Helen Brooke Taussig, Univ.-Prof. Dr. med.

24.5.1898 – 20.5.1986
geb. in Cambridge, Massachusetts, Vereinigte Staaten gest. in Kennett Square, Chester County, Pennsylvania, Vereinigte Staaten

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrendoktorat Dr. med. h.c. 1964/65 Medizinische Fakultät

Helen Brooke Taussig wurde 1898 in Cambridge, Massachusetts, als Tochter des Wirtschaftsprofessors William Taussig und Edith Guild, einer Absolventin des Radcliffe Colleges, geboren. Helen besuchte zunächst die Cambridge School for Girls, wobei sie während ihrer Schulzeit stark unter Dyslexie litt. Anschließend begann sie am Radcliffe College ein Bachelorstudium, wechselte allerdings schnell an die University of California in Berkeley, wo sie ihr Studium 1923 als Mitglied der Phi Beta Kappa abschloss.

Nachdem sie an der Harvard-Universität aufgrund ihres Geschlechts kein Abschlusszeugnis für das Medizinstudium erlangen konnte, begann sie zunächst ein Studium im Bereich des Gesundheitswesens, das sie jedoch nach kurzer Zeit abbrach. Stattdessen entschied sie sich für ein Medizinstudium an der Boston Medical University. Auch dort wurde sie als Frau von ihren männlichen Kommilitonen räumlich abgegrenzt, gleichzeitig wurde ihr Talent erkannt und gefördert. Auf Empfehlung der Dozenten der Universität Boston hin wechselte sie an die Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore, wo sie 1927 ihr Medizinstudium erfolgreich abschloss.

Taussig bewarb sich nach ihrem Abschluss um ein Praktikum als Internistin, wurde jedoch abgelehnt und begann 1928 stattdessen, in der Pädiatrie des Johns-Hopkins-Krankenhauses zu arbeiten. 1930 wurde sie zur Leiterin der pädiatrischen Herzklinik, des sogenannten Harriet Lane Homes, ernannt. Diese Position behielt Taussig bis zu ihrem Renteneintritt im Jahr 1963.

Ab 1946 war sie außerordentliche Professorin für Pädiatrie an der Johns-Hopkins-Universität, bevor sie 1959 bis 1963 eine Professur in der Pädiatrie innehatte.

Auch danach forschte Taussig an verschiedenen human- und tiermedizinischen kardiologischen Projekten und beschäftigte sich zuletzt mit Herzerkrankungen bei Vögeln.

Medizinische Errungenschaften

Taussig entwickelte in Kooperation mit Dr. Alfred Blalock eine operative Methode zur Behandlung des sogenannten „Blue Baby Syndroms“, einer auch als Blausucht bezeichneten Herzerkrankung bei Babys, die durch eine Vermischung von sauerstoffreichem mit sauerstoffarmem Blut zustande kommt. 1944 wurde die Operationstechnik erstmalig erfolgreich an einem Patienten angewandt. Sie reduzierte die Todesfälle aufgrund des Blue Baby Syndroms drastisch. Die von Taussig und Blalock entwickelte Methode gehört bis heute zu den standardmäßigen Operationen.

1962 reiste Taussig in die Bundesrepublik Deutschland, um den Contergan-Skandal zu untersuchen. Gemeinsam mit anderen Ärzten kam sie zum Schluss, dass die Einnahme von Thalidomid während der Schwangerschaft ursächlich für die Vielzahl von Fehlbildungen bei Neugeborenen und Kleinkindern war. Taussig verfasste einen Artikel für das „Journal of the American Medical Association“ und wies auf die Risiken des Medikaments hin. Dies bewirkte das Verbot des Wirkstoffes für den amerikanischen Markt und bewahrte so eine Vielzahl von amerikanischen Kindern vor Fehlbildungen. 

Ertauben und Tod

Helen Taussig verlor bereits kurz nach ihrem Arbeitsbeginn im Harriet Lane Home immer mehr an Hörvermögen. Folglich nutzte sie bereits im Alter von 35 Jahren ein Hörgerät und erlernte das Lippenlesen, um die Kommunikation zu verbessern. Mit zunehmender Verschlechterung setzte sie zudem ein Gerät zur Verstärkung der Töne des Stethoskops ein. Nachdem sie schließlich vollständig ertaubt war, eignete sie sich eine Technik an, mit der sie durch das Auflegen ihrer Hände auf den Brustkorb den Herzschlag und etwaige Anomalien erkennen konnte. Die Ursache für das Ertauben Taussigs ist unbekannt. Verschiedene Quellen gehen entweder von einer Mittelohrentzündung oder einem Keuchhusten in ihrer Kindheit aus.

1986 hatte Taussig einen Autounfall. Sie erlag wenig später ihren Verletzungen im Chester County Krankenhaus in Pennsylvania. Auf ihren Wunsch hin wurde ihr Körper dem Johns-Hopkins-Krankenhaus zu Forschungszwecken übergeben. 

Ehrungen, Auszeichnungen und Mitgliedschaften

Im Laufe ihrer Karriere erhielt Helen Taussig eine Vielzahl von Auszeichnungen. 1947 wurde sie zum Chevalier Legion d’Honneur ernannt. 1954 wurde sie für herausragende medizinische Leistungen mit dem Albert Lasker Award ausgezeichnet. Präsident Lyndon B. Johnson verlieh ihr 1964 die Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten zu Friedenszeiten.

Die Kapodistrias-Universität Athen sowie die Georg-August-Universität Göttingen verliehen ihr noch vor ihrem Renteneintritt 1963 das Ehrendoktorat. Am 11. Mai 1965 wurde Helen Brooke Taussig im Rahmen des 600. Universitätsjubiläums das Ehrendoktorat der Medizinischen Fakultät der Universität Wien verliehen. Als Dekan der verleihenden Fakultät stellte Leopold Breitenecker sie als neue Ehrendoktorin vor:

„Und last not least sei Frau Professor Helen B. Taussig, geboren 1898 in Cambridge, Massachusetts, genannt. Frau Professor Doktor Taussig ist durch die Beschreibung nach ihr benannter Herzmißbildungssyndrome, durch die Beschreibung des Entstehungsmechanismus dieser Erkrankungen und durch die Anregung zur operativen Therapie dieser Veränderungen zu einer Schlüsselgestalt der modernen Medizin geworden. Frau Professor Taussig ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, besitzt viele Preise, Ehrengrade und Medaillen. Das wissenschaftliche Werk umfaßt zahlreiche Veröffentlichungen neben ihrem Buch über angeborene Mißbildungen des Herzens.“
(Die Sechshundertjahrfeier der Universität Wien. Offizieller Festbericht, Wien 1965, S. 50)

 

Taussig war Mitglied der Association of American Physicians, des American Board of Pediatrics und des American College of Cardiology, in dem sie ab 1970 außerdem Ehrenmitglied war.

Besonders herausragend war ihre Tätigkeit bei der American Heart Association. Sie war die erste Frau, die in der 40-jährigen Geschichte der Vereinigung zur Präsidentin gewählt wurde.

Erinnerungskultur auf Social Media

Neben diesen klassischen Ehrungen und Würdigungen werden auf verschiedenen Plattformen der Sozialen Medien wie Soundcloud oder Instagram regelmäßig Beiträge veröffentlicht, die über ihr Wirken informieren.

Die Hopkins Medical Archives veröffentlichten auf Soundcloud zwei Podcasts zu Taussig. Die erste Audiodatei ist ein Mitschnitt einer von ihr gehaltenen Vorlesung zur Operationstechnik des Blue Baby Syndrom. Die zweite Datei ist ein anlässlich des 79. Geburtstags von Taussig geführtes Interview, in dem sie auf ihr Wirken als Ärztin, aber auch ihr Privatleben zurückblickt.

Auch die Cambridge Historical Commission sowie die American Heart Association würdigen Taussig auf ihren Instagram-Kanälen. Letztere bezeichnete Taussig aufgrund ihres fachlichen Wirkens als Mutter der Kardiologie.

Susanna Sauerbier

Zuletzt aktualisiert am 21.03.2025 - 11:48

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