Gerard van Swieten
Studiendirektor, Leibarzt Maria Theresias, Präfekt der Hofbibliothek, Universitätsreformer
Ehrungen
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
---|---|---|---|---|
Denkmal Arkadenhof | 1769/1889/1905/1922 | Medizinische Fakultät |
1769 beauftragte Kaiserin Maria Theresia den Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt mit der Anfertigung eines Denkmals für ihren Leibarzt Gerard van Swieten, das im Hörsaal der Medizinischen Fakultät der Universität Wien aufgestellt und später in den Festsaal des Wiener Allgemeinen Krankenhauses verlegt wurde. Nach der Eröffnung des neuen Universitätshauptgebäudes wurde die Büste 1889 in den Arkadenhof der Universität Wien verlegt. 1904 wurde beschlossen, die Büsten für van Swieten, Nikolaus Joseph von Jacquin und Jan Ingen-Housz zusammenzufassen, und 1905 die bis heute bestehende Denkmalsgruppe enthüllt. Die von Messerschmidt geschaffene Originalbüste wurde Anfang des 20. Jahrhundert gestohlen und 1922 durch einen bronzierten Gipsabguss ersetzt. Nach Wiederauffinden der originalen Porträtbüste wurde diese 1927 als Leihgabe an die Österreichische Galerie im Belvedere übergeben. Im Arkadenhof der Universität Wien befindet sich seitdem eine Bronzekopie. |
- Medizin
- Pharmakologie
- Medizinische Fakultät
Gerard van Swieten war der Sohn von Thomas Franziskus van Swieten und Elisabeth van Loo. Nach dem frühen Tod der Eltern studierte er zunächst Philosophie an der Universität Löwen, wo er 1715 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Anschließend nahm er das Studium der Medizin an der Universität Leiden auf, wo Herman Boerhaave zu seinen wichtigsten Lehrern zählte. 1725 promovierte er mit der Dissertation „Dissertatio de arteriae fabrica et efficacia in corpore humano“ zum Doktor der Medizin. Er ließ sich als Arzt in Leiden nieder und war daneben Mitarbeiter Boerhaaves an der Universität. Nach dessen Erkrankung vertrat van Swieten auch die Professur – als Katholik konnte er jedoch nach Boerhaaves Tod 1738 nicht dessen Nachfolge an der protestantischen Universität Leiden antreten und lehrte als Privatlehrer weiter. Seine kommentierten Aufzeichnungen der Vorlesungen Boerhaaves, die bald nach Veröffentlichung als Standardwerk der praktischen und chirurgischen Medizin galten, machten van Swieten ab 1742 international bekannt.
1745 folgte Gerard van Swieten als Nachfolger Jean Baptiste Bassands der Berufung zum Leibarzt Kaiserin Maria Theresias nach Wien. Zugleich übernahm er die Funktionen des Protomedicus sowie des Präfekten der Hofbibliothek, die er bis zu seinem Tod ausübte. Auf Basis seiner anatomischen Sammlung, die er aus Leiden mitbrachte, gründete er 1745 ein Museum für menschliche Anatomie. Bereits 1746 begann er, medizinische wie auch geistes- und naturwissenschaftliche Vorlesungen in der Hofbibliothek zu halten; zu seinen Schülern zählten Anton Störck und Leopold Auenbrugger.
Im Auftrag Maria Theresias gab van Swieten die wesentlichen Impulse für eine grundlegende Reform des bis dahin rückständigen Gesundheits- und Universitätswesens im Kaiserreich. 1749 ernannte die Regentin ihn zum Präses bzw. Studiendirektor der Medizinischen Fakultät der Universität Wien – wodurch der Staat direkten Einfluss auf alle Universitäts- und Studienangelegenheiten erhielt – und zugleich zum obersten zivilen und militärischen Sanitätschef der Habsburgischen Erblande. In diesen Funktionen reformierte er 1749 zunächst das Medizinstudium an der Universität Wien. Durch die Verbesserung der Ausstattung, neue Unterrichtsmethoden wie die Intensivierung des praktischen Unterrichts am Krankenbett, sowie die Reform der Prüfungen legte er die Grundlage für einen Paradigmenwechsel und die spätere internationale Bedeutung der Wiener Medizinischen Schule.
Da van Swieten die Bedeutung des botanischen und chemischen Grundlagenwissens für das Medizinstudium betonte, etablierte er eine Professur für diese Fachbereiche und initiierte die Einrichtung eines chemischen Labors sowie des Botanischen Gartens als „Hortus Medicus“. Durch die Einführung der Chirurgie als Lehrfach sorgte er für eine Akademisierung und soziale Aufwertung der Chirurgen, ebenso wie weiterer „niederer“ Gesundheitsberufe. Wenn auch die von ihm vorgeschlagene Einführung eines „Collegium chirurgicum“ nicht realisiert wurde, so gab er damit zumindest einen Impuls für die spätere Einrichtung der Josephs-Akademie als Ausbildungsstätte angehender Militär- und Wundärzte. Zudem institutionalisierte er 1748 den Unterricht für Hebammen in einer eigenen Hebammenschule. 1750 wurde schließlich verfügt, „dass nur die von der medicinischen Facultät approbierten Ärzte, Wundärzte, Bader und Hebammen das Recht zur Praxis in Wien besitzen“.
Seine Reformen an der Medizinischen Fakultät dienten jedoch auch wesentlich der von Maria Theresia forcierten Zentralisierung der universitären Angelegenheiten und einer weitgehenden staatlichen Einflussnahme und Kontrolle: Professoren wurden nun nicht mehr durch das Konsistorium, sondern von der staatlichen Autorität berufen und besoldet. Sie waren fortan von akademischen Funktionen (wie jener des Rektors) ausgeschlossen, und allein der Lehre verpflichtet. Lehrbücher, aus denen vorgelesen wurden durfte, mussten von staatlicher Seite approbiert werden.
Um die Reformen in der Lehre praktisch umzusetzen, ließ van Swieten herausragende Wissenschafter nach Wien berufen, wie beispielsweise Anton de Haen, der 1754 im Wiener Bürgerspital die Universitätsklinik für Innere Medizin – die erste stationäre Lehrklinik in Mitteleuropa – aufbaute, Nikolaus Jacquin (Botanik), Anton von Störck (Arzneimittellehre) und Maximilian Stoll. Mit Hilfe des Sanitätsreferenten Joseph Quarin reorganisierte van Swieten die heruntergekommenen Spitäler Wiens.
Nach dem Vorbild der Reformen van Swietens im Bereich der Medizinischen Fakultät wurden später auch die anderen Fakultäten umstrukturiert. Die Philosophische Fakultät erhielt 1752 einen neuen zweijährigen Studienplan („Cursus philosophicus“), der verpflichtend als Vorstudium für ein nachfolgendes Fachstudium an einer der drei anderen „höheren Fakultäten“ zu absolvieren war. Gerard van Swieten initiierte auch den theresianischen Neubau der „Neuen Aula“ (heute Akademie der Wissenschaften) 1755/56, der neben Hörsälen und einem Festsaal auch ein anatomisches Theater für das praxisorientierte Medizinstudium sowie eine Sternwarte beherbergte. Bis 1759 wurde die gesamte Universität von der mittelalterlichen Standesorganisation, die unter zentralem Einfluss des Jesuitenordens stand, zu einer modernen staatlichen Bildungsanstalt reformiert.
Als Präfekt der k. k. Hofbibliothek ließ van Swieten aktuelle wissenschaftliche Literatur aus westeuropäischen Ländern ankaufen, verbesserte die Erschließung der Buchbestände und richtete erstmals einen Lesesaal für breitere Kreise von Lesern ein. In dieser Funktion übernahm er auch die Handschriften und Wiegedrucke der alten Wiener Universitätsbibliothek, die 1756 aufgelöst wurde. Als Vorsitzender der Bücherzensur-Hofkommission (seit 1759) verdrängte van Swieten den bisher für die Zensur zuständigen Jesuitenorden aus dessen dominierender Rolle und bewirkte eine wesentliche Lockerung der Zensurbestimmungen. Ebenso stand er der 1760 eingerichteten Studienhofkommission vor, der die Regelung und Zentralisierung aller universitären Belange zukam.
Gerard van Swieten war ein zentraler Kämpfer gegen den verbreiteten abergläubischen Vampirmythos, den er als Ergebnis natürlicher postmortaler Fäulnisprozesse dekonstruierte. Aufgrund seines Berichtes ließ Maria Theresia die häufig praktizierten Maßnahmen gegen angebliche Vampire wie Pfählen, Köpfen und Verbrennen verbieten.
Van Swieten wurde für seine Verdienste vielfach geehrt und ausgezeichnet. Er war Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften wie der französischen Akademie der Wissenschaften (1750), der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (1753), der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (1754), der Olmützer Gelehrtengesellschaft Societas incognitorum sowie der Medizinischen Gesellschaft in Edinburgh. 1753 wurde er in den Freiherrenstand sowie 1758 zum Reichsfreiherrn erhoben und 1767 zum Kommandeur des Ordens vom Heiligen Stephan ernannt.
Gerard van Swieten starb am 18. Juni 1772 in seinem Landhaus in Schönbrunn bei Wien und wurde in der Wiener Augustinerkirche beigesetzt, wo sich bis heute sein Grabmal befindet.
Bereits zu Lebzeiten – 1769 – beauftragte Kaiserin Maria Theresia den Bildhauer Franz Xaver Messerschmidt mit der Anfertigung eines Denkmals für van Swieten, das im Hörsaal der Medizinischen Fakultät in der „Neuen Aula“ aufgestellt und später in den Festsaal des 1784 eröffneten Wiener Allgemeinen Krankenhauses verlegt wurde. Nach der Eröffnung des neuen Universitätshauptgebäudes wurde die Büste 1889 in den Arkadenhof der Universität verlegt. 1904 wurde beschlossen, die Büsten für van Swieten, Nikolaus Joseph von Jacquin und Jan Ingen-Housz zusammenzufassen, und 1905 die bis heute bestehende Denkmalsgruppe enthüllt. Die von Messerschmidt geschaffene Originalbüste wurde Anfang des 20. Jahrhundert gestohlen und 1922 durch einen bronzierten Gipsabguss ersetzt. Nach Wiederauffinden der originalen Porträtbüste wurde diese 1927 als Leihgabe an die Österreichische Galerie im Belvedere übergeben. Im Arkadenhof der Universität Wien befindet sich seitdem eine Bronzekopie.
Die Stadt Wien ernannte Gerard van Swieten posthum zum Ehrenbürger und benannte 1862 die Van-Swieten-Gasse in Wien-Alsergrund (9. Bezirk) nach ihm. Das medizinische Doktorenkollegium wählte ihn zum Namensgeber des 1896 errichteten Van-Swieten-Hofs in der Inneren Stadt (1. Bezirk). 1967 wurde die Van-Swieten-Kaserne in Wien-Floridsdorf (21. Bezirk), die das Militärmedizinische Zentrum beherbergt, nach ihm benannt.
Sein 200. Todestag bot der Universität Wien den Anlass für das internationale Symposium „Gerard van Swieten und seine Zeit“, das 1972 im Josephinum stattfand. Anlässlich seines 300. Geburtstag hielt Helmut Wyklicky im Jahr 2000 einen Festvortrag über Gerard van Swieten vor dem 54. Van Swieten-Kongress im Allgemeinen Krankenhaus. Die im 21. Jahrhundert aus der Universität Wien hervorgegangene Medizinische Universität Wien benannte ihren zentralen Festsaal „Van Swieten Saal“.
Werke (Auswahl)
Dissertatio de arteriae fabrica et efficacia in corpore humano (Dissertation), 1725.
Commentaria in Hermanni Boerhaave aphorismos, de cognoscendis et curandis morbis (5 Teile), 1742–1772 [deutsche Ausgabe: Erläuterungen der Boerhaavischen Lehrsätze von Erkenntniß und Heilung der Krankheiten (10 Bände), 1755–1775].
Herrn Hermann Boerhaaves kurzgefaßte Lehrsätze von Erkenntniß und Heilung der so genannten Chirurgischen Krankheiten (4 Teile), 1749–1755.
Kurze Beschreibung und Heilungsart der Krankheiten, welche am öftesten in dem Feldlager beobachtet werden, 1758.
Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus, 1768.
Abhandlung von der Liebesseuche, 1777.
Constitutiones epidemicae et morbi potissimum, 1782 [deutsche Ausgabe: Epidemieen und Krankengeschichten (2 Bände), 1785].
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Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024 - 21:22
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