Organisatorische Strukturen im historischen Wandel
Bereits in der Gründungsurkunde 1365 wurde für die Wiener Universität ein organisatorischer Rahmen festgelegt, dessen wesentliche Bestimmungen jahrhundertlang nur wenig modifiziert in Geltung blieben. Vorbild war die hohe Schule in Paris. Erst die Reformen des 19. und 20. Jahrhunderts setzten die Gültigkeit dieser „Universitätsverfassung“ de facto außer Kraft, wenn auch die mittelalterliche Terminologie (Fakultät, Dekan, Rektor) – nicht nur in Wien – weiterhin gebräuchlich ist.
In der Gründungsurkunde festgelegt wurden etwa die Gliederung in vier, von Dekanen geleitete Fakultäten (die Realisierung der theologischen Fakultät gelang jedoch erst 1384), die Einteilung aller Universitätsangehörigen (auch der Studenten) in vier „akademische Nationen“, deren Vorsteher (Prokuratoren) den Universitätsrektor wählten, oder die Aufgaben des Universitätskanzlers, der zugleich Propst des Domkapitels bei St. Stephan war. Dem Rektor wurde die Gerichtsbarkeit über alle Universitätsangehörigen („supposita“) übertragen. Diese akademische Gerichtsbarkeit wurde erst unter Kaiser Joseph II. 1783 abgeschafft, sollte jedoch noch lange danach die Auffassung begründen, dass „akademischer Boden“ von der Polizei nicht betreten werden darf.
Die Bestätigung der Universitätsgründung durch Herzog Albrecht III. im Jahr 1384, der als jüngerer Bruder Rudolfs IV. auch die Gründungsurkunde mitbesiegelt hatte, wiederholte viele Bestimmungen, brachte jedoch auch einige Neuerungen. Die Einteilung der vier akademischen Nationen wurde in einer Weise geändert, die bis in das frühe 19. Jahrhundert Bestand hatte. Während 1365 verfügt wurde, dass der Rektor immer aus dem Kreis der Magister der Artistenfakultät gewählt werden musste, so sollten nun Angehörige aller Fakultäten wechselweise in dieses Amt gewählt werden. Mit der Einrichtung des „collegium ducale“ (Herzogskolleg) schuf der Herzog auch eine finanzielle und infrastrukturelle Basis, die den Fortbestand der Universität sicherte und den päpstlichen Beschluss, die Errichtung einer theologischen Fakultät zu gewähren, begünstigte.
Innerhalb dieses organisatorischen Rahmens besaß die Universität das Recht, sich eigene Statuten zu geben. Erst der erwachende Staat der frühen Neuzeit nahm sich das Recht, in den Ablauf des Universitätsbetriebs und in das Studium verstärkt einzugreifen, etwa mit der Aufwertung des landesfürstlichen Superintendenten, der im Universitätskonsistorium sicherstellen sollte, dass keine Beschlüsse gegen den Willen des Landesfürsten gefasst wurden. Die von den Universitätsgründern nach dem Pariser Vorbild geschaffenen Strukturen blieben jedoch weitgehend unangetastet. Selbst die Reformer des 18. Jahrhunderts zogen es vor, daran nichts grundsätzliches zu verändern; statt dessen schufen Sie entlang der gegebenen Fakultätsgliederung staatlich beamtete Studiendirektoren, die der Aufsicht und Kontrolle des Studienbetriebs dienten. Die von der Fakultät gewählten Dekane wurden in ihrem Wirkungsbereich beschnitten, jedoch nicht abgeschafft.
Erst die Universitätsreformen ab dem Jahr 1849 setzten die „Universitätsverfassung“ der Gründungsphase de facto außer Kraft (eine formale Aufhebung gab es jedoch nicht). Die akademischen Nationen wurden aus dem Universitätsverband ausgeschieden, was auch einen neuen Modus der Rektorswahl erforderte. Die Fakultäten bestanden nun nicht mehr aus allen graduierten Mitgliedern, sondern aus den Professoren („Ordinarienuniversität“). Mit der Errichtung von Seminaren und Instituten vollzog sich die Institutionalisierung von Wissenschaftsdisziplinen. 1922 stieg die Zahl der Fakultäten auf fünf, als die zunächst außerhalb des Universitätsverbandes existierende evangelisch-theologische Fakultät eingegliedert wurde.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde der im Mittelalter festgelegte Rahmen der Fakultätengliederung gesprengt, und seit dem Universitätsgesetz 2002 besitzt die Universität das Recht, die Einrichtung von Fakultäten und Zentren weitgehend nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.