Das Archiv der Universität Wien

Von der Schatztruhe zum klimatisierten Depot, vom Findbuch zum elektronischem Inventar
1388–21th Cent.

Nahezu zeitgleich mit der Gründung der Universität Wien wurde auch ein Archiv eingerichtet. Die Form dieses Archivs, die Räumlichkeiten, seine Zuständigkeiten sowie die Stellung innerhalb der Gesamtuniversität änderten sich im Laufe der Zeit ebenso wie die Aufgaben und Ausbildung der für das Archiv zuständigen Personen.

Im Stiftbrief vom 12. März 1365 verfügte Rudolf IV., dass die Urkunden, Privilegien und Siegel der neugegründeten Universität in einer mit mehreren Schlössern gesicherten Truhe zu deponieren seien. Die Schlüssel sollten vom Rektor, den Dekanen, den Prokuratoren der Akademischen Nationen und dem Universitätskanzler verwahrt werden. Diese Art der Aufbewahrung entsprach dem typisch mittelalterlichen „Schatzarchiv“, das in erster Linie der Rechtssicherung diente.

Nach dem Tod Rudolfs wurden die Stiftbriefe zunächst in der Allerheiligenkapelle des Stephansdoms verwahrt, da der Universitätskanzler gleichzeitig Propst des Kapitels war. Als Geburtsjahr des Universitätsarchivs kann das Jahr 1388 bezeichnet werden: Am 8. April verbuchte der Rektor Ausgaben für die Anschaffung einer eisenbeschlagenen Truhe mit drei Schlüsseln. Die Einweihung erfolgte am 16. April, als der Rektor in Anwesenheit der Dekane und der Kollegiaten des Herzogskollegs die Universitätsurkunden in dieser Truhe deponierte. Den Abschluss der Zeremonie bildete ein gemeinsamer Umtrunk. Die Truhe bzw. weitere Truhen wurden im Herzogskolleg verwahrt.

Nicht nur die Gesamtuniversität, sondern auch die Fakultäten, Nationen sowie die größeren Bursen verwahrten ihre Dokumente und Wertsachen in derartigen Truhen, die teilweise in eigenen Häusern, teilweise im Archivraum der Universität deponiert wurden. Seit den 1630er Jahren befand sich dieser Archivraum im Domus Universitatis.

Das Archiv als Anhängsel der Professur der Heiligen Schrift

Generell ist über die Frühzeit des Universitätsarchivs nicht viel bekannt. Bis auf wenige kaum aufschlussreiche Vermerke sind keine Ordnungskriterien oder Inventare überliefert. Erwähnt wurden das Archiv sowie die ihm vorgelagerte Kanzleiregistratur meist nur, um die dort herrschende Unordnung zu beklagen. Dennoch dauerte es bis zum Jahr 1708, bis erstmals ein Universitätsarchivar aktenkundig wurde: In diesem Jahr legte P. Ambrosius Vernis eine umfassende Beschreibung der Universitätsstiftungen und -benefizien an. Im 18. Jahrhundert war das Amt des Archivars an die Professur der Heiligen Schrift gebunden.

Diese Zuordnung änderte sich erst im 19. Jahrhundert: 1834 wurde Anton von Hye zum Universitätsarchivar ernannt. Er hatte zuvor bereits das Archiv der Juridischen Fakultät erschlossen. Als Universitätsarchivar ordnete er auf Basis früherer Inventare die Urkunden der Universität und der Stiftungen (als Universitätsarchivar war er auch für die Administration der Stiftungen verantwortlich). Diese von Hye in einem umfangreichen Repertorium verzeichneten Dokumente bilden heute das sogenannte „Alte Universitätsarchiv“.

Etablierung eines universitären Zentralarchivs

In den 1870er Jahren wurden wichtige Schritte zur Schaffung eines universitären Zentralarchivs unternommen – nach wie vor hatten die Fakultäten und Nationen eigene Archive. Wesentlich beteiligt daran war Theodor von Sickel, der vom Rektor mehrfach als Sachverständiger für sachgerechte Lagerung von Kanzlei- und Archivgut sowie für den Ankauf von Archivgut herangezogen wurde. 1874 wurde auf seinen Vorschlag der Piarist Karl Schrauf als Hilfskraft für den vielbeschäftigen Archivar Hye eingestellt. Damit wurde erstmals ein ausgebildeter Archivar in das Universitätsarchiv berufen. Neben der Ordnung der Kanzleiregistratur bemühte sich Schrauf, die bei den Fakultäten und Nationen verstreuten Archivbestände in das Universitätsarchiv zu übernehmen. Er öffnete das Archiv für die (historisch) interessierte Öffentlichkeit, seine eigenen Forschungen betrafen v.a. die mittelalterliche Universitätsgeschichte. Nach dem Tod Hyes 1894 wurde Schrauf, der schon vorher den Großteil der täglichen Archivarbeit geleistet hatte, zum Universitätsarchivar ernannt.

Sein Nachfolger Arthur Goldmann (1863–1942) setzte die Ordnungs- und Erschließungsarbeiten fort, im Gegensatz zu Schrauf beschäftigte er sich eher mit der frühneuzeitlichen Universitätsgeschichte. Seine Tätigkeit an der Universität war überschattet von wiederkehrenden Anfeindungen, die wohl dem an der Universität Wien etablierten „deutsch-völkischen“ Antisemitismus geschuldet waren.

Schrauf und Goldmann waren ebenso wie ihre Nachfolger Fritz Reinöhl (1889–1969) und Walter Goldinger (1910–1990) „nebenberufliche“ Universitätsarchivare, in erster Linie waren sie Mitarbeiter des Österreichischen Staatsarchivs.

Universitätsgeschichtliche Forschungen am Archiv

1953 wurde mit Franz Gall erstmals ein hauptamtlicher Universitätsarchivar ernannt. Er baute das Archiv zu einer Forschungsstelle für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte aus, u.a. wurden die Archivbibliothek sowie Sammlungen zur Universitätsgeschichte aufgebaut. Zum 600-Jahr-Jubiläum der Universität erschien die Edition des ersten Bandes der Universitätsmatrikel, der bis zum Tod Galls vier weitere Bände folgten.

Unter seinen Nachfolgern Kurt Mühlberger (*1948) und Thomas Maisel (*1959) wurde die Edition bis zum Jahr 1778 fortgesetzt. Mühlberger gründete gemeinsam mit dem Universitätsdirektor Franz Skacel und dem Historiker Günther Hamann eine eigene Schriftenreihe.

1979 übersiedelte das Archiv, das seit 1884 im Hauptgebäude am Ring untergebracht war, in die Postgasse und kehrte somit an den ältesten Universitätsstandort zurück. Hier wurden ab 2000 zusätzliche Depotflächen durch die Adaption von Kellerräumen geschaffen. In den folgenden zwanzig Jahren wurden diese jedoch durch zahlreiche Massenablieferungen wieder fast vollständig belegt. Abhilfe soll durch weitere Depotflächen im voraussichtlich 2024 fertig gestellten Bibliotheksdepot in Floridsdorf geschaffen werden.

Einsatz digitaler Hilfsmittel

Seit 2002 ist im Universitätsarchiv ein von der Schweizer Software-Firma scope solutions ag entwickeltes Archivinformationssystem in Verwendung, anhand dessen sich Forscher*innen online über die Bestände des Archivs informieren können. Zusätzlich werden seit etwa 2015 viel verwendete Bestände wie die Inskriptionsblätter („Nationale“) in digitalisierter Form über das Archivinformationssystem sowie über das digitale Repositorium PHAIDRA zur Verfügung gestellt.

Künftige Aufgaben des Archivs betreffen die Übernahme und Erschließung elektronischen Schriftguts. Die Konzepte werden im Idealfall in Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen der Universität und dem Archiv erstellt. Sie umfassen die Erstellung von Dokumenten, ihre Strukturierung in Form von Geschäftsvorgängen bzw. Akten, der Ablage unter Verwendung eindeutiger Identifikatoren sowie der Definition von archivwürdigen bzw. nicht archivwürdigen Teilen der Akten vor der Übernahme ins Archiv. Hier sind neben archivrechtlichen Kriterien auch Datenschutzbestimmungen wie die DSGVO zu beachten. Die digitale Transformation wird im Universitätsarchiv – ebenso wie in anderen Bereichen – zu komplett neuen Arbeitsprozessen mit deutlich geänderten Anforderungen führen…

> Website des Archivs der Universität Wien

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