Die „Pragmatische Sanktion“ (1623)

Sieg der Gegenreformation und Rekatholisierung der Universität
1623

Der Jesuitenorden erreichte sein Ziel, den Bildungsweg der Jugend weitgehend in seinem Sinn zu gestalten, durch ein Machtwort Kaiser Ferdinands II.: 1622 wurde das Wiener Jesuitenkolleg  „unwiderruflich“ in die Universität inkorporiert. Den Anordnungen des Kaisers gemäß hätten nun alle Rechte in die Hände der Jesuiten gelegt werden müssen, die in ihrem energischen Rektor P. Wilhelm Lamormaini (Guillaume Lamormain) einen der engsten Vertrauten des Herrschers besaßen. In Verhandlungen zwischen Orden und Universität wurden die härtesten Bestimmungen des kaiserlichen Inkorporationsbefehls gemildert und in dieser Form als „Sanctio pragmatica“ von Kaiser Ferdinand II. am 13. Oktober 1623 in Kraft gesetzt.

Die Inkorporation des Jesuitenkollegs in die Universität bedeutete das rechtliche und physische Ende des von Herzog Albrecht III. im Jahre 1384 nach dem Vorbild des Prager Karlskollegs begründeten „Collegium ducale“, des eigentlichen Herzstücks der mittelalterlichen Universität. An seiner Stelle und an der Stelle mehrerer Bursen errichtete die Gesellschaft das neue „Collegium Academicum Viennense“ mit der Universitätskirche, dem Gymnasium, der Bibliothek, mit Wirtschafts- und Wohngebäuden, dem Observatorium, der Alten Aula und dem prächtigen Jesuitentheater, das unter Kaiser Leopold I. eine hervorragende Rolle im Kulturleben Wiens und des Hofes spielen sollte. Das neue Kolleg, besonders die bereits 1631 eingeweihte Kirche wurde als Trophäe der siegreichen Gegenreformation gefeiert.

In rechtlich-administrativer Hinsicht hat man einen merkwürdigen Kompromiss gefunden. Der zielstrebige Jesuit P. Wilhelm Lamormaini musste im Auftrag des mäßigend einwirkenden Ordensgenerals Muzio Vitelleschi auf die Rektorswürde der Universität, die dem Orden vom Kaiser bereits zuerkannt worden war, verzichten. Die philosophische Dekanswürde sollte alternierend von Jesuiten und anderen versehen werden. Alle Patres, ihre Schüler und Studenten sollten zwar in die Universitäts-Matrikel aufgenommen werden - was die Frequenzziffern belebte -, die Disziplinargewalt kam jedoch allein dem jesuitischen Kollegsrektor zu. Der Universität verblieb die hohe Gerichtsbarkeit und die Disziplinargewalt über immatrikulierte Schüler, die nicht bei Jesuitenprofessoren studierten, und über die wenigen Mitglieder der Medizinischen und der Juridischen Fakultät.

Die Ordensziele bestimmen das Universitätsstudium

Mit der Sanctio pragmatica hatte die Gesellschaft Jesu in Wien ihr erklärtes Ziel weitgehend erreicht und dem Leitbild ihres Ordensgründers entsprechend ein Gesamtkonzept im Bereich der Bildungs- und Jugendarbeit durchgesetzt, das einen vollständigen, systematisch aufgebauten Bildungsweg vom Elementarunterricht bis hin zur Theologie vorsah, ein Konzept, das in der jesuitischen Studienordnung, der „Ratio studiorum“ (1599), festgelegt worden ist. Die Lehrtätigkeit und wissenschaftliche Aktivitäten wurde den pastoralen und theologischen Zielen des Ordens untergeordnet, so dass die beiden weltlichen „oberen“ Fakultäten - Recht und Medizin - stark in den Hintergrund traten. Juristen und Mediziner verzichteten zumeist auf den Nachweis des Magisteriums der Philosophie, da dieses Studium vom Jesuitenorden auf ein anschließendes Theologiestudium ausgerichtet worden war.

Die Jesuiten, die als „Retter der Universität“ nach Wien berufen worden waren, waren zum Konkurrenten und schließlich zum alles bestimmenden Dominator geworden. Die nunmehr festgelegte Universitätsorganisation war ein „compositum mixtum“ aus den verbliebenen Resten der mittelalterlichen korporativen Verfassung mit den vier akademischen Nationen und der freien Wahl des Rektors auf der einen Seite und einem formal „inkorporierten“ Jesuitenkolleg auf der anderen Seite. Das Akademische Kolleg unterstand hinsichtlich Lehrmethode, Lehrinhalte, Personal und Disziplin völlig dem Jesuitenorden, der in den künftigen 150 Jahren die führende Rolle in der Alma Mater Rudolphina spielte.