Robert Walter, o. Univ.-Prof. Dr. jur.
- Rechtswissenschaften
- Staats- und Verwaltungsrecht
- Verfassungsrecht
- Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
- Rechtswissenschaftliche Fakultät
Der in Wien als Sohn einer Wienerin und eines aus dem Erzgebirge zugezogenen Bauleiters einer Holzbaufirma geborene Walter besuchte die Volksschule zunächst in Wien, dann (aus Gründen der Berufstätigkeit seines Vaters) in Vordernberg (Steiermark). Die Oberschule besuchte er zunächst in Wien, dann – kriegsbedingt – in Hollabrunn. Das Ende des II. Weltkrieges erlebte die Familie in Winzendorf (NÖ), sodass Walter von Herbst 1945 bis zur Matura 1949 die Realschule Wiener Neustadt besuchte. Mehr aus Vernunft denn aus Neigung studierte er danach Rechtswissenschaften an der Universität Wien (1953 Dr. jur.). Schon während des Studiums befasste sich Walter auch mit der theoretischen Seite der Rechtswissenschaft, was ihn (über Karl Wolff und Adolf J. Merkl) zur Reinen Rechtslehre Hans Kelsens führte.
Neben der Gerichtspraxis studierte Walter Staatswissenschaften und dissertierte bei Merkl (Koreferent: Alfred Verdroß) mit einer rechtstheoretischen Arbeit „Über den Widerspruch von Rechtsvorschriften“ (1955 Dr. rer. pol.). 1957 wurde Walter zum Richter ernannt und war dann in der Justizverwaltung (Bundesministerium für Justiz), danach bei einer Reihe von Gerichten tätig, zuletzt als Mitglied eines Berufungssenates des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien und als Senatsvorsitzender beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien.
Seit 1959 mit Elisabeth Stifter verheiratet (der Ehe entstammen drei Kinder) arbeitete Walter neben der richterlichen Berufstätigkeit auch wissenschaftlich. 1960 erfolgte – über Anregung durch Merkl und mit Unterstützung von Verdroß – die Habilitation mit der Schrift über „Verfassung und Gerichtsbarkeit“ an der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät; die Begutachter waren Merkl und Walter Antoniolli.
1962 schied Walter aus dem Justizdienst aus und folgte einem Ruf auf ein Extraordinariat für öffentliches Recht an der Universität Graz, 1966 einem solchen an die damalige Hochschule für Welthandel (heute: Wirtschaftsuniversität) Wien, wo er im Rahmen des neuen Studienplanes die Lehre des öffentlichen Rechts verstärkt einbrachte.
Seine Überlegungen zur Reinen Rechtslehre führten 1964 zur Publikation des Buches über den „Aufbau der Rechtsordnung“. 1972 erschien der umfassende Band „Österreichisches Verfassungsrecht. System“, woraus im Jahr 1975 der – gemeinsam mit Heinz Mayer verfasste – „Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts“ entstand. Die letzte Auflage des in Wissenschaft, Praxis und Lehre gleichermaßen anerkannten Werkes, an der Walter noch mitarbeiten konnte, war die 10. Auflage (2007; gemeinsam mit Mayer und Gabriele Kucsko-Stadlmayer).
1975 wurde Walter zum o. Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien ernannt, wo er bis zur Emeritierung 1999 blieb. Sowohl die Organisationsstruktur der Ordinarienuniversität als auch die Ernsthaftigkeit des rechtswissenschaftlichen Studiums waren ihm sehr wichtig.
Im Jahr 1978 erschien ein weiterer, für Lehre, Praxis und Wissenschaft bedeutend gewordener Grundriss, jener „des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts“ (gemeinsam mit Mayer); an dessen Neuauflage (der damals 9.; gemeinsam mit Dieter Kolonovits, Gerhard Muzak und Karl Stöger) arbeitete Walter bis zu seinem Tode. Der „Grundriss des besonderen Verwaltungsrechts“ wurde – wieder gemeinsam mit Mayer – 1981 publiziert (2. Auflage 1987). In den Jahren 1998 und 2000 folgten die beiden Bände des großen Kommentars zu den „österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetzen“ (gemeinsam mit Rudolf Thienel).
Seit der – von ihm und Kurt Ringhofer in die Wege geleiteten – Gründung des Hans Kelsen-Instituts als Bundesstiftung im Jahr 1971 wirkte Walter ehrenamtlich als dessen Geschäftsführer. Dem Institut, das weltweite Bekanntheit erlangte, ist durch den Stiftbrief die Aufgabe gestellt worden, die – von Kelsen grundgelegte und insbesondere gemeinsam mit Merkl und Verdroß weiterentwickelte – Reine Rechtslehre und ihren wissenschaftlichen Widerhall im In- und Ausland zu dokumentieren, darüber zu informieren und ihre weitere Durchdringung, Fortführung und Entwicklung zu fördern. Weiters führt das Institut eine vollständige Dokumentation der Werke Kelsens und den Aufbau einer diese Werke umfassenden Bibliothek sowie die Dokumentation von Leben und Werk Kelsens durch; desgleichen eine Dokumentation jener Werke und Autoren, die dem Kreis um Kelsen zuzurechnen sind. Schließlich werden möglichst weitgehend Werke, die sich mit der Reinen Rechtslehre beschäftigen oder auf diese beziehen, dokumentiert und eine die wichtigsten Werke umfassende Bibliothek aufgebaut. Zur Pflege von Verbindungen mit allen in Betracht kommenden Stellen und Personen sind vom Institut insbesondere Vorträge und Veranstaltungen auszurichten, Einladungen auszusprechen und ist an Veranstaltungen teilzunehmen. 1977 ist der Nachlass Kelsens dem Institut überantwortet worden, das diesen im Sinn des Verewigten verwaltet. Ebenso verfährt das Institut mit den 1989 an das Institut übergegangenen Rechte Kelsens an seinen Publikationen. Hervorzuheben ist insbesondere, dass aus dem Nachlass Kelsens die umfangreichen Bücher „Allgemeine Theorie der Normen“ (1979), „Illusion der Gerechtigkeit“ (1987) und „Secular Religion“ (2012) herausgegeben wurden und dass die Schriftenreihe des Instituts mittlerweile 36 Bände umfasst, viele davon von Walter (mit-)herausgegeben, einige von ihm verfasst, zB Band 15 „Rechtstheorie und Erkenntnislehre gegen Reine Rechtslehre?“ und Band 27 „Hans Kelsen als Verfassungsrichter“.
Walters lebenslange Bemühungen zur Weiterentwicklung der Reinen Rechtslehre sind in zahlreichen Aufsätzen, aber auch in dem Band „Hans Kelsens Rechtslehre“ (1999) niedergelegt. Alle Publikationen zeigen seine unbestechliche wissenschaftliche Haltung, deren Ziel es ist, objektive, dh intersubjektiv nachprüfbare Aussagen über den gewählten Erkenntnisgegenstand zu treffen. Entstanden sind sie nicht nur in seinen Arbeitszimmern an der Universität und im Hans Kelsen-Institut, sondern auch in seiner Wiener Wohnung und im kleinen Wochenendhaus im Wienerwald, wo nur gelegentliche Wanderungen und Gartenarbeiten seinen Schaffensdrang unterbrechen konnten.
Zuletzt aktualisiert am 23.01.2024 - 00:55