Anton Josef Hye Freiherr von Glunek, Univ.-Prof. Dr. jur.

26.5.1807 – 8.12.1894
geb. in Steyr-Gleink, Österreich gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1899 Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät

Funktionen

Rektor Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1871/72

Anton Josef Hye, Sohn des Kontrollbeamten Franz Hye, besuchte ab 1817 das Gymnasium sowie die philosophischen Jahrgänge im Benediktinerstift Kremsmünster und studierte anschließend ab 1825 Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Nachdem er 1829/30 die einjährige Gerichtspraxis beim Magistrat Steyr absolviert und unmittelbar danach die Advokaturspraxis bei Josef Hye, einem entfernten Verwandten und seinem späteren Schwiegervater, begonnen hatte, wurde er am 20. Juni 1831 an der Universität Wien zum Dr. jur. promoviert. Neben der praktischen Betätigung als Advokat, die er bis 1835 fortsetzte, wurde Anton Hye 1832 auf Vorschlag seines Lehrers Franz Egger dessen Supplent an der Lehrkanzel für Vernunfts- und österreichisches Kriminalrecht an der Universität Wien. Daneben betätigte sich Hye ab 1832 auch als Privatlehrer.

Ab 1833 supplierte Anton Hye zudem an der Theresianischen Ritterakademie (Theresianum) Naturrecht, Staats-, Völker- und Kriminalrecht sowie ab 1834 zusätzlich Diplomatische Staatengeschichte. 1835 wurde er hier zum wirklichen Professor dieser Fächer erhoben und übte diese Aufgabe fast 20 Jahre lang (bis 1854) aus. Neben seiner Lehrtätigkeit fungierte Hye als Rechtskonsulent der Akademie.

An der Universität Wien, wo Hye seine Lehre parallel zu jener am Theresianum weiterführte, wurde er 1834 zunächst zum Archivar der Juridischen Fakultät und noch im selben Jahr zum ehrenamtlichen Universitätsarchivar ernannt. In seiner Funktion als Juristenarchivar war er zugleich Vertreter des Universitätssyndikus und Verwalter zahlreicher Universitätsstiftungen und wurde zudem als Gutachter in historischen und juristischen Fragen herangezogen. Als Universitätsarchivar führte er eine Neuordnung der Archivbestände durch und legte ein neues Archivalienverzeichnis an. Obwohl er das Amt offiziell bis zu seinem Tod fortführte, sorgte er bereits 1874/75 dafür, dass der ausgebildete Archivar Karl Schrauf seine Nachfolge übernehmen sollte.

An der Universität Wien fungierte Hye zudem im Studienjahr 1835/36 als Prokurator der Rheinischen, sowie im darauffolgenden Studienjahr als Prokurator der Sächsischen Nation.

Als Nachfolger von Franz Egger wurde Hye 1838 an der Universität Wien zum ständigen supplierenden Professor des Vernunfts- und österreichischen Kriminalrechts und 1842 zum ordentlichen Professor ernannt. Zu seinen Schülern zählen Josef Unger, Eduard Herbst sowie der spätere Innenminister Eduard Taaffe. 1845/46 war Hye im Auftrag der Studien-Hofcommission führend an der Ausarbeitung eines neuen juridisch-politischen Studienplanes beteiligt.

Den revolutionären politischen Strömungen im Vormärz stand Anton Hye zunächst kritisch gegenüber. Hye war zwar ein Verfechter der Lehr- und Lernfreiheit, eine der zentralen Forderungen der Revolution von 1848, eine Beteiligung der Universität und ihrer Lehrenden an etwaigen Petitionen an den Kaiser lehnte er aber noch in den ersten Märztagen 1848 kategorisch ab. Am 12. März 1848 sollten Anton Hye und Stephan Endlicher als Vermittler im Auftrag des Professorenkollegiums auf die in der Aula versammelten Studenten beruhigend einwirken und von einer solchen Petition abhalten. Die bereits von den Studenten vorbereitete Bittschrift, die weitreichende politische Forderungen enthielt – darunter Lern- und Lehrfreiheit sowie Pressefreiheit –, befürworteten sie schließlich und überreichten diese am selben Tag dem Kaiser. Tags darauf, am 13. März, trug Hye gemeinsam mit Rektor Sebastian Jenull die studentischen Forderungen dem Kaiser vor. Bereits am Abend des 13. März konnte Hye den Studenten die kaiserliche Bewilligung der Studentenbewaffnung mitteilen. Am Gipfel seiner Popularität als besonderer Vertrauter der Wiener Studenten wurde Anton Hye noch am 13. März zum Kommandanten der bewaffneten Studentencorps gewählt. Diese Funktion legte er jedoch bereits am 19. März wieder zurück, als die Akademische Legion aufgestellt wurde, verbunden mit der Aufforderung an die Studenten, zu den Studien zurückzukehren. Wegen der zunehmenden Radikalisierung der studentischen Bewegung zog sich Hye von der Akademischen Legion zurück und fungierte als Berater des kurzzeitigen Justiz- und Unterrichtsministers Franz Sommaruga. In dieser Funktion übernahm er die unpopuläre Verteidigung des neuen kaiserlichen Pressegesetzes gegen dagegen stattgefundene Demonstration auf der Universität. Im Mai 1848 zum Generalsekretär im Justizministerium ernannt, behielt jedoch daneben seine Professur. Als Berater des Ministerrates sprach er sich am 15. Mai 1848 für die Schließung der Universität und die Auflösung der Akademischen Legion aus. Nach Verkündung der entsprechenden Beschlüsse wies der Volkssicherheitsausschuss Hyes Verhaftung an, woraufhin sich dieser selbst stellte und nach 5-tägiger Haft vorübergehend freigelassen und gleichzeitig wegen Hochverrat an der Souveränität des Volkes angeklagt wurde. Das Verfahren vor dem Kriminalgericht endete mit einem Freispruch.

Als im August 1848 das Generalsekretariat im Justizministerium aufgelöst wurde, wurde Anton Hye zum Ministerialrat in außerordentlicher Verwendung für legislative Arbeiten in jenem Ministerium ernannt. 1849 übernahm er die Redaktion der Reichsgesetzblätter und war in zentrale gesetzgeberische Arbeiten involviert, u.a. das bereits 1849 erlassene Pressegesetz. Unter Justizminister Karl von Krauß wuchs Hyes Einfluss. In dessen Auftrag erarbeitete er das Strafgesetzbuch von 1852, das erstmals eine einheitliche Gesetzeslage für das gesamte Habsburgerreich schuf, und die Strafprozessordnung von 1853, das u.a. die Schwurgerichte abschaffte. Auch an der Umarbeitung des Militärstrafgesetzbuches wirkte Hye mit.
Die praktische legislative Arbeit floss in Hyes Publikationen ein: So veröffentlichte er 1855 seine Kommentare über „Das österreichische Strafgesetz“ sowie 1854 „Die leitenden Grundsätze der österreichischen Strafproceßordnung“. Zudem publizierte er 1848 bis 1860 die mehrbändige „Sammlung der Gesetze und Verordnungen im Justizfache“.

Parallel dazu konnte Anton Hye seine Lehrtätigkeit an der ab 1848 als „Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät“ bezeichneten Fakultät der Universität Wien zunächst ungebrochen fortsetzen. Daneben fungierte er auch als Berater des Unterrichtsministeriums bei der Reform der juridischen Studien. Nach deren Realisierung 1850 wurde er zum Präses der judiziellen Staatsprüfungskommission ernannt.

Seine Doppelstellung als Professor an der Universität Wien sowie als Ministerialrat im Justizministerium wurde 1854 beendet. Auf politischen Druck und unter dem Vorwand der Unvereinbarkeit von Ministerialdienst mit einer Professur („Aemtercumulirung“) wurde Hye im August 1854 von seiner Professur und dem Präsidium der Staats-Prüfungscommission enthoben. Die Thun-Hohenstein'schen Universitätsreformen hatten bereits 1849/50 zu einer ersten Entmachtung der Doktorenkollegien geführt, die im Gegensatz zu den Professoren die korporative Tradition der Universität mit „katholischem Charakter“ vertraten. Hye hatte bereits seit seiner Promotion dem juridischen Doktorenkollegium als aktives Mitglied angehört und dessen Stellung innerhalb der Universität zu verteidigen versucht. Zudem wurde 1855 ein neuer juridischer Studienplan erlassen, der das Naturrecht, zu dessen Vertretern auch Hye zählte, weitgehend zugunsten der rechtshistorischen Fächer zurückdrängte. Im Vorfeld dieser Studienreform wurden missliebige Lehrkräfte wie Hye entfernt.

Im Justizministerium avancierte Anton Hye 1857 zum Leiter der legislativen Sektion, wurde jedoch erst zwei Jahre später zum Sektionschef ernannt. In den vier Jahren seiner Leitung arbeitete er an einem großen Teil der legislativen Arbeiten des Justizministeriums und hatte damit großen Einfluss auf die gesamte Justizgesetzgebung. 1861 als Leiter der legislativen Sektion enthoben, wurde Hye gleichzeitig erneut mit der Ausarbeitung eines Strafgesetzentwurfes beauftragt.

1865 wurde er mit dem Titel eines Geheimen Rates auf die neugeschaffene Position des Generalinspektors für das Gefängniswesen berufen. Hye, der sich auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit bereits mit dem Strafvollzug auseinandergesetzt hatte, leitete in dieser Funktion eine Reform des Strafvollzugs ein.

1867 erreichte die politische Karriere Anton Hye ihren Höhepunkt, als er zum Justizminister ernannt wurde. Gleichzeitig übernahm er auch die Leitung des Ministeriums für Kultus und Unterricht, das 1860 aufgelöst und nun wiederbegründet wurde. Als Leiter des Kultusministeriums begann er diplomatische Verhandlungen mit dem Vatikan zur Revision des Konkordates von 1855 und wandte sich damit entschieden gegen dessen von liberalen Politikern geforderte Aufhebung. Gleichzeitig bereitete Hye ein interkonfessionelles Gesetz und weitere Reformen im Unterrichtsbereich vor. Für die Universität Wien war insbesondere seine Rolle bei Vorbereitungen für einen Universitätsneubau zentral: Auf seine Anregung hin bildete sich ein Universitäts-Baucomité unter Leitung des Rektors Leopold Hasner von Artha, der Hye als Leiter des Ministeriums für Kultus und Unterricht nachfolgen sollte. Bereits im Oktober 1867 wurde Julius Glasers Vorschlag beschlossen, den ehemaligen Militärparadeplatz am Ring als Bauplatz zu beantragen. Hye erwirkte 1867 zudem die kaiserliche Entschließung für den Neubau.
In seiner Rolle als Justizminister ließ Hye mehrere große Gesetzesentwürfe als Regierungsvorlagen ausarbeiten (Strafgesetz, Strafprozess-, Zivilprozess- und Konkursordnung). Mit der Strafgesetznovelle vom 15. November 1867 führte er u.a. eine Milderung des Strafvollzugs durch. Als Übergangsminister konnte Hye zudem in den letzten Tagen seiner Amtszeit die ehrenvolle Aufgabe übernehmen, das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 mitzuunterzeichnen, das eine tiefgreifende Verfassungsänderung für Österreich mit sich brachte und die Freiheit der Wissenschaft in der Verfassung verankerte. Wenige Tage später trat er vom Ministeramt zurück und am 30. Dezember 1867 folgte ihm Leopold Hasner von Artha als Unterrichtsminister nach.

1969 wurde Anton Hye zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt. Hier schloss er sich der Verfassungspartei an und leitete später als Obmann die juridische Kommission. 1869 erfolgte außerdem seine Ernennung zum Mitglied und ständigen Referenten des neugeschaffenen Reichsgerichtes – eine Aufgabe, die er bis zu seinem Tod weiterführte. Um die Rechtsprechung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes bekannt zu machen, gab Hye ab 1874 die neunbändige „Sammlung der Erkenntnisse des österreichischen Reichsgerichtes“ heraus.

An der Universität Wien wurde Anton Hye 1871/72 – als letzter nicht zu den Professoren zählender Vertreter – zum Rektor der Universität Wien gewählt. Seine Wahl war die letzte, die nach der alten Universitätsverfassung unter Einfluss der Doktorenkollegien stattfand. Seine Inauguration wurde durch eine Demonstration gegen das Ministerium Hohenwart unterbrochen. Gegen Ende seiner Amtszeit konnte Hye im Juli 1872 die kaiserliche Genehmigung von Heinrich Ferstels Plänen für das neue Hauptgebäude erreichen.

Neben seiner vielfältigen beruflichen Tätigkeit war Hye auch humanitär engagiert: Er zählte 1841 zu den Gründungsmitgliedern des juridisch-politischen Lesevereins in Wien, dessen Vorsitz er 1870 bis 1872 übernahm, fungierte ab 1868 als Obmann der Juristischen Gesellschaft in Wien sowie ab 1888 als Mitglied der Direktion des Vereins der Ersten österreichischen Sparkasse in Wien. Zudem setzte er sich für den Schutzverein für entlassene Sträflinge, das Schwarzenbergische Pensionsinstitut sowie die Studentenkonvikte ein.

Für seine Leistungen und Verdienste im Bereich der juristischen Theorie und Praxis sowie im Bildungsbereich wurde Anton Hye vielfach geehrt: Er gehörte seit 1849 der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien als korrespondierendes Mitglied an. 1853 erhielt er das Ritterkreuz des Leopoldordens und wurde im Folgejahr in den Ritterstand erhoben (mit dem an seinen Heimatort Gleink erinnernden Prädikat Glunek). 1864 wurde er zum Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde ernannt. Der Verleihung des Ordens der Eisernen Krone I. Klasse (1868) folgte 1869 die Ernennung zum Freiherrn. 1886 zeichnete die Stadt Wien ihn mit der Ehrenbürgerschaft aus und Kaiser Franz Joseph ernannte ihn zum Kanzler des Ordens der Eisernen Krone. Ein Jahr vor seinem Tod erhielt er 1893 das Großkreuz des Leopoldordens.
Für Anton Hye, der in der Familiengruft in Steinhaus bei Wels beerdigt wurde, regte das juridische Doktorenkollegium eine Gedenkfeier an, die am 5. Mai 1895 an der Universität Wien stattfand. 1899 wurde im Arkadenhof der Universität ein von Kaspar Zumbusch gestaltetes Denkmal für ihn enthüllt. 1910 benannte die Stadt Wien die Hyegasse in Wien-Landstraße (3. Bezirk) nach ihm.

Werke (Auswahl)

Sammlung der Gesetze und Verordnungen im Justizfache, 1848–1860.
Die leitenden Grundsätze der österreichischen Strafproceßordnung vom 29. Juli 1853, 1854.
Das österreichische Strafgesetz über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen und die Preßordnung vom 27. Mai 1852, 1855.
Über das Schwurgericht (7 Vorträge), 1864.

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024 - 21:19

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