Theodor Innitzer, o. Univ.-Prof. Dr. theol., Dr. jur. h.c.

25.9.1875 – 9.10.1955
geb. in Neugeschrei, Böhmen | Nové Zvolání, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. jur. h.c. 1935/36 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Theodor Innitzer erhielt am 7. März 1936 das Ehrendoktorat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. jur. h.c.).

Ehrenzeichen Ehrenz. 1950/51 Katholisch-Theologische Fakultät

Theodor Innitzer erhielt 22. Dezember 1950 das Ehrenzeichen der Universität Wien.

Stipendien/Preise/Stiftungen Kardinal-Innitzer-Studienfonds 1951 Katholisch-Theologische Fakultät
Stipendien/Preise/Stiftungen Kardinal-Innitzer-Preis 1971 Katholisch-Theologische Fakultät

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Theodor Innitzers Verhältnis zur Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur und zum Nationalsozialismus als „diskussionswürdig“ eingestuft.

Funktionen

Senator Katholisch-Theologische Fakultät 1917/18
Dekan*in Katholisch-Theologische Fakultät 1918/19
Dekan*in Katholisch-Theologische Fakultät 1923/24
Rektor Katholisch-Theologische Fakultät 1928/29
Dekan*in Katholisch-Theologische Fakultät 1931/32

Innitzer wurde am 15. Dezember 1875 im sudetischen Neugeschrei (Nové Zvolání) in die Familie eines Textilarbeiters Wilhelm und der Maria, geb. Seidl, Tochter eines Bergwerksbeamten, geboren. Nach einigen Monaten Lehre in der Textilfabrik des Vaters ermöglichte ihm die Förderung des Pfarrers seiner Heimatpfarre Weipert (Vejprty) den Besuch des Gymnasiums in Kaaden an der Eger (Kadaň). 1898 wurde er ins Wiener Priesterseminar aufgenommen und Mitglied der katholischen Studentenverbindungen K.Ö.H.V. Nordgau Wien im Cartellverband. Nach der Priesterweihe 1902 wurde er für wenige Monate als Kaplan in Pressbaum nahe Wien eingesetzt, dann ab 1903 als Präfekt, später Studienpräfekt und Subregens des Wiener Priesterseminars. 1906 wurde Innitzer mit einer Dissertation im Fach Neues Testament promoviert.

Von Erzbischof Anton Gruscha als Nachfolger Pölzls vorgesehen, erfolgten 1908 die Habilitation im Fach Neues Testament bzw. 1911 und 1913 die Ernennung zum außerordentlichen, dann ordentlichen Professor. In den Studienjahren 1918/19, 1923/24 und 1931/32 fungierte er als Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie 1928/29 als Rektor der Universität Wien. Ungeachtet einer großdeutschen Ein­stellung, die er mit vielen sudetendeutschen und österreichischen Landsleuten teilte, trat er als Rektor dem Terror von NS-Studenten an der Universität entschieden entgegen. Neben der universitären Lehr- und Forschungstätigkeit redigierte Innitzer die Zeitschriften „Der Seelsorger“ und „Christlich-pädagogischen Blätter“. Als Mitglied, dann Generalsekretär der katholischen Leo-Gesell­schaft firmierte er als Herausgeber der „Theologischen Studien“. Vom 26. September 1929 bis zum Ende der Regierung Schober III am 30. September 1930 amtierte er als Minister für soziale Verwaltung; Vermächtnis der kurzen Amtszeit waren Maßnahmen zugunsten von Kleinrentnern.

1932 wurde Innitzer als Nachfolger von Kardinal Piffl zum Erzbischof von Wien ernannt, ebenso zum Apos­tolischen Administrator der auf dem Gebiet des neuen Burgenlandes gelegenen Teile der ungarischen Diözesen Raab und Steinamanger. Die Bischofsweihe fand am 16. Oktober 1932 im Stephansdom statt; mit 13. März 1933 wurde er zum Kardinal kreiert. Wie sonst nur wenige Personen der Öffentlichkeit protestierte Innitzer in den 1930er Jahren gegen den sogenannten Holodomor in der Ukraine (d.h. die gezielte Aushungerung der Bevölkerung mit Millionen Toten) und organi­sierte Aktionen der Hungerhilfe dorthin.  

Diktatur Dollfuß-Schuschnigg und Nationalsozialismus

Ungeachtet von Differenzen bei konkreten Maßnahmen unterstützte Innitzer wie alle Bischöfe Österreichs in Hirtenbriefen und Predigten sowie durch den Rückruf von Geistlichen aus poli­tischen Ämtern den autoritären Umbau Österreichs durch Dollfuß sowie das folgende autori­täre Regime, von dem sie sich ein Ende der politischen Polarisierungen des Landes und damit gedeih­lichere Bedingungen für die kirchliche Seelsorge erhofften. 1934 setzte sich Innitzer bei Kanzler Doll­fuß und Justizminister Schuschnigg vergeblich für die Begnadigung der zum Tode verurteilten sozialdemokratischen Kämpfer des sogenannten Februaraufstandes ein. Im kirchlichen Bereich forcierte er den Umbau der bislang demokratisch strukturierten katholischen Vereinsland­schaft der Erzdiözese sowie des Burgenlandes im Sinne neuer römischer Vorgaben für eine straff kirchlich-autoritär strukturierte sogenannte Katholische Aktion. 

Ungeachtet von Warnungen der Kirchenzentrale in Rom und deutscher Amtsbrüder geriet Innitzer unmittelbar mit dem sogenannten Anschluss ganz in den Bann sogenannter Brückenbauer seines Beraterstabes, die ihm eine historische Mission für einen historischen Kompromiss zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus suggerierten. Am 15. März 1938 stattete er Adolf Hitler im Wiener Hotel Imperial einen offiziellen Besuch ab; drei Tage später erfolgte die von Gauleiter Josef Bürckel konzipierte „Feierliche Erklärung der österreichischen Bischöfe“, die soziale Errungenschaften des NS-Staates würdigte und die katholischen Gläubigen zum Votum für den „Anschluss“ aufrief. Dass Innitzer seinem Begleitbrief noch ein handschriftliches „Heil Hitler!“ hinzufügte, brachte ihm schon damals wie später harsche Kritik ein. Es bedurfte der geballten Anstrengung der Nuntien von Wien und Berlin, dass Innitzer der päpstlichen Aufforderung zur Vorsprache in Rom nachkam. Pius XI. distanzierte sich entschieden von der bischöflichen Loyalitätsbekundung und nötigte Innitzer zur Unterzeichnung einer Klarstellung. Neu zugängliche vatikanische Quellen legen zudem nahe, dass die demonstrative Kooperation der kirchlichen Amtsträger nicht zuletzt Folge einer Panik angesichts des unerwarteten NS-Terrors und der euphorischen Volksstimmung war.

Die naiven Erwartungen Innitzers für einen Kompromiss wurden bald ernüchtert. Die Zer­schlagung der kirchlichen Vereins- und Zeitungslandschaft, Einführung der Zivilehe und Auf­kündigung des Konkordates nährten bei ihm wie anderen die Einsicht, sich auf ein ‚Über­wintern‘ einstellen zu müssen, wofür man konsequent wie kreativ die wenigen gewährten kirchlichen Freiräume nutzen wollte. Am 7. Oktober 1938 fand im Stephansdom eine implizit poli­tische Jugendfeier mit mehreren Tausend Teilnehmern statt, in der der Kardinal Christus als „unsere[n] Führer“ titulierte, gefolgt von provokativen Huldigungen Jugendlicher am Platz vor dem erzbischöflichen Palais („Rosenkranz-Demonstration“). Am folgenden Abend stürmte und verwüstete die Hitlerjugend das Palais, ohne dass die Polizei einschritt; Innitzer empfand die Vorgänge als gewisse Rehabilitation für sein Verhalten im Frühjahr. 1940 richtete er im Palais eine „Hilfsstelle für nichtarische Katholi­ken“ ein und verhalf in der Folge hunderten Verfolgten zur Flucht aus dem NS-Macht­bereich.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende fokussierte Innitzer die kirchliche Arbeit auf die Bereiche Caritas, Seelsorge und Wiederaufbau. In der Tradition der aufgelösten Leo-Gesellschaft initiierte er 1945 die Katholische Akademie. 1948 erfolgte die feierliche Wiedereröffnung des im Krieg zerstörten Stephansdoms. Das anhaltende Miss­trauen der römischen Kurie gegen ihn führte zu Bemühungen um seine Ablöse aus Alters­gründen, die er nach Kräften abwehrte; 1950 erhielt er in Gestalt Franz Jachyms einen Koadjutor zur Seite gestellt, der das Erzbistum de facto leitete. Nach dem Ableben am 9. Oktober 1955 wurde Innitzer in der Bischofsgruft des Stephansdoms beigesetzt.

Innitzer wurde zu Lebzeiten mit dem Ehrendoktorat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (Dr. jur. h.c. 1936) und dem Ehrenzeichen die Universität Wien (1950) geehrt. Der 1951/52 erbaute Theodor-Innitzer-Hof am Stephansplatz führt in der Fassade seinen Wahlspruch „In caritate servire“; 1957 wurde ein Arbeiterwohnheim in Wien 3, Göllnergasse nach ihm benannt. Aus einem von ihm angeregten „Hilfsfonds“ für katholi­schen Akademikernachwuchs entstand 1962 ein Kardinal-Innitzer-Studienfonds, der Preise zur Wissenschaftsförderung vergibt (u.a. seit 1971 einen Kardinal-Innitzer-Preis). Die Stadt Wien widmete ihm 1985 den Kardinal-Innitzer-Platz in Wien 19, der bei der historischen Überprüfung von Straßennamen 2013 als "Fall mit Diskussionsbedarf" eingeordnet wurde.

Archiv der Universität Wien, Rektorat GZ 573 ex 1935/36,  GZ 219 ex 1950/51, R 34.4: Ehrenbuch 1921-1959.

Rupert Klieber

Zuletzt aktualisiert am 24.08.2023 - 17:31

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