Edmund Groag, tit. ao. Univ.-Prof., Dr. phil.

2.2.1873 – 19.8.1945
geb. in Prerau, Mähren | Přerov, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal „Vertriebene Historiker*innen“ 2022 Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Edmund Groag, Sohn des Eisenbahningenieurs Berthold Groag und dessen Frau Charlotte, geb. Karpeles, war 1938 Privatdozent (mit dem Titel "außerordentlicher Professor") für Römische Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.

Unter den Verwandten seiner Mutter, zu der er bis zu ihrem Tod 1928 ein inniges Verhältnis hatte, finden sich neben bedeutenden Rabbinern unter seinen Groß- und Urgroßvätern auch sein Onkel Gustav Karpeles (1848–1909), Germanist und Heineforscher, sowie sein Großonkel Carl Adolf Buchheim (1828–1900), Germanist und Prinzenerzieher im London der Viktorianischen Epoche.
Nach der Reifeprüfung (Matura) 1892 am k. k. Staatsgymnasium IV (Wien 4., Rainergasse 39), begann er ein Studium der Geschichte und Alten Geschichte an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien und promovierte 1895 mit der Dissertation "Zur Kritik von Tacitus' Quellen in den Historien" zum Dr. phil.

Während des Studiums lernte er den gleichaltrigen Arthur Stein (1871–1950) kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft und ein intensiver wissenschaftlicher Gedankenaustausch verband. Insbesondere ihr Lehrer am Archäologisch-Epigraphischen Seminar, Eugen Bormann (1842–1917), förderte die beiden jungen Historiker. Erste Beiträge über Personen der römischen Kaiserzeit verfassten sie für den 1897 erschienenen 3. Band der "Paulyʼs Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft" (RE), wobei Groag die Bearbeitung der römischen Senatoren übernahm. Er arbeitete von 1896 bis 1898 als Stipendiat am Seminar, erhielt 1898/99 ein Reisestipendium nach Rom und war anschließend als Bibliothekar am Archäologisch-Epigraphischen Seminar tätig. Nach seiner Konversion vom Judentum zum römisch-katholischen Glauben am 7. Jänner 1901 wechselte er zunächst als unbesoldeter Volontär an die Hofbibliothek (später: Österreichische Nationalbibliothek) in Wien, wo er 1903 zum unbesoldeten bzw. 1905 zum besoldeten wissenschaftlichen Hilfsarbeiter, 1906 zum Assistenten, 1909 zum Kustosassistenten und 1913 zum Kustos 2. Klasse aufstieg. Im Jahr 1902 wurde Groag zum korrespondierenden Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts gewählt. Daneben unterrichtete er zwischen 1904 und 1913 Geschichte, Geographie, Latein und Griechisch im Rahmen der Gymnasialkurse für Frauen und Mädchen der Gesellschaft der Schwarzwaldʼ'schen Schulanstalten sowie des Cottage-Lyzeums.

Aufgrund ihrer bisherigen einschlägigen Arbeit im Rahmen der RE beauftragte die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin Groag und Stein mitten im Ersten Weltkrieg 1915 mit der Erarbeitung und Herausgabe des letzten Bandes der vierbändigen "Prosopographia Imperii Romani" (= PIR). Bereits 1926 wurde der geplante 4. Band aber zugunsten einer vollständig neu bearbeiteten 2. Auflage fallengelassen, deren erster und zweiter Band 1933 bzw. 1936 erschienen. 1919 wurde Groag mit der Schrift "Studien zur römischen Kaisergeschichte" habilitiert und wirkte von da an als Privatdozent an der Universität Wien. 1925 erhielt er den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors. Er heiratete am 8. Januar 1928 Alberta Schaschek. Parallel zur großteils unbezahlten universitären Karriere arbeitete er weiterhin primär an der Nationalbibliothek: Er wurde 1921 Leiter der Katalogisierungsabteilung der Druckschriftensammlung und 1923 provisorischer Leiter dieser Sammlung. 1924 erhielt er den Titel Hofrat. Aufgrund eines Konflikts mit dem Generaldirektor der Bibliothek, Josef Bick (1880–1952), wurde Edmund Groag am 3. Juli 1931 als Leiter der Druckschriftensammlung abgesetzt, im September 1932 in den zeitlichen, 1936 in den endgültigen Ruhestand versetzt. 1933 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste in Prag/Tschechoslowakei [Tschechische Republik] sowie zum ordentlichen Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts gewählt.

Edmund Groag wurde – obwohl Katholik – im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben.

Auch die langjährige Arbeit an der PIR – das Lebenswerk von Groag und Stein – konnte bald nicht mehr fortgesetzt werden. Die Berliner Akademie kündigte im Jänner 1939 die Arbeitsverträge der beiden Forscher. Im Gegensatz zu Stein lehnte Groag eine Übergabe seiner Materialsammlung ab. Auch seine Mitgliedschaft im Deutschen Archäologischen Institut wurde beendet. Der dritte Band der PIR erschien 1943 – die Bearbeiter Stein und Groag wurden zwar im Vorwort genannt, auf dem Titelblatt durften ihre Namen jedoch nicht mehr aufscheinen. Da Groags Ehefrau im Nationalsozialismus als "Arierin" galt, konnte das Ehepaar zunächst in ihrer Wohnung in Wien 13., Feldmühlgasse 15 bleiben, erhielt aber 1940 erste Räumungsaufforderungen. Erst nach einigen Unterstützungsgesuchen an die Akademie der Wissenschaften in Wien, intervenierte deren Leitung erfolgreich. Das Ehepaar Groag veranstaltete dort ab März 1942 auch jeden Sonntag Treffen, an denen u.a. auch der Jurist und Schriftsteller Robert Adam Pollak (1877–1961), sowie der Philosoph Karl Roretz (1881–1967) und der Jurist Stephan Brassloff (1875–1943) teilnahmen, letztere 1938 ebenfalls aus rassistischen Gründen von der Universität Wien vertrieben. Ebenso zu den Gästen zählten der Orientalist und Geograf Hans von Mzik (1876–1961) und die Volkskundlerin Gertrud HERZOG-HAUSER (1894–1953), die beide 1938 aus politischen Gründen entlassen worden waren. 1942 wurden Edmund Groags Schwester Paula und ihr Mann in das Ghetto Riga [Riga/Lettland] deportiert. Sein Onkel Emil Karell sowie sein Kollege Arthur Stein und dessen Frau wurden im selben Jahr nach Theresienstadt [Terezín/Tschechische Republik] deportiert. Seit Anfang 1944 setzte die Gestapo das Ehepaar wieder verstärkt unter Druck, die Wohnung zu räumen – sie konnten letztendlich in der Wohnung bleiben, wenngleich sie durch Zwangseinquartierungen ab November 1944 nur noch einen Raum bewohnen durften.

Nach der Befreiung Wiens durch die Rote Armee erkrankte Edmund Groag schwer, wurde mit hohem Fieber in das jüdische Spital in Wien 2., Malzgasse 16 eingeliefert; wo er drei Tage später, am 19. August 1945, verstarb. Er wurde auf dem Südwestfriedhof in Wien 12 beigesetzt, der Althistoriker Prof. Josef Keil hielt die Grabrede.

Nachdem seine Witwe Alberta Groag 1946 in die Tschechoslowakei übersiedelt war, ließ sie seine sterblichen Überreste 1950 exhumieren und in einer Urne nach Deutschbrod [Havlíčkův Brod/Tschechische Republik] überführen.

Ehrung

Seit 2009 wird an ihn im "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" erinnert (online).

Seit 2022 findet sich sein Name auch auf dem Denkmal "Wenn Namen leuchten | Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien", im ersten Stock des Hauptgebäudes der Universität.

Archiv der Universität Wien, Rigorosenakt und -protokoll PHIL 916, Promotionsprotokoll PHIL II (1881–1905), 647, PHIL Personalakt 1796, Akademischer Senat GZ 680 ex 1937/38.
Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Freundlicher Hinweis von Dr. Klaus Wachtel, Berlin, 2013, und von Dr.in Monika Rauer, Wien 2019.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 27.09.2024 - 10:05

  • Edmund Groag

    BestandgeberIn: Archiv der Universität Wien, Bildarchiv Signatur: 106.I.2726-58

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