Johannes Vahlen, o. Univ.-Prof. Dr. phil., Dr. jur. h.c.

27.9.1830 – 30.11.1911
geb. in Bonn, Deutschland gest. in Berlin, Deutschland

Funktionen

Dekan*in Philosophische Fakultät 1861/62
Rektor Philosophische Fakultät 1873/74

Johannes (Johann) Vahlen, Sohn des Handwerkermeisters Dominikus Ignatius und dessen Frau Anna Vahlen, absolvierte das Gymnasium in Bonn und studierte anschließend ab 1848 Klassische Philologie an der Universität Bonn, u. a. bei Friedrich Ritschl, Friedrich Gottlieb Welcker und Jacob Bernays. Bei Ritschl promovierte er 1852 mit einer Dissertation über die Dichtung des Quintus Ennius zum Doktor der Philosophie. Nach Ablegung der Lehramtsprüfung unterrichtete Vahlen für zwei Jahre an einem Gymnasium und arbeitete parallel an einer kritischen Gesamtausgabe der Fragmente des Ennius, mit der er 1854 an der Universität Bonn habilitiert wurde.

Vahlen war nach seiner Habilitation zunächst als Privatdozent und Hauslehrer in Bonn  tätig, bis er 1856 als außerordentlicher Professor für Klassische Philologie an die Universität Breslau berufen wurde. Seine Tätigkeit als ordentlicher Professor an der Universität Freiburg im Breisgau ab April 1858 dauerte nur wenige Monate, da er bereits im Herbst desselben Jahres einem Ruf auf den Lehrstuhl für Klassische Philologie an der Universität Wien folgte. Gemeinsam mit Hermann Bonitz prägte er nicht nur die Entwicklung des Faches Klassische Philologie an der Universität Wien, sondern arbeitete auch an der Reform des österreichischen Mittelschulwesens sowie der Ausbildung der Gymnasiallehrer im Zuge der Thun-Hohensteinʼschen Reformen mit. Nach Bonitzʼ Weggang aus Wien 1867 übernahm Vahlen auch die Mitredaktion der einflussreichen „Zeitschrift für Österreichische Gymnasien“. Zu seinen zahlreichen Schülern zählte unter anderen der spätere Unterrichtsminister Wilhelm von Hartel.

Durch seine intensive Forschungstätigkeit und international anerkannten wissenschaftlichen Leistungen avancierte Johannes Vahlen zu einem der führenden klassischen Philologen des 19. Jahrhunderts. Er widmete sich vor allem der textphilologischen Forschung. Bei der Edition und Interpretation zahlreicher römischer und griechischer Klassiker legte er besonderen Wert auf sprachliche wie stilistische Erklärungen der Texte, während er vor eine allzu freie Textdeutung (Konjekturalphilologie) strikt vermied. Im Bereich der Latinistik machte er sich vor allem um die Veröffentlichung von frührömischen Texten wie jenen des Ennius sowie von Naevius und Cicero („De legibus“) verdient, forschte jedoch auch zu dem Humanisten Lorenzo Valla. In der Gräzistik stachen vor allem seine Arbeiten zu Aristoteles hervor, dessen „Poetik“ er mit erklärenden und sprachlichen Erläuterungen herausgab. Im Rahmen der Wiener Akademie der Wissenschaften war Vahlen 1864 maßgeblich an der Gründung des „Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum“ (CSEL), einer kritischen Text-Edition der Werke der spätantiken lateinischen Kirchenväter, beteiligt.

An der Universität Wien amtierte Johannes Vahlen im Studienjahr 1861/62 als Dekan der Philosophischen Fakultät und 1873/74 als Rektor.
Seit 1860 gehörte er der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien als korrespondierendes, seit 1862 als wirkliches Mitglied an. Zwischen 1869 und 1874 fungierte er hier zudem als Sekretär der philosophisch-historischen Klasse. 1870 erfolgte seine Ernennung zum k.k. Regierungsrat, 1873 zum Hofrat.

1874 verließ Johannes Vahlen Wien und folgte einem Ruf auf den Lehrstuhl für Klassische Philologie an der Universität Berlin. Dort leitete er – zunächst gemeinsam mit Adolf Kirchhoff, zwischen 1902 und 1906 alleine – das Philologische Seminar und fungierte im Studienjahr 1886/87 als Rektor. Er lehrte bis in das Jahr 1907.

Für seine Leistungen wurde Vahlen auch weiterhin vielfach geehrt: Nach seinem Weggang aus Wien war er ab 1874 wieder korrespondierendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, innerhalb derer er von 1893  bis zu seinem Tod 1911 als Sekretär der philosophisch-historischen Klasse amtierte. Er gehörte außerdem als korrespondierendes Mitglied der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften (1885) sowie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1904) an und war Ehrenmitglied der Philologischen Gesellschaft in Budapest (1900). 1882 wurde er zum Geheimen Regierungsrat und 1902 zum Ehrendoktor (Dr. jur. h.c.) der Universität Berlin ernannt. Er wurde mit dem Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste (1908), dem Kronenorden II. Klasse und dem Roten Adlerorden IV. und II. Klasse (1879/1910) ausgezeichnet. Österreich ehrte ihn anlässlich seines 80. Geburtstages 1910 mit dem Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst.

Die University of Illinois erwarb Vahlens Bibliothek 1913 – zwei Jahre nach seinem Tod – und ließ sie als Teil der „Dittenberger-Vahlen Collection of Classical Texts“ ab 2000 digitalisieren.

Werke (Auswahl)

Quaestiones Ennianae criticae (Dissertation), 1852.
Ennicanae poesis reliquiae (Habilitationsschrift), 1854 (2. Auflage 1903, Reprint 1928 und 1963).
In M. Terentii Varronis saturarum Menippearum reliquias coniectanea, 1858 (Reprint 1974).
Beiträge zu Aristoteles Poetik (4 Bände), 1865–1867 (Reprint 1914 und 1965).
Ed.: Aristoteles, De arte poetica, 1867 (3. Auflage 1885, Reprint 1964).
Ed.: Cicero, De legibus, 1871 (2. Auflage 1883).
Über den philologischen Sinn (Inaugurationsrede, Berlin), 1886.
Ennianae poesis reliquiae, 1903.
Opuscula academica (2 Bände), 1907–1908 (Reprint 1967).
Gesammelte philologische Schriften (2 Bände), 1911–1923 (Reprint 1970).

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 02.04.2024 - 22:07

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