Theodor Meynert, o. Univ.-Prof. Dr.

15.6.1833 – 31.5.1892
geb. in Dresden, Deutschland gest. in Klosterneuburg, Österreich

Ehrungen

Ehrung Titel Datierung Fakultät
Ehrentafel-Fakultät 1893 Medizinische Fakultät

Die Ehrentafeln der Fakultäten in den Seitenaulen des Hauptgebäudes der Universität Wien wurden am 24. Mai 1893 enthüllt. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Ehrentafel der Medizinischen Fakultät eine Liste von 33 Namen von berühmten Schülern der Universität Wien, darunter jenen von Theodor Meynert. Die Liste war für die Fakultät von Prof. August Emil Vogl bzw. im Auftrag des Senats von Universitätsarchivar Karl Schrauf zusammengestellt worden.

Denkmal Arkadenhof 1901 Medizinische Fakultät

Leben und Karriere

Theodor Meynert wurde am 15.06.1833 in Dresden als Sohn des Schriftstellers, Kritikers und Geschichtsschreibers Hermann Günther Meynert und dessen Frau Marie Meynert (geb. Emmering) geboren. 1836 übersiedelte die Familie nach Wien, da Hermann Meynert eine Stelle als Publizist und Kritiker bei der Wiener Theaterzeitung antrat.

Nach Absolvierung seiner Reifeprüfung begann Theodor Meynert mit dem Studium an der Universität Wien und wurde dort am 29.01.1861 zum Doktor der Medizin promoviert. Unter seinem Förderer, dem Pathologen Carl  Freiherr von Rokitansky habilitierte sich Meynert im Jahr 1865 mit Bau und Leistung des Gehirnes und Rückenmarkes mit Beziehung auf deren Erkrankungen für das neu geschaffene Lehrfach Neuropathologie. Einhergehend mit seiner Habilitation erhielt er im Jahr 1866 die Stelle eines Sekundararztes und Prosektors an der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt unter Josef Gottfried Ritter von Riedel.

1867/68 gründete er gemeinsam mit Maximilian Leidesdorf sowohl die Vierteljahresschrift für Psychiatrie, als auch den Verein für Psychiatrie und forensische Psychologie. Seine Venia legendi wurde 1868 auf das Fach Psychiatrie ausgeweitet.

1870 wurde Meynert im Alter von 37 Jahren zum außerordentlichen Professor für Psychiatrie der Universität Wien und gleichzeitig zum Vorstand der neu errichteten I. Psychiatrischen Klinik an der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt in Wien ernannt. Er leitete somit diese neue Abteilung, fungierte jedoch nicht als Direktor der gesamten Anstalt. 1873 folgte die Bestellung zum ordentlichen Professor für Psychiatrie an der Universität Wien. In diesem Jahr kam es auch zum Bruch zwischen Meynert als Vertreter der Universitätspsychiatrie und Ludwig Schlager als Vertreter der Anstaltspsychiatrie.

Meynert vertrat als Gehirnanatom vehement eine naturwissenschaftliche, auf pathologisch-anatomischer Grundlage betriebene Psychiatrie, womit er im kompletten Gegensatz zu den Ansichten Schlagers stand, der als Verfechter einer psychologisch-humanitären Richtung der Psychiatrie galt. Die Zugänge waren derart konträr, dass Meynert die Leitung der I. Psychiatrischen Klinik abgab. Schlager wurde daraufhin zum Direktor der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt bestellt. 1875 trat Maximilian Leidesdorf die Nachfolge Meynerts als Vorstand der I. Psychiatrischen Klinik an. Meynert wiederum wurde Vorstand der neu geschaffenen II. Psychiatrischen Klinik am Allgemeinen Krankenhaus.

Meynert, der bereits einige Jahre vor seinem Ableben immer wieder an Schwindelanfällen und damit einhergehenden Sprachstörungen und Teillähmungen litt, sah sich im April 1892 krankheitsbedingt gezwungen, die Leitung der Klinik an Richard von Krafft-Ebing abzugeben. Theodor Meynert starb nach einer akuten Lungenaffektion am 31.05.1892 in Klosterneuburg.

Schaffen und wissenschaftliche Bedeutung

Meynert galt zu seiner Zeit als einer der führenden europäischen Neuroanatomen. Zu seinen Studenten und Mitarbeitern gehörten unter anderem Sigmund FreudAuguste Forel und Carl Wernicke.

Theodor Meynert vertrat die Meinung, dass alle menschlichen Verhaltensweisen auf anatomische und physiologische Abläufe zurückzuführen seien. Indem er versuchte, die Psychiatrie als naturwissenschaftliches Fach zu etablieren, wollte er ihr den Charakter des Spekulativen und Romantischen nehmen, von dem sie im 19. Jahrhundert stark geprägt war. Die pathologische Anatomie des Gehirns sollte als Grundlage der Psychiatrie verstanden werden und somit als Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung von Geisteskrankheiten dienen. Doch Meynerts Ansichten wurden durchaus kritisiert. Vor allem unter den Anstaltspsychiatern wurde die Meinung vertreten, dass ein pathologischer Anatom, der sich mehr der Gehirnforschung als den tatsächlichen Patienten widme, kein richtiger Psychiater sei.

Und tatsächlich lag Meynerts Priorität zweifellos in der neuropathologischen Forschung. Es gelang ihm, eine Übersicht über die Fasersysteme im Gehirn zu erstellen. Erstmals konnte durch seine Forschung die Verschiedenartigkeit der einzelnen Hirnrindenregionen mit zum Teil typischen Zellformen nachgewiesen werden. Meynert wurde dadurch zum Begründer der sogenannten Zytoarchitektonik, die die Anordnung und den Aufbau der Nervenzellen im Bereich der Großhirnrinde beschreibt.

Seine Forschungsergebnisse bildeten die Grundlage für nachkommende Neuroanatomen wie etwa Korbinian Brodmann oder Constantin Alexander Economo Freiherr von San Serff, der sein 1925 erschienenes bahnbrechendes Werk Die Zytoarchitektonik der Großhirnrinde des erwachsenen Menschen dem Andenken an Theodor Meynert widmete.

Manuela Bauer

Zuletzt aktualisiert am 27.01.2023 - 16:42

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