Adam Müller-Guttenbrunn, Dr. phil. h.c.

22.10.1852 – 5.1.1923
geb. in Guttenbrunn, Woiwodschaft Serbien und Temeser Banat, Kaisertum Österreich | Zăbrani, Rumänien gest. in Wien, Österreich

Theaterdirektor (Raimundtheater, Volksoper), Schriftsteller (Romane und Feuilletons)

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. phil. h.c. 1921/22 Philosophische Fakultät

Adam Müller-Guttenbrunn wurde am 14. Juli 1922 zum Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät (Dr. phil. h.c.) ernannt.

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Adam Müller-Gutenbrunns Antisemitismus und seiner Involvierung in den Nationalsozialismus als „problematisch“ eingestuft.

Adam Müller‐Guttenbrunn war von 1893 bis 1896 Direktor des Raimundtheaters und der Volksoper, Feuilletonredakteur der „Deutschen Zeitung“, Parteiorgan des Deutschen Klubs, sowie Telegraphenbeamter. Von 1919 bis 1920 war er kurze Zeit als Mitglied der Großdeutschen Vereinigung Nationalratsabgeordneter. 1922 wurde er zum Ehrendoktor der philosophischen Fakultät der Universität Wien und Bürger der Stadt Wien ehrenhalber sowie Ehrenbürger von Weidling/Klosterneuburg. ernannt. Nach seinem Tod erhielt er ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof.

Müller‐Guttenbrunn stammte aus dem Banat, und begann nach einer Ausbildung zum Unterarzt und Telegrafist Theaterstücke zu schreiben. Nachdem sein Stück „Im Banne der Pflicht“ von dem deutschnational gesinnten und nicht‐jüdischen Burgtheaterdirektor Dingelstedt zurückgewiesen wurde, notierte er bereits in sein Tagebuch eine negative Bemerkung über „unsere verjudete Literatur“ (zitiert nach Weinzierl, Kein „Judentempel“, 358) und reagierte auch aggressiv negativ über einen Verriss eines anderen Stückes in der „Neuen Freien Presse“. Ursprünglich hatte er mit dem Liberalismus sympathisiert, sich aber dann massiv gegen die „Wiener Banken‐ und Zeitungskreise“ gewandt, die er pauschal als jüdisch einstufte.

Zunehmend verstärkte sich die Kritik an Müller‐Guttenbrunn in der liberalen Presse, die dieser immer auf „jüdischen Journalismus“ reduzierte. (Die Fackel, Nr. 146, 11.11.1903) Als Direktor des Raimundtheaters übernahm er als persönlich haftender Direktor, was damals bei den nicht vom Hofärar finanzierten Theatern meist üblich war, das unter dem Patronat von Karl Lueger errichtete „Kaiserjubiläums‐Stadttheater, die heutige Volksoper. Heute noch erinnert eine unkommentierte Gedenktafel in der Volksoper: „Erbaut unter dem Buergermeister Dr. Karl Lueger“ […] „Director Adam Müller‐Guttenbrunn“.

Von der antisemitischen bis judenfeindlichen Presse wurde Müller‐Guttenbrunn als „Müller‐Judenbrunn“ bezeichnet und nannte sich selbst „Don Quixote des Antisemitismus“.

Trotz eines ganz gezielt antisemitischen Spielplans scheiterte Müller‐Guttenbrunn. Karl Kraus brachte die Gründe für den Konkurs auf den Punkt:

„Zu seinen Gunsten spricht, daß er nicht blind ins Unheil getappt ist, sondern die maßgebenden Personen über die wirtschaftliche Lage des antisemitischen Theaters aufgeklärt hat. Zu seinen Ungunsten, daß er, der Literat, — und dies wird seinem frischen Ansehen bei der liberalen Presse gewiß nicht förderlich sein — eine Schaubühne politischer Propaganda dienstbar gemacht, Shakespeare als antisemitischen Hausdichter verwendet und die Parteifessel als Schmuck getragen hat.“ (Die Fackel, Nr. 146, 11.11.1903)

Hier polemisierte auch Kraus gegen die „journalistischen Vertreter einer judenreinen Kulissenwelt“. Die geplante Umsetzung von radikal antisemitischen Stücken wie „Söhne Israels“ von Viktor A. Krylov und S. K. Litvin oder „Harte Hände“ von Roman Bozykowski untersagte die Statthalterei Niederösterreichs – übrigens völlig zu Recht, wie selbst die unverblümte kritische Anfrage des Abgeordneten Rudolf Bergers und anderer zur Aufhebung des Aufführungsverbots des Stückes von Krylov und Litvin im Reichsrat vom 8. April 1902 beweist. (Vgl. Stenographisches Protokoll, Haus der Abgeordneten, 116. Sitzung, XVII. Session, 08.04.1902, 10.989‐10.990).

Aber selbst Karl Lueger hatte sich – wie immer geschickt doppeldeutig argumentierend – von Müller‐Guttenbrunn mit der Bemerkung zurückgezogen: „Eine Sache, die ins Extreme getrieben wird, ist halt nicht gut.“ Eigentlich hatte sich Lueger vor allem „Volksstücke und Possen“ und keine „Dramen“ erwartet. (Zitiert nach: Dickel, 40‐41) Das nach Felix Salten „antisemitische Hetztheater“ unter der Direktion Adam Müller‐Guttenbrunns ging im November 1903 in Konkurs. Noch im selben Jahr erschien unter dem Pseudonym Franz Josef Gerhold ein antisemitischer Roman „Gärungen – Klärungen“. In seinem posthum von seinem Sohn zusammengestellten und publizierten Erinnerungen wurde Müller‐Guttenbrunns Antisemitismus verschliffen und eine rechtfertigende Formulierung veröffentlicht, dass er „nur“ ein „judenreines“, aber kein „mit dem Knüppel geschriebenes […] antisemitisch wirkendes“ Theater wollte, „denn dieses stünde außerhalb der Sphäre, in der Kunst und Sitte noch gedeihen“. (Müller Guttenbrunn 1927, 242)

Stenographisches Protokoll, Haus der Abgeordneten, 116. Sitzung der XVII. Session, 08.04.1902, 10.989-10.990 | Adam Müller-Guttenbrunn, Denkschrift, in: Die Fackel 5 (1903), Nr. 146, 12-21 | Archiv der Universität Wien, Akad. Senat GZ 959 ex 1921/22, GZ 431 ex 1922/23; Phil. Fakultät, GZ 978 ex 1921/22.

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Oliver Rathkolb

Zuletzt aktualisiert am 23.01.2024 - 00:42

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