit sowie Berichte über ihre Hilfstätigkeit in Österreich umfassen, befinden sich in der Library of the Society of Friends, London, sowie als Teil des Familienarchivs der Familie Clark im Alfred Gillett Trust in Street.
Archiv der Universität Wien, R 34.4: Ehrenbuch 1921-1959; Akademischer Senat, Gz. 708 ex 1919/20.
> Alfred Gillett Trust: Family Archives | Hilda Clark Papers
> Wikipedia
Zuletzt aktualisiert am 09/12/24