Die Leitung der Universität vom 14. bis zum 19. Jahrhundert

Rektor – Konsistorium – Akademischer Senat
1365–19th Cent.

Magnifice Domine Rector et Venerabile Consistorium: Diese Anrede, die sich auf vielen Schriftstücken der Frühen Neuzeit findet, benennt die obersten Entscheidungsträger der Universität: Der Rektor als gewähltes Oberhaupt der Hochschule, der gemeinsam mit dem Konsistorium, das aus den Leitern der einzelnen Teilkorporationen bestand, die Amtsgeschäfte führte.

Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Universität bestand aus verschiedenen Teilkorporationen wie Fakultäten oder Nationen, die jede für sich eine eigene Rechtspersönlichkeit darstellten. Die Teileinheiten führten einerseits ihre eigenen Amtsgeschäfte, waren aber über die Dekane und Prokuratoren auch an der Gesamtadministration der Universität beteiligt. An der Spitze der Gesamtkorporation stand ein auf Zeit gewählter Leiter der „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“, der als Rektor bezeichnet wurde.

Wahl und Amtsbefugnisse des Rektors –  Primus inter pares

An der Universität Wien wurde der Rektor semesterweise gewählt – am Tag der Heiligen Tiburtius und Valerianus (14. April) für das Sommersemester und am St. Kolomanstag (13. Oktober) für das Wintersemester. 1629 wurde die Amtsperiode auf ein ganzes Studienjahr ausgedehnt; die Wahl fand zunächst am St. Leopoldstag (15. November) und ab 1660 am St. Andreastag (30. November) statt. Die Wahl wurde durch die Prokuratoren der vier akademischen Nationen vorgenommen. Um eine möglichst gleichmäßige Beteiligung der vier Fakultäten an der Universitätsleitung zu gewährleisten, sollte das Rektorat turnusmäßig wechseln; nur Ordensgeistliche waren davon ausgeschlossen. Diese Regelung wurde ab dem 16. Jahrhundert ebenso aufgeweicht wie die Beschränkung des Rektorsamtes auf Unverheiratete. Mit dem Juristen Ulrich Gebhardt wurde im Sommersemester 1534 der erste Verheiratete zum Rektor gewählt.

Der Rektor war der oberste Vertreter der Universität nach außen. Im Inneren leitete er die Universitätsversammlung beziehungsweise das Konsistorium. Er übte die Gerichtsbarkeit über die Universitätsangehörigen aus und führte die Geschäftsbücher der Hochschule. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Rektor mit dem ehrenden Beiwort „Magnificus“ angesprochen, das sich bis heute in der Anrede „Magnifizenz“ erhalten hat.

Trotz dieser Fülle an Befugnissen war der Rektor kein absoluter Herrscher im akademischen Reich, sondern Primus inter pares: Neben den Teilkorporationen, die an den Amtsgeschäften der Universität Anteil nahmen, suchten sowohl die Kirche als auch der Landesfürst über ihre Vertreter Einfluss auf die Universität auszuüben.

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Der Universitätskanzler

Die mittelalterlichen Universitäten waren kirchliche Einrichtungen, weshalb der örtliche Bischof oder ein von diesem bestimmter Vertreter  ein Aufsichtsrecht über die Hochschule hatte. An den meisten europäischen Universitäten war diese Beaufsichtigung eine reine Formsache oder starken Einschränkungen unterworfen.

In Wien bekleidete der Dompropst von St. Stephan das Amt des Universitätskanzlers. Seine Hauptbefugnis war die Überwachung der Prüfungen und die Erteilung der Lehrbefugnis an die Lizenziats- und Doktoratskandidaten. Vielfach übertrug der Kanzler diese Aufgabe einem Stellvertreter, was zu Auseinandersetzungen mit der Universität führte, da diese Vizekanzler teilweise nicht selbst graduiert waren. Zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen Kanzler und Universität kam es zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als der Dompropst Paul von Oberstein den Vortritt vor dem Rektor sowie das Recht, diesen einzusetzen, für sich beanspruchte. Im Zuge der Bekämpfung reformatorischen Gedankenguts übernahm der Kanzler die Kontrolle der Universitätsangehörigen: Seit 1581 nahm er den zu Graduierenden das katholische Glaubensbekenntnis und seit 1649 den Eid auf das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens ab. Im 18. Jahrhundert wurden die Befugnisse des Kanzlers durch die Abschaffung des alten Promotionseides und des katholischen Glaubensbekenntnisses deutlich beschnitten. 1873 wurde das Amt auf die Katholisch-theologische Fakultät beschränkt.

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Der landesfürstliche/kaiserliche Superintendent

Die Anfänge dieses landesfürstlichen Kontrollamtes hängen mit der ersten Dotierung der Universität durch Herzog Wilhelm zusammen: Nachdem er 1405 der Universität jährlich 800 Gulden aus den Einkünften der Maut von Ybbs angewiesen hatte, legte er fest, dass die Verwaltung und Verteilung von einem von ihm bestimmten Vertrauensmann vorgenommen werden sollte. Allerdings wurde der Universität das Recht eingeräumt, selbst einen Kandidaten zu bestimmen.

Dieser Beamte wurde zunächst als „Konservator“, später als „Superintendent“ bezeichnet. Da die Administratoren diverser Einzelstiftungen ebenfalls Superintendenten genannt wurden, wurde ersterer als „landesfürstlicher“, später vor allem als „kaiserlicher Superintendent“ bezeichnet.

Durch die Reformgesetze Ferdinands I. wurde seine Position erheblich gestärkt: Seit 1533 waren Veränderungen der Stiftungskapitalien an seine Zustimmung gebunden, 1537 wurde ihm die Kontrolle des gesamten universitären Finanzwesens übertragen. Die 1556 erlassene Instruktion für den Superintendenten definierte die Finanzadministration als seine Hauptaufgabe. Da dazu auch die Auszahlung der Professorengehälter zählte, kontrollierte er auch die Tätigkeit der Universitätslehrer. 1754 wurde das Amt aufgehoben, nachdem seine Aufgaben auf die Studiendirektoren der Fakultäten sowie auf den Universitätskassier übergegangen waren.

Von der Universitätsversammlung zum Konsistorium

In den Anfängen der Universität wurden Entscheidungen von sämtlichen Doktoren und Lizenziaten getroffen. Die Abstimmung über die Geschäftsfälle wurde nach Fakultäten getrennt vorgenommen; für die Beschlussfassung war Stimmenmehrheit notwendig. Bakkalare, Studenten und akademische Bürger waren in der Regel weder stimmberechtigt noch zu den Versammlungen zugelassen. Lediglich bei Abstimmungen über Geldzahlungen, die von der Universität zu leisten waren, war das Votum sämtlicher Universitätsangehörigen zugelassen.

Neben der allgemeinen Universitätsversammlung gab es das Konsistorium, das ursprünglich in erster Linie Gerichtsfälle verhandelte. Ihm gehörten neben dem Rektor die Dekane und Senioren der vier Fakultäten sowie die Prokuratoren der akademischen Nationen an. Im Laufe der Zeit delegierte die Universitätsversammlung zunehmend mehr Geschäftsfälle an das Konsistorium, das dadurch an Bedeutung gewann. 1481 verfügte die Universitätsversammlung, dass Beschlüsse des Konsistoriums Beschlüssen der Gesamtversammlung gleichrangig seien. Im Zuge der Universitätsreformen unter Ferdinand I. wurde das Konsistorium 1534 als zentrales Gremium der Universität bestätigt. Außerdem erhielten der Universitätskanzler und der landesfürstliche Superintendent Sitz und Stimme im Konsistorium. Gemeinsam mit dem Rektor wurden sie als „konsistoriale Würdenträger“ (proceres consistorii) bezeichnet.

Das Konsistorium war Ansprechpartner für diverse Hof- und Regierungsbehörden und Adressat für deren Dekrete. Die darin behandelten Anliegen wurden entweder direkt im Konsistorium entschieden oder zur Begutachtung an die Fakultäten weitergeleitet; die Ergebnisse wurden wieder vom Konsistorium an die jeweilige Behörde übermittelt.

Mit der Inkorporation des Jesuitenkollegs in die Universität und die dadurch erfolgte Unterstellung der Philosophischen und Theologischen Fakultät unter den Orden erhielt auch der Rektor des Jesuitenkollegs einen Platz im Konsistorium; er war allerdings sowohl aktiv als passiv von der Rektorswahl ausgeschlossen.

Änderungen im 18. und 19. Jahrhundert

Die von Gerhard van Swieten angeregten Reformen führten nicht nur zu massiven Änderungen in der Lehre, sondern auch in der Administration. Neben Änderungen in der Führung der Fakultäten oder in der Finanzverwaltung der Hochschule war auch die Universitätsleitung davon betroffen. Das Konsistorium, das bisher für die gesamte Administration zuständig war, wurde 1752 in zwei Teilinstitutionen aufgeteilt: Das „Konsistorium für Justizangelegenheiten“ bestand aus Rektor und Prokurator aus der Juridischen Fakultät (amtierend oder ehemalig), dem Dekan sowie aus sechs vom Landesfürsten ernannten Advokaten, die als Beisitzer fungierten. Hier wurden die Zivil- und Strafrechtsfälle der Universität verhandelt. Das „Ordentliche Konsistorium“, dem der aktuelle Rektor, die Studiendirektoren der Fakultäten sowie – wie früher – die Dekane, Senioren und Prokuratoren angehörten, war für die übrigen Angelegenheiten zuständig. Diese Trennung wurde durch die Aufhebung der universitären Gerichtsbarkeit 1784 überflüssig.

Im 19. Jahrhundert erfolgten durch die von Leo Graf Thun-Hohenstein initiierten Reformen erneut tiefgreifenden Änderungen in der Organisation der akademischen Behörden, die auch die Universitätsleitung betrafen. Die wichtigsten Veränderungen ergaben sich bei der Wahl des Rektors und der Zusammensetzung des Konsistoriums, das zunehmend als „Akademischer Senat“ bezeichnet wurde.

Durch die Aufhebung der akademischen Nationen 1849 konnte die Rektorswahl nicht mehr durch die Prokuratoren erfolgen. Die Wahl wurde nun vom Konsistorium vorgenommen. Dieses bestand neben dem Rektor und dem Prorektor (Vorgänger des amtierenden Rektors) aus den Dekanen und Prodekanen sowie aus Vertretern des Professorenkollegiums und bis 1873 des Doktorenkollegiums. Während der Rektor (und auch die Dekane) weiterhin jedes Studienjahr neu gewählt wurden, war die Amtsperiode der im Senat vertretenen Professoren drei Jahre. Der Akademische Senat war weiterhin für sämtliche Studien-, Disziplinar- und Verwaltungsagenden zuständig.

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