Adolf Menzel, Univ.-Prof. Dr.

9.7.1857 – 12.8.1938
geb. in Reichenberg, Böhmen | Liberec, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. rer. pol. h.c. 1935/36 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1898/99
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1906/07
Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1908/09
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1915/16

Adolf Menzel, Sohn des Arztes Josef Menzel, nahm 1874 nach der Matura am Piaristengymnasium in Prag ein Studium der Rechtswissenschaften an der Prager Universität auf und promovierte 1879 zum Dr. jur. Anschließend absolvierte er seine Gerichts- und Advokaturspraxis in Wien, wo er sich parallel rechtswissenschaftlichen und philosophischen Studien an der Universität Wien, u.a. bei Franz Brentano und Alexius Meinong, widmete.

Menzel wurde 1882 mit der zwei Jahre später publizierten Schrift „Zur Lehre von der Schuldübernahme“ an der Universität Wien habilitiert und lehrte fortan als Privatdozent für österreichisches Privatrecht an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Zwischen 1886 und 1888 fungierte er parallel als Juristenpräfekt an der Theresianischen Akademie. Nachdem sein Forschungsschwerpunkt sich vom Privatrecht auf öffentliches Recht verlagert hatte, wurde er 1889 zum außerordentlichen Professor für öffentliches Recht an der Universität Wien ernannt. Zudem befasste er sich in mehreren Schriften mit sozialpolitischen (bes. Unfall-, Kranken-, Arbeiterversicherung) sowie volkswirtschaftlichen Fragen.

1894 erfolgte Adolf Menzels Berufung auf eine ordentliche Professur für österreichisches Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasste er sich nun vor allem mit historischen und philosophischen Grenzbereichen der Allgemeinen Staatslehre, sodass seine Professur später um Allgemeines und österreichisches Staatsrecht erweitert wurde. Besonders verdient machte er sich um Studien zu Staatsphilosophen der Antike (Protagoras, Kallikes und Heraklit) sowie der frühen Neuzeit (Spinoza, Machiavelli). In seinem äußerst vielseitigen Werk legte er auch besonderes Augenmerk auf Bezüge der Staatslehre zur Psychologie und Soziologie, die er auch in historischen Quellenstudien herausarbeitete. In mehreren Schriften versuchte er eine „realistisch-psychologische Staatstheorie“ zu entwerfen.

In den Studienjahren 1898/99 und 1908/09 fungierte Menzel als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 1906/07 als Senator. Für das Studienjahr 1915/16 wurde er zum Rektor der Universität Wien gewählt. In seiner Inaugurationsrede widmete er sich der „Psychologie des Staates“.

Wenngleich Menzels Staatsverständnis sich stark von Hans Kelsens Ansätzen der „Reinen Rechtslehre“ unterschied, der etwa soziologische Untersuchungen über den Staat ablehnte, war Menzel einer der wichtigsten Förderer Kelsens an der Universität Wien. Er war Hauptgutachter bei Kelsens Habilitation für Staatsrecht 1911, unterstützte 1918 seine Ernennung zum außerordentlichen Professor und schlug ihn 1919 für die Berufung auf das zweite Ordinariat für Staatsrecht vor. Gemeinsam mit Kelsen und Edmund Bernatzik fungierte er zudem als Herausgeber der 1914 gegründeten „Zeitschrift für öffentliches Recht“. Menzel, der bereits seit 1913 am k.k. Reichsgerichts tätig gewesen war, betätigte sich zudem wie Kelsen seit 1919 am neugegründeten Verfassungsgerichtshof der Republik Österreich (1919-1930 erster Vizepräsident).

Für seine Leistungen wurde Adolf Menzel vielfach geehrt: So war er seit 1892 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaft in Prag und seit 1917 korrespondierendes bzw. seit 1925 wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. 1927 wurde er zum ordentlichen Mitglied des „Institut International de Droit Public“ in Paris gewählt. Am 10. Mai 1932 wurde er zum Bürger der Stadt Wien ernannt.
Die Universität Wien, an der er ab 1923 auch als Vorsitzender der staatswissenschaftlichen Prüfungskommission fungierte und noch nach seiner Emeritierung 1928 als Honorarprofessor lehrte, verlieh ihm am 14. März 1936 das Ehrendoktorat der Staatswissenschaften (Dr. rer. pol. h.c.).

Als Spätwerke veröffentlichte Adolf Menzel die Werke „Griechische Soziologie“ (1936), in dem er die Werke der griechischen Philosophen Heraklit, Empedokles, Protagoras, Polybios, Platon und Aristoteles auf soziologische Ansätze hin untersuchte, sowie „Grundriß der Soziologie“ (1938), in dem er auf Basis seiner Vorlesungen die Probleme, Methoden und Hilfswissenschaften des Faches vorstellte. Besonders hervorzuheben ist denn auch seine 1935 publizierte Schrift „Der Staatsgedanke des Faschismus“. Darin ließ er seine Sympathien zum faschistischen Staatskonzept erkennen, bezeichnete den Begründer des Faschismus als „genial“ und bekannte offen die Nähe zu seinem eigenen Staatskonzept.

Unter anderem „zitierte er Mussolini, dass der Faschismus die ‚reinere Form der Demokratie‘ sei, der im Gegensatz zur parlamentarischen Demokratie nicht von einer formalen Gleichheit aller Menschen ausgehe, sondern vielmehr die ‚unbehebbare, fruchtbare und heilsame Ungleichheit unter den Menschen‘ bejahe.“
(Olechowski/Staudigl-Ciechowicz 2014, S. 502)

Nach den nationalsozialistischen Rassengesetzen wurde Menzel als Jude kategorisiert und musste nach dem „Anschluss“ 1938 als Mitherausgeber der „Zeitschrift für öffentliches Recht“ zurücktreten. Er starb wenige Monate später im Alter von 81 Jahren und wurde in einem Ehrengrab auf dem Sieveringer Friedhof beerdigt.

Werke (Auswahl)

Der Irrtum bei Verträgen, 1882.
Zur Lehre von der Schuldübernahme (Habilitationsschrift), 1884.
Das Anfechtungsrecht der Gläubiger (2 Bände), 1886;
Die Unfall- und Krankenversicherung, 1889.
Soziale Gedanken im Bergrecht, 1891.
Die Arbeiterversicherung nach österreichischem Recht, 1893.
Arbeiterversicherung und Steuerreform, 1894.
Die Kartelle und die Rechtsordnung, 1894.
Wandlungen in der Staatslehre Spinozas, 1898.
Spinoza und die Kollegianten, 1901.
Naturrecht und Soziologie, 1912.
Kallikles. Eine Studie zur Geschichte der Lehre vom Rechte des Stärkeren, 1922.
Umwelt und Persönlichkeit in der Staatslehre, 1926.
Friedrich Wieser als Soziologe, 1927.
Die energetische Staatslehre, 1931.
Goethe und die griechische Philosophie, 1932.
Der Staatsgedanke des Faschismus. Eine geistesgeschichtliche Untersuchung, 1935.
Griechische Soziologie, 1936.
Hellenika. Kleine Schriften, 1938.
Grundriß der Soziologie, 1938.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024 - 21:17

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