Rudolf Pöch, Univ.-Prof. Dr.
Ehrungen
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
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Denkmal Arkadenhof | 1933 | Philosophische Fakultät |
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Ehrentafel-Fakultät | 1956 | Philosophische Fakultät |
Rektor Johannes Radon regte im Februar 1955 an, wieder Namen von berühmten Mitgliedern des Lehrkörpers in die Ehrentafeln der Fakultäten einzutragen. Prof. Josef Weninger, ein Schüler Rudolf Pöchs, legte am 25. März 1955 den Antrag vor, Pöchs Namen in die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät aufzunehmen:
Der Antrag wurde gemeinsam mit sieben weiteren Anträgen der Philosophischen Fakultät am 30. Juni 1955 vom Akademischen Senat der Universität angenommen. Die Eintragung, die mit der Erweiterung von einer auf zwei Tafeln verbunden war, wurde im Frühjahr 1956 durchgeführt. |
Die Ehrungen werden 2022/23 aufgrund von Rudolf Pöchs zweifelhaften Akquisitionsmethoden während seiner ethnologischen Forschungsreisen als „diskussionswürdig“ eingestuft. Derzeit laufen mehrere einschlägige Projekte mit Restitutionsvorhaben aus den Beständen der Sammlung des Departments für Evolutionäre Anthropologie der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien.
- Anthropologie
- Ethnographie
- Philosophische Fakultät
Rudolf Pöch (1870–1921) gilt als Wegbereiter der Anthropologie an der Universität Wien. Seine Reputation beruhte einerseits auf seinem Quarantäneeinsatz zur Behandlung von Pestkranken in Wien 1898 und andererseits auf den ausgedehnten Forschungsreisen, die er mit Finanzierung der Akademie der Wissenschaften sowie unterstützt von den jeweiligen Kolonial- und Polizeiverwaltungen 1904–1906 nach Neu-Guinea und Australien sowie 1907–1909 ins südliche Afrika unternahm. Neben Vermessungen an den lokalen Bevölkerungen stand dabei sprachliche und ethnologische Quellensammlung im Vordergrund. Auch wenn Pöchs Ruf als „Medienpionier“ mittlerweile revidiert werden muss, zählen die von ihm gemachten Tonaufnahmen und Filme zu den frühesten ihrer Art. Seine reichhaltigen ethnographischen und anthropologischen Kollektionen verwertete er gezielt für den Aufbau seiner akademischen Karriere.
Pöch war der Sohn des Direktors der Carl Ludwigs-Bahn in Galizien. Er studierte zunächst ab 1888 Jus, dann ab 1889 Medizin an der Universität Wien, 1891 vorübergehend in Zürich und promovierte 1895 zum Dr. med. Während eines Studiensemesters in Zürich schloss er sich der rassenhygienisch geprägten Anti-Alkoholbewegung an. Seit 1896 arbeitete er als Assistenzarzt im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Ab 1900 absolvierte er Forschungsaufenthalte im Museum für Völkerkunde in Berlin sowie am Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. Nach Rückkehr von seinen Forschungsaufenthalten in Übersee habilitierte er sich 1910 als Privatdozent für Anthropologie an der Universität Wien, 1913 wurde er außerordentlicher Professor für Anthropologie und Ethnographie, promovierte 1915 an der Universität München zum Dr. phil. mit einer Schädelstudie über Neu-Süd-Wales und wurde 1919 schließlich ordentlicher Professor auf dem neu geschaffenen Lehrstuhl für Anthropologie. Von 1915 bis Kriegsende praktizierte er Vermessungen an zahlreichen Kriegsgefangenen in Lagern der sog. Mittelmächte, um deren „Rassenzugehörigkeit“ im Sinn der zeitüblichen physischen Anthropologie zu bestimmen.
Pöchs Forschungsreisen nach Ozeanien und Afrika dienten dem Studium sog. „aussterbender Rassen“, die man evolutionär nahe an den Anfängen der Menschheit angesiedelt sah und deren traditionelle Lebensformen als durch Kolonialismus und Modernisierung „bedroht“ galten. Sie der Forschung noch rechtzeitig zugänglich zu machten, war ein verbreiteter Diskurs, an dem sich auch Pöch beteiligte („Rettungsanthropologie“). Neben Vermessungen stand für ihn sowohl in Papua-Neuguinea als auch im heutigen Namibia und in Südafrika die Beschaffung menschlicher Überreste (Skelette, Schädel, Knochen) im Vordergrund. Pöch selbst oder von ihm bezahlte lokale Agenten gruben u. a. frisch verstorbene Leichen aus Gräbern aus, teilweise unter Protest der Angehörigen und unter Androhung von Gewalt. Die solcherart angelegten „anthropologischen Sammlungen“ wurden – teils unter Missachtung lokaler Vorschriften – nach Österreich-Ungarn verschifft, um hier der „Rassenforschung“ zugänglich gemacht zu werden.
Die Gemeinde Wien widmete Rudolf Pöch 1921 ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof und ehrte ihn 1931 durch eine Straßenbenennung Wien 14, die bei der Überprüfung 2013 als „Fall mit Diskussionsbedarf“ eingestuft wurde. In der Universität Wien wurde 1933 ein Denkmal im Arkadenhof für Pöch errichtet und 1956 wurde sein Name in die Ehrentafel der Philosophischen Fakultät eingetragen.
Im Kontext von Provenienzforschung hinsichtlich anderer problematischer Sammlungen von menschlichen Überresten (z. B. Reischek) kam es ab den frühen 2000er-Jahren auch im Hinblick auf Rudolf Pöch zu einer vermehrt kritischen Sichtweise, die vor allem auf die zweifelhaften Akquisitionsmethoden während seiner Forschungsreisen verwies. Bereits 2009 und 2011 wurden über 30 von Pöch gesammelte Schädel indigener Australier restituiert. Ein Jahr darauf erfolgte die Rückgabe der Überreste eines Landarbeiterehepaars, Klaas und Trooi Pienaar, an Südafrika. Anlässlich ihrer feierlichen Wiederbestattung in einem Ehrengrab in Kuruman im August 2012 sprach die österreichische Bundesregierung eine formelle Entschuldigung für die Beschaffungsmethoden Pöchs aus, die vom südafrikanischen Staatspräsidenten als „opportunity to strengthen the bonds of friendship and solidarity between our two countries“ angenommen wurde. Weitere Rückgaben aus den Pöch-Sammlungen sind derzeit – nach erfolgter Klärung der Provenienz – in Durchführung.
Die heutige Problematisierung Pöchs und der ihm zuteil gewordenen Ehrungen resultiert zum einen aus seiner Verankerung in einem damals vielleicht zeitüblichen, im Verlauf des 20. Jahrhunderts aber diskreditierten (und auch wissenschaftlich widerlegten) rassistischen Theoriesystem. Zum anderen verstört Pöchs systematische Nutzung von und Beteiligung an kolonialen Gewaltkontexten zugunsten vorgeblich „höherer“ Interessen der Wissenschaft, d. h. die Ausblendung ethischer Überlegungen auch aus seiner Praxis als Forscher.
Archiv der Universität Wien, Rektorat GZ 6 ex 1954/55, Philosophische Fakultät GZ 1672 ex 1954/55.
Zuletzt aktualisiert am 22.01.2024 - 23:35