Wilhelm Emil Wahlberg, o. Univ.-Prof. Dr. jur.

4.7.1824 – 31.1.1901
geb. in Prag | Praha, Tschechische Republik gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1908 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Funktionen

Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1865/66
Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1874/75
Dekan*in Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1884/85
Senator Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1873/74

Wilhelm Emil Wahlberg, Sohn des Kaufmanns Karl Anton Wahlberg, absolvierte die Mittelschule sowie die universitäre philosophische Grundausbildung in Prag und begann ebenda ein Studium der Rechtswissenschaften, das er 1849 an der Universität Wien mit dem Doktorat abschloss. Nach seiner Promotion unternahm er als Vorbereitung auf seine Habilitation eine ausgedehnte Studienreise nach Deutschland, Belgien und Frankreich, im Zuge derer er deutsche rechtswissenschaftliche Fakultäten, Schwurgerichte sowie Gefängnisse besuchte. Zurück in Wien erfolgte 1851 seine Habilitation für Strafrecht und Strafprozessrecht. In seinen Vorlesungen und praktischen Übungen widmete er sich verschiedensten Aspekten des Strafrechts. Parallel absolvierte er ein Praktikum am Wiener Landesgericht und fungierte als Mitglied der theoretischen Staatsprüfungskommission. 1854 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1860 zum Ordinarius ernannt. Zu seinen Schülern zählten u. a. die späteren Rechtsprofessoren und Politiker Heinrich Lammasch und Franz von Liszt.

Wilhelm Emil Wahlberg veröffentlichte zahlreiche Schriften zu verschiedensten Bereichen des Strafrechts, des Strafprozesses und des Strafvollzugs, darunter zu rechtsdogmatischen ebenso wie -historischen Fragen. Als einer der Pioniere der subjektiven, individualisierenden Sicht des Strafrechts, die den Rechtsbrecher und dessen Persönlichkeit ins Zentrum der Betrachtung stellte und beurteilte, schlug er auch eine Brücke zu den Sozialwissenschaften und zur Psychologie. Er befasste sich mit der Fragen der Zurechnungsfähigkeit sowie der psychologisch begründeten Unterscheidung von Gelegenheitsverbrechen und Gewohnheitsdelikten und besichtigte zwischen 1864 und 1870 mit Genehmigung des Justizministeriums österreichische Straf- und Zwangsarbeitsanstalten. Die Strafe betrachtete er als Möglichkeit der Abschreckung, Prävention, Besserung und Sicherung.

Wahlbergs im In- und Ausland vielbeachtete wissenschaftliche Arbeiten hatten meist auch praktisch-reformatorischen Anspruch: So trat er für die Geschworenengerichtsbarkeit und die Vergütung unverschuldet erlittener Haft ein und befasste sich mit Verbrechensprophylaxe ebenso wie mit der Fürsorge für entlassene Häftlinge. Als Präsident des Wiener Vereines gegen Verarmung und Bettelei plädierte er zudem für eine planmäßige präventive Armenpflege.
Dementsprechend beteiligte sich er auch maßgeblich an der Reform des österreichischen Strafrechts – er gehörte von 1864 bis 1872 der dafür zuständigen Ministerial-Justizkommission an. Als Spezialreferent arbeitete er anschließend einen Teil des Entwurfes des Strafgesetzes von 1874 aus. Wahlberg, der auch für die Einführung eines gemeinsamen deutschen Strafgesetzes plädierte, verfasste zudem zahlreiche kritische Rechtsgutachten über italienische, ungarische, russische sowie deutsche Strafgesetz- und Prozessgesetzentwürfe. Ab 1870 wählte ihn das Herrenhaus mehrfach als Mitglied in den Staatsgerichtshof.

Auch innerhalb der Universität Wien übernahm Wilhelm Emil Wahlberg verschiedene Funktionen. So amtierte er in den Studienjahren 1865/66 und 1884/85 als Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und war ab 1871 Präsident der judiziellen Staatsprüfungskommission sowie erster Vorstand der theoretischen Staatsprüfungskommission in Wien. Für das Studienjahr 1874/75 wurde er zum Rektor der Universität Wien gewählt. In seiner Inaugurationsrede, die in der Wiener Zeitung veröffentlicht wurde, positionierte Wahlberg sich als Verfechter der Universitätsautonomie, die sich gegen bürokratische Bevormundung behaupten müsse. Während der Rede, die auch in den folgenden Tagen für mediale Aufregung sorgen sollte, demonstrierten Studenten gegen den Unterrichtsminister. Später wurde Wahlberg außerdem Obmann der Kommission zur Ausschmückung der Innenräume des Universitätsgebäudes und wurde 1889 in die artistische Kommission des akademischen Senats gewählt.

Eine im Professorenkollegium geäußerte polemisch-abfällige Bemerkung Wahlbergs über den außerordentlichen Professor für Strafrecht Salomon Mayer führte zwischen 1886 und 1888 zu einer Beschwerde sowie in weiterer Konsequenz zu zwei Disziplinarverfahren vor dem Akademischen Senat der Universität Wien. Dekan Karl Samuel Grünhut tadelte Wahlbergs Aussagen. Das zweite, auf Wahlbergs Selbstanzeige hin eingeleitete Verfahren endete mit der Feststellung standeswidrigen Verhaltens, wobei der Beschuldigte auch gegen Dekan Grünhut Beschwerde eingelegt hatte. Aufgrund der Eskalation des Konflikts wurde Wahlberg schließlich auf eigenen Wunsch 1889 in den Ruhestand versetzt, veröffentlichte seine Sicht auf die Geschehnisse jedoch unter dem Titel „Ein Disziplinarprozeß vor dem Akademischen Senate der Wiener Universität“.

Wahlberg, der auch als Prüfungscommissär in der Orientalischen Akademie (später: k.k. Konsularakademie) fungierte, wurde für seine Leistungen vielfach ausgezeichnet: Er wurde 1867 zum Ehrenmitglied der Versammlung der deutschen Strafanstaltsbeamten in Dresden ernannt, war Mitglied der Howard Association in London, des historischen Vereins in Krain, des Vereins für Psychiatrie und gerichtliche Psychologie in Wien sowie der Société royale et centrale des Sauveteurs de Belgique (1876). Er wurde 1870 zum Regierungsrat sowie 1872 zum Hofrat ernannt, wurde für die Begutachtung der italienischen Strafgesetzentwürfe mit dem Commandeurkreuz des Ordens der italienischen Krone, für den rechtswissenschaftlichen Unterrichts für Erzherzog Johann von Toskana mit dem Ritterkreuz des toskanischen Josephsordens sowie 1886 mit dem russischen St. Annen-Orden II. Klasse ausgezeichnet.
Nach seinem Tod 1901 wurde er auf dem Dornbacher Friedhof bestattet.
Die Universität Wien ehrte ihn posthum 1908 mit der Aufstellung einer Porträtbüste im Arkadenhof der Universität Wien (gestaltet von Melanie Horsetzky von Hornthal, gestiftet von der Tochter Wahlbergs). 1934 wurde die Wahlberggasse im 14. Wiener Gemeindebezirk nach ihm benannt.

Werke (Auswahl)

Grundlinien der strafrechtlichen Zurechnungslehre, 1857.
Die Ehrenfolgen der strafgerichtlichen Verurtheilung. Ein Beitrag zur Reform des Strafensystemes, 1864.
Das Princip der Individualisirung in der Strafrechtspflege, 1869.
Criminalistische und nationalökonomische Gesichtspunkte mit Rücksicht auf das deutsche Reichsstrafrecht, 1872.
Kritik des Entwurfs einer Strafprocessordnung für das deutsche Reich, 1873.
Inaugurationsrede (veröffentlicht in der Wiener Zeitung, 22.10.1874, S. 3-5), 1874
Gesammelte kleinere Schriften und Bruchstücke über Strafrecht, Strafprocess, Gefängnisskunde, Literatur und Dogmengeschichte der Rechtslehre in Oesterreich (3 Bände: Band 1 | Band 2 | Band 3), 1875–1882.
Entstehungsgeschichte des Josephinischen Jagdediktes, 1886.
Ein Disciplinarproceß vor dem akademischen Senate der Wiener Universität in der Tagespresse, 1889.
Über die Freiheitsstrafe im Strafgesetzbuche, 1890.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 02.04.2024 - 21:51

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