Gustav Riehl sen., o. Univ.-Prof. Dr. med.

10.2.1855 – 7.1.1943
geb. in Wiener Neustadt, Österreich gest. in Wien, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Denkmal Arkadenhof 1954 Medizinische Fakultät

Die Ehrung wird 2022/23 aufgrund von Gustav Riehls Antisemitismus und seiner Involvierung in den Nationalsozialismus als „diskussionswürdig“ eingestuft. Gustav Riehl sen. gehörte bereits in den 1920er-Jahren dem „Verein deutscher Ärzte in Österreich“ an, der nur „arische“ Mitglieder aufnahm und einen Numerus Clausus für jüdische Studierende propagierte. Herbert Fuhs, während der NS-Zeit Leiter der Universitätsklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten, bezeichnete ihn als Antisemiten und dem Nationalsozialismus nahestehend. Zudem war Riehl Onkel des ersten Vorsitzenden der NSDAP in Österreich, Walter Riehl.

Funktionen

Senator Medizinische Fakultät 1911/12
Senator Medizinische Fakultät 1912/13
Senator Medizinische Fakultät 1913/14
Senator Medizinische Fakultät 1914/15
Senator Medizinische Fakultät 1915/16
Senator Medizinische Fakultät 1916/17
Senator Medizinische Fakultät 1917/18
Senator Medizinische Fakultät 1918/19
Senator Medizinische Fakultät 1919/20
Senator Medizinische Fakultät 1920/21
Rektor Medizinische Fakultät 1921/22

Gustav Johann Riehl, Sohn des Juristen und Politikers Anton Riehl und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Hefele, begann nach der Matura am Gymnasium in Wiener Neustadt 1872 ein Studium der Medizin an der Universität Wien, das er 1879 mit der Promotion zum Dr. med. abschloss. Anschließend arbeitete er zwei Jahre als Assistent an der Pathologischen Klinik von Heinrich von Bamberger sowie ab 1881 an der Klinik für Dermatologie und Syphilidologie bei Moriz Kaposi. 1885 wurde er an der Universität Wien für Dermatologie und Syphilidologie habilitiert und eröffnete eine Privatpraxis in Wien. 1889 übernahm er die Leitung der dermatologischen Abteilung des Wiedner Krankenhauses in Wien.

1896 als außerordentlicher Professor an die Universität Leipzig berufen (1901 o. Prof.), kehrte er bereits 1902 als Nachfolger Kaposis und Vorstand der I. Universitäts-Hautklinik nach Wien zurück, wo er bis zu seiner Emeritierung 1926 lehrte. Zu seinen Schülern zählten unter anderen sein Nachfolger Leopold Arzt, Wilhelm Kerl sowie sein zweiter Sohn Gustav Riehl jun., der 1940 auch seine Facharztpraxis in Wien 1, Kantgasse 3, übernehmen sollte. 

An der Universität Wien war Riehl in den Jahren 1911 bis 1921 Mitglied des Akademischen Senats und wurde für das Studienjahr 1921/22 als erster Dermatologe zum Rektor gewählt. Zudem übernahm er noch bis 1937 den Vorsitz der Kunstkommission des Akademischen Senats.

In der Tradition seiner Vorgänger Ferdinand von Hebra und Moriz Kaposi widmete sich Gustav Riehl sen. in seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem der pathologischen Histologie im Bereich der Hautkrankheiten. Mit Richard Paltauf untersuchte er Hautmanifestationen hämatologischer Erkrankungen sowie Hauttuberkulose, Leukämie, Mycosis fungoides sowie Lymphogranulomatose. Nach ihm benannt ist das Krankheitsbild der Riehl-Melanose. Als Pionier im Bereich der Strahlentherapie von Hautkrankheiten trug er zur Einrichtung einer eigenen Radiumstation im Allgemeinen Krankenhaus bei, die zu einem Anziehungspunkt für die internationale Medizin wurde. Gemeinsam mit Anton von Eiselsberg propagierte er die – ebenfalls von Hebra eingeführte – Wasserbetttherapie, indem er seiner Klinik eine Dauerbäderstation anschloss. Riehl galt auch als Fachmann für die Behandlung schwerer Verbrennungen. Im Bereich der Venerologie führte er in Wien die Salvarsantherapie Paul Ehrlichs für die Behandlung der Syphilis ein. Er war 1888 Mitbegründer und fortan Chefredakteur der „Wiener klinischen Wochenschrift“.

Antisemitismus und Nationalsozialismus

Gustav Riehl sen. hatte bereits in den 1920er-Jahren dem „Verein deutscher Ärzte in Österreich“ angehört, der nur „arische“ Mitglieder aufnahm und einen Numerus Clausus für jüdische Studierende propagierte. Zudem war Riehl Onkel des ersten Vorsitzenden der NSDAP in Österreich (1919–1923), Walter Riehl. In einem Zeitungsinterview während der Dollfuß-Diktatur distanzierte sich Gustav Riehl – zumindest offiziell – vom politischen Engagement seines Neffen: „An Anspielung auf einen Politiker gleichen Namens, bekennt Professor Riehl, daß er sich nie mit Politik beschäftigt hat, als Rektor der Universität seine Aufgabe darin erblickt hat, für alle Mitglieder der Universität in gleicher Weise zu sorgen und keiner Partei zu dienen“. (Neues Wiener Journal, 1.4.1934, S. 14).

Als Österreicher musste Gustav Riehl sen. 1933 nach der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland seine Funktion als Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft zurücklegen, 1938 wurde er aber wieder für den X. Internationalen Dermatologen-Kongress in New York zum Ehrenpräsidenten für die gesamtdeutschen Dermatologen ernannt.

Der NSDAP oder anderen NS-Organisationen trat der betagte Emeritus auch nach dem „Anschluss“ 1938 nicht bei, in Nachrufen betonten seine ehemaligen Schüler 1943 jedoch seine antisemitische Einstellung sowie seine Befürwortung des Nationalsozialismus. So schrieb ihm Leo Kumer das „Verdienst“ zu, bereits bis 1926 für eine Entfernung jüdischen Personals an der Universitätsklinik für Hautkrankheiten gesorgt zu haben: „Eine Leistung kann ihm nicht hoch genug angerechnet werden: Die Entjudung der Dermatologie. Als Assistent bei Kaposi hatte er bei den gegensätzlichen Weltanschauungen einen schweren Stand. Seine Klinik übergab er seinem Nachfolger judenrein.“ (Wiener medizinische Wochenschrift 93/8 (1943), S. 134)

Auch Herbert Fuhs, während der NS-Zeit Leiter der Universitätsklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten, bezeichnete Riehl als dem Nationalsozialismus nahestehend und berichtete, dass Riehl trotz seines hohen Alters „Umbruch und Heimkehr der Ostmark in das Grossdeutsche Reich freudig begrüsst und bis in seine letzten Tage am gewalteigen Lebenskampfe des deutschen Volkes regen Anteil genommen [habe].“ (Archiv der Universität Wien, Senat S 305.77, Nekrolog Riehl)

Beide hoben außerdem hervor, welch große Bedeutung die Verleihung der Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft durch Adolf Hitler 1942 für Riehl gehabt habe.

Ehrungen

Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Riehl vielfach geehrt: So wurde er 1916 zum Hofrat ernannt, war Ritter der französischen Ehrenlegion sowie Träger des Komturkreuzes des österreichischen Verdienstorden sowie des Franz-Joseph-Ordens, des Offiziersehrenzeichen vom Roten Kreuz, des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich sowie der Goethemedaille. Er gehörte zahlreichen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften an, war u. a. Generalsekretär und mehrfach Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (bis 1933), mehrmals Vorsitzender (ab 1935 Ehrenpräsident) der Wiener (später Österreichischen) Dermatologischen Gesellschaft und ab 1936 Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien. 1935 verlieh ihm die Stadt Wien anlässlich seines 80. Geburtstags die Goldene Salvator-Medaille, 1942 verlieh ihm Adolf Hitler anlässlich des 40. Jahrestages seiner Berufung als Ordinarius an die Universität Wien die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.

1954 wurde ihm zu Ehren ein Reliefmedaillon (gestaltet von Arnold Hartig, beauftragt durch die Professoren Leopold Arzt, Ernst Lauda, Hermann Chiari und Albert Wiedmann) im Arkadenhof der Universität Wien enthüllt.

Werke (Auswahl)

Zur Kenntniss des Pigmentes im menschlichen Haar (in: Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis 11), 1884.
Ueber die pathologische Bedeutung der Prurigo (in: Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis 11), 1884.
gem. mit Richard Paltauf: Tuberculosis verrucosa cutis – Eine bisher noch nicht beschriebene Form von Hauttuberculose (in: Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis 13), 1886.
Zur Anatomie und Aetiol. der Orientbeule (in: Vierteljahresschrift für Dermatologie und Syphilis 13), 1886.
Über Entwicklung und Forschungswege der neueren Dermatologie (Inaugurationsrede), 1921.
gem. mit Leo von Zumbusch: Atlas der Hautkrankheiten (3 Teile), 1923–1925.
​gem mit Leo Kumer: Die Radium- und Mesothoriumtherapie der Hautkrankheiten, 1924.
Zur Therapie schwerer Verbrennungen (in: Wiener Klinische Wochenschrift 38), 1925.
Über den derzeitigen Stand der Radiumbehandlung bösartiger Geschwülste, 1926.
Physik und Chemie des Radium und Mesothor für Ärzte und Studierende, 1926.

Archiv der Universität Wien, Senat S 305.77 (Nekrolog Gustav Riehl, von Herbert Fuhs).
Wiener Stadt- und Landesarchiv, 2.10.2.A1: Ärztekammer Wien, Personalakten Ärztinnen und Ärzte, Personalakt Gustav Riehl sen.
> u:monuments: Denkmal Gustav Riehl
> Wien Geschichte Wiki
> Österreichisches Biographisches Lexikon
​> Wikipedia

Katharina Kniefacz

Zuletzt aktualisiert am 03.04.2024 - 21:29

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