Eduard Hanslick, Univ.-Prof. Dr. jur.

11.9.1825 – 6.8.1904
geb. in Prag, Königreich Böhmen, Österreich-Ungarn / Prag, Tschechische Republik gest. in Baden bei Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1913 Philosophische Fakultät

Die Büste, gestaltet von Viktor Tilgner, gewidmet von der Witwe Sophia Hanslick, wurde am 15. Februar 1913 im Arkadenhof der Universität Wien enthüllt.

Der Musikkritiker, -ästhetiker, -historiker und Komponist Eduard Hanslick war der Sohn von Josef Adolf (1786–1859) und Caroline Hanslik (1796–1845), der Tochter des jüdischen Hoffaktors Salomon Abraham Kisch (1768–1840), die bei ihrer Eheschließung zum Katholizismus konvertiert war. Hanslicks teilweise jüdische Wurzeln, die er in seinen Texten verschwieg oder leugnete, boten seinem „Gegenspieler“ Richard Wagner sowie dessen Anhängern die Möglichkeit, Hanslicks Wagner-Kritik auf vermeintliche kulturell-rassische Defizite zurückzuführen.

Hanslick wurde von seinem Vater ausgebildet, absolvierte bis 1843 die Obligat-Studien und begann danach ein Jurastudium an der Karls-Universität Prag. Von 1839 bis 1843 erhielt er Musikunterricht bei Václav Tomášek (1774–1850), dem wichtigsten böhmischen Komponisten dieser Epoche. Im Jahr 1844 begann Hanslick zudem seine Kritikerkarriere, die ihn u.a. von der Wiener Zeitung zur Presse (ab 1855) und zur Neuen Freien Presse (1864–1895) führte. Als Gründungsmitglied und Chefmusikredakteur der Neuen Freien Presse wurde er zu einem der einflussreichsten Musikreferenten im deutschen Sprachraum.

1846 zog Hanslick zum Abschluss seines Studiums nach Wien und änderte die Schreibweise seines Nachnamens von „Hanslik“ zu „Hanslick“ – ein bewusster Akt kultureller Assimilation. Hanslick wurde nach seiner Promotion im Jahr 1849 nach Klagenfurt versetzt und arbeitete dort zwei Jahre als Fiskalbeamter. Dieses „Exil“ war für ihn prägend: Er studierte diverse Ästhetiken, hielt 1851 seinen ersten öffentlichen Musikvortrag und fasste den Plan eines akademischen Karrierewegs. In Wien wirkte er wieder ab 1852 als Beamter im Finanz- und Bildungsministerium.

Dort vollendete Hanslick sein Hauptwerk Vom Musikalisch-Schönen: Ein Beitrag zur Revision der Aesthetik der Tonkunst (1854). Mit der zweiten Auflage dieses Traktats habilitierte er sich in Wien und wurde 1856 als Dozent für „Geschichte und Ästhetik der Musik“ zugelassen. 1861 erhielt Hanslick eine besoldete Professur, die ihm die Quittierung seines Beamten-Postens erlaubte. Im Jahr 1870 erfolgte für Hanslick die Errichtung eines Lehrstuhls für „Geschichte und Ästhetik der Tonkunst“, was die früheste Professur für ein Fachgebiet darstellte, das als Musikwissenschaft bekannt werden sollte.

1886 wurde Hanslick zum Hofrat ernannt und hielt bis 1895 universitäre Vorlesungen. Zudem war er u.a. Programmberater der k. k. Hofoper, Gutachter diverser Stipendien-Programme, Präsident der Leitenden Kommission der Denkmäler der Tonkunst in Österreich  und Repräsentant Österreichs bei Weltausstellungen. Auch nach seiner Pensionierung publizierte Hanslick weiterhin Kritiken und Aufsätze, wobei sein letzter Text am 7. April 1904, wenige Wochen vor seinem Tod, erschien. Vernetzt mit den führenden Komponist*innen und Interpret*innen seiner Epoche, war Hanslick ein prägender Charakter des europäischen Musiklebens.

Hanslick als Professor

Wenn die Musikwissenschaft auch erst von Hanslicks Nachfolger Guido Adler , der 1901 das Musikhistorische Institut gründete, als Disziplin vollgültig etabliert wurde, setzte Hanslick wichtige Impulse für das junge Fach. Diese gingen nicht nur von seinem Ästhetik-Traktat aus, sondern ebenso von anderen Werken wie der Geschichte des Concertwesens in Wien (1869), die die Entwicklung des Konzertlebens von 1750 bis in die Gegenwart untersucht. Als Musikredakteur der monumentalen Enzyklopädie Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild (24 Bände, 1886–1902), dem sog. Kronprinzenwerk, kam er in direkten Kontakt mit den höchsten Kreisen des Adels. An seinem Kapitel „Die Musik in Wien“, in dem er den positiven Einfluss slawischer, ungarischer und italienischer Melodien auf die deutsche Musik Wiens betont, erkennt man, wie er die Völker-Egalität im Habsburgerreich – die politische Botschaft dieses Projekts – mittrug.

An der Universität las Hanslick von 1856 bis 1895 über Ästhetik und allgemeine Geschichte der Musik, wie auch über die Geschichte spezifischer Gattungen, Nationen und Epochen, wobei er einen augenfälligen Schwerpunkt auf die Musik seiner Gegenwart legte, wie bereits seine zweite Vorlesung (Wintersemester 1857/58) zur „Geschichte der neueren und neuesten Musik“ illustriert. Damit stand er durchaus im Widerspruch zu vielen seiner Zeitgenossen, die zeitliche Distanz als Voraussetzung für vorurteilslose Erkenntnisse betrachteten. Neben akademischen Vorlesungen, die Hanslick erstmals mithilfe eines Klaviers untermalte, veranstaltete er ebenfalls öffentliche Vorträge, die oft berühmte Künstler*innen einbezogen und mehrere Hundert Zuhörer hatten. Diese populären Vorträge scheinen besonders interessant, weil sie von Frauen gehört werden konnten, denen die Inskription an der Philosophischen Fakultät bis 1897 verwehrt bleiben sollte.

Hanslick als Ästhetiker

Seinen Platz im Kanon von Musikwissenschaft und Musikphilosophie sicherte Hanslick sich aber mit Vom Musikalisch-Schönen, einer ästhetischen Abhandlung, die den Nerv der Zeit traf. Diese Schrift wurde unmittelbar erfolgreich und blieb bis heute einflussreich im ästhetischen Diskurs, auch wenn einige seiner Thesen über Frauen oder Musik von außerhalb Europas antiquiert sind. Vom Musikalisch-Schönen umfasst sieben Kapitel: Kapitel 1 und 2 vertreten die „negative These“, dass Gefühle weder Zweck noch Inhalt von Musik sind, während Kapitel 3 die „positive These“ aufstellt, dass musikalische Schönheit auch auf rein musikalischen Eigenschaften beruht, selbige folglich genuin musikalisch ist und nicht von äußeren Faktoren abhängt. Kapitel 4 und 5 erörtern die physiologische und psychologische Verarbeitung von Musik / Klang, während Kapitel 6 die Beziehung von Musik und Natur zum Thema hat. Kapitel 7 fasst die zentralen Aspekte des Traktats nochmals zusammen und diskutiert die Frage von Inhalt und Form der Musik.

Vom Musikalisch-Schönen erregte sofort Aufsehen und wurde nicht nur von bedeutenden Ästhetikern wie Franz Brendel, Hermann Lotze und Robert Zimmermann rezensiert, sondern bewirkte auch Gegenschriften von u.a. August Wilhelm Ambros, Friedrich von Hausegger und Arthur Seidl. Hanslicks Abhandlung nahm eine prägende Stellung im Diskurs um Richard Wagners Musikdramen, der Legitimation von programmatischer Instrumentalmusik, und der Autonomie des Musikwerks ein. Seit 1854 ist die Schrift, die zu Hanslicks Lebzeiten neun weitere Auflagen erlebte, im Druck beständig erhältlich, und wurde zudem in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter ins Spanische (1865), Französische (1877), Italienische (1883), Norwegische (1885), Russische (1885), Englische (1891) und Niederländische (1892). Die ungebrochene internationale Resonanz belegen jüngere Übersetzungen, u.a. ins Chinesische (1980), Koreanische (2004), Ungarische (2007), Finnische (2014) und Polnische (2017).

Hanslicks Ästhetik, die zwischen dem deutschen Idealismus von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Theodor Vischer und dem sog. objektiven Realismus von Bernard Bolzano und Johann Friedrich Herbart steht, weist viele theoretische Spannungen auf, die für die Wirkungsgeschichte von Vom Musikalisch-Schönen zentral wurden. Spuren dieser Wirkung zeigen sich noch in Theodor W. Adornos Theorien zur historischen Entwicklung des Musikmaterials, in Friedrich Nietzsches Schriften – von der Geburt der Tragödie (1872) bis zur Wagner-Kritik der Spätzeit – und bei Philosophen wie Karl Popper und Ludwig Wittgenstein. Der vermeintliche Formalismus und der Objekt-Fokus von Hanslicks Abhandlung inspirierten Komponisten und Wissenschaftler wie Adler, Heinrich Schenker, Arnold Schönberg und Igor Strawinsky. Den tiefsten Eindruck hinterließ Hanslick aber wohl in der modernen analytischen Musikästhetik (Stephen Davies, Peter Kivy, Nick Zangwill etc.), die die kognitivistische Emotionstheorie aus Vom Musikalisch-Schönen produktiv adaptierte. Die Erforschung der Rezeption dieser Abhandlung bleibt eine der größten Lücken der Hanslick-Forschung.
 

Werke (Auswahl)

Vom Musikalisch-Schönen: Ein Beitrag zur Revision der Aesthetik der Tonkunst (Leipzig, 1854). Siehe auch die Online-Edition (Wien 2023) aller Auflagen, hrsg. von Alexander Wilfing unter Mitarbeit von Meike Wilfing-Albrecht und Daniel Elsner.

Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bände, 1869–1870.

Die moderne Oper, 9 Bände, 1875–1900.

Gallerie deutscher Tondichter, mit Carl Jäger, 1878.

Opern-Cyclus im Foyer des k.k. Opern-Hauses in Wien, mit Moritz von Schwind, 1880.

Suite: Aufsätze über Musik und Musiker, 1884.

Concerte, Componisten und Virtuosen der letzten fünfzehn Jahre, 1886.

Aus meinem Leben (Autobiographie), 1894.

Ungefähr 1500 Aufsätze (Kritiken, Artikel, Essays, Reiseberichte, Künstler-Porträts, etc.), großteils verfügbar in Eduard Hanslick, Sämtliche Schriften: Historisch-kritische Ausgabe, 7 Bände, hrsg. von Dietmar Strauß und Bonnie Lomnäs (Band 5–7), Wien 1993–2011 und Eduard Hanslick, Schriften für die „Neue Freie Presse“, hrsg. von Alexander Wilfing unter Mitarbeit von Katharina Bamer, Anna-Maria Pfiel, Daniel Elsner und Fernando Sanz-Lázaro, Wien 2023–2025, https://hanslick.acdh.oeaw.ac.at/.

Alexander Wilfing

Zuletzt aktualisiert am 23.01.2025 - 11:45

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