Hermann Franz Mark, Univ.-Prof. Dr., Dr. h.c. mult.

3.5.1895 – 6.4.1992
geb. in Wien, Österreich gest. in Austin, Texas, Vereinigte Staaten

Pionier der Polymerchemie

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrenmitglied 1954/55
Ehrenzeichen Ehrenz. 1954/55 Philosophische Fakultät
Ehrendoktorat Dr. rer. nat. h.c. 1979/80 Formal- und Naturwissenschaftliche Fakultät

Nach dem Studium der Chemie und Physik an der Universität Wien, das durch vierjährigen Kriegsdienst (1914-1918) unterbrochen wurde, promovierte er am 17. Juni 1921 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zum Dr. phil. (Dissertation: 'Das Pentaphenyläthyl und über eine neue Darstellungsmethode von katalytisch wirksamem Nickel').
Nach seiner Promotion begann Hermann Mark 1922 am Kaiser Wilhelm-Institut für Faserstoffchemie in Berlin-Dahlem zu forschen, wo er die molekulare Struktur verschiedener Faserstoffe mit Hilfe von Röntgenstrahlen untersuchte. Nach zwei Jahren wurde er Abteilungsvorstand am Kaiser Wilhelm-Institut für Faserstoffchemie. 1925/26 wurde er an der Universität Berlin habilitiert und wechselte 1927 als Privatdozent an die Technische Hochschule Karlsruhe, wo er wenig später zum ao. Professor ernannt wurde. 1927 begann er als Leiter einer Abteilung für Polymerchemie im Zentrallabor der Firma I.G. Farben in Ludwigshafen zu arbeiten und publizierte gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Kurt H. Meyer einige gemeinsame Schriften über die Struktur von Cellulose (Makromoleküle). Mark gründete dort eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe und untersuchte mit seinem Team Struktur und Synthese von Polymeren und anderen chemischen Substanzen, v.a. mit physikalischen Methoden, die er auch weiterentwickelte. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt lag auf dem Gebiet der Cellulosestruktur. Dabei waren für ihn besonders die technisch nutzbaren Eigenschaften der Polymere von Interesse, doch betrieb er auch Grundlagenforschung, die nicht direkt auf industrielle Anwendung ausgerichtet war. 1929 übernahm Mark dort er die Stelle eines Prokuristen. 1932 verließen sowohl Meyer als auch Mark die I.G. Farben.

Aus politischen Gründen kehrte Hermann Mark im Herbst 1932 nach Wien zurück, wo er o. Professor für Chemie und Physikalische Chemie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien und später auch Vorstand des 1. Chemischen Instituts wurde. Mit finanzieller Unterstützung durch Sponsoren aus der Industrie, die ihm auch viele Studenten schickten, konnte er an der Universität Wien ein großes Institut für interdisziplinäre Forschung und Lehre der Polymerchemie inklusive Lehr- und Ausbildungsprogramm etablieren. Hier arbeitete mit Wissenschaftern zahlreicher Fachgebiete zusammen, u.a. mit Philip Groß und Hans Thirring.

Hermann Mark wurde nach dem "Anschluss" wegen seiner Freundschaft zu dem früheren Bundeskanzler Engelbert Dollfuss kurzzeitig inhaftiert, im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Viele seiner Mitarbeiter wurden ebenfalls entlassen. Er emigrierte 1938 gemeinsam mit seiner Familie über die Schweiz und Großbritannien zunächst nach Kanada, wo er noch im selben Jahr Forschungsleiter der Canadian International Paper Corporation (CIPCO) in Hawkesbury, Ontario. 1940 emigrierte er weiter in die USA.
Vom Deutschen Reich wurde seine Ausbürgerung im Reichsanzeiger Nr. 221 am 3. Oktober 1944 verlautbart und am 7. November 1944 wurde ihm von der Universität Wien das Doktorat aberkannt - die allerletzte Aberkennung eines akademischen Grades aus rassistischen Gründen an der Universität Wien.

Er war in der Emigration in den USA sehr erfolgreich und gilt durch die Polymerisation als Grundlage der Plastik- und Kunstfasererzeugung als Pionier der Kunststofftechnologie. 1940 zog Mark nach Brooklyn, wo er Berater der Firma du Pont wurde, verbunden mit einer Stelle als Adjunct Professor am Brooklyn Polytechnic Institute. Als Forschungsleiter des Schellack-Büros hatte er die Aufgabe synthetische Ersatzstoffe für Schellack zu finden.
Am Brooklyn Polytechnic Institute in New York begründete ein Lehrprogramm für Polymerchemie, das bereits im September 1940 begann. Die Forschungen Hermann Marks und seiner Mitarbeiter, die von Industrie und Militär großzügig unterstützt wurden, waren auf kriegswichtige Projekte fokussiert. 1944 wurde er Professor of organic chemistry am Brooklyn Polytechnic Institute, gründete 1946 das 'Journal of Polymer Science' und 1947 das Institute of Polymer Research, das erste graduate program in der Polymerforschung mit multidisziplinärer Ausrichtung, dessen Direktor er auch wurde.

Er stand mit der Universität Wien nach dem Krieg weiter in Kontakt, war etwa im Sommersemester 1955 Gastprofessor für 'Physikalische Chemie der Hochpolymere' und wurde am 20. Juni 1955 im Rahmen einer akademischen Feier im Sitzungssaal des Akademischen Senates zum Ehrenmitglied der Wiener Universität ernannt und mit der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens der Universität ausgezeichnet. Keine vier Wochen zuvor hatte man ihm am 15. Mai 1955 stillschweigend und kumulativ - mit rund 180 anderen Personen - den Doktorgrad wiederverliehen, ohne ihn davon zu verständigen. 1980 erhielt er auch noch das Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät.

2009 wurde er in das "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" aufgenommen, 2018 in die Erweiterung der Gedenkwand der Fakultät für Chemie.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 27.05.2024 - 21:39

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