Der Universitätspedell
Der Begriff „Pedell“ ruft heute – wenn überhaupt – am ehesten Assoziationen zu im Schulmilieu spielenden Romanen oder Filmen hervor, in denen der als „Pedell“ bezeichnete Hausmeister oder Schuldiener meist als schrullige Figur und Zielscheibe von Schülerstreichen dargestellt wird.
Die Amtsbezeichnung „Pedell“ als Diener einer schulischen Einrichtung ist deutlich älter als diese Schülerpossen. An den mittelalterlichen Universitäten war der Pedell (lat. bedellus) eine wichtige Person der universitären Administration mit entsprechend hohem Sozialprestige, das erst im Laufe der Neuzeit an Strahlkraft verlor.
Die Universitäten hatten als eigenständige Korporationen neben der Lehre verschiedene administrative Aufgaben wie die Ausübung der Gerichtsbarkeit, die Verwaltung des universitätseigenen Vermögens oder der Kontakt mit anderen Universitäten sowie mit Stadt, Kirche und Landesfürsten. Zur Unterstützung des Rektors und anderer Amtsträger wurde an den meisten Universitäten das Amt des Pedells eingerichtet.
Der Pedell – Diener oder Verwaltungsfachmann?
„Diener“ bzw. „(Gerichts)Bote“, so die wörtliche Bedeutung, wird den vielfältigen Aufgabengebieten des mittelalterlichen Pedells nicht gerecht, vielmehr war er ein hochspezialisierter Verwaltungsfachmann (R. Ch. Schwinges). Seine Tätigkeitsfelder umfassten die akademische Gerichtsbarkeit, administrative Aufgaben bei Immatrikulationen, Vorlesungen und Prüfungen sowie die Mitwirkung und Koordination von Promotionen und sonstigen Feierlichkeiten. An den meisten Universitäten gab es einen Hauptpedell sowie (Unter)Pedellen, die den Fakultäten bzw. Nationen zugeteilt waren.
Da der Pedell für die Veröffentlichung von Terminen und Verfügungen zuständig war, war er über sämtliche Vorgänge in der Universität bestens informiert und eine wichtige Auskunftsinstanz. Im Manuale scholarium, einem in Dialogform verfassten spätmittelalterlichen „Studentenführer“, erhält der Neuankömmling den Rat, sich wegen eines Quartiers an den Pedellen zu wenden, da dieser über freie Wohnungen oder Studenten, die einen Mitbewohner suchen, Bescheid wisse.
Dieses Detailwissen machte Pedelle zu geschätzten Fachleuten: Bei der Gründung der Universität Löwen 1425 wurden neben einer Reihe von Kölner Professoren auch der Universitätspedell Simon van den Oudendorp nach Löwen abgeworben.
Das Wiener Pedellenamt – Aufgaben und Besoldung
In Wien gab es das Amt des Pedells seit Gründung der Universität. Bereits 1366 gab sie sich ein eigenes Statut, in dem die Aufgaben und die Einkünfte des Pedells geregelt wurden. Dies war zugleich die erste autonome Satzung in der noch jungen Wiener Universitätsgeschichte. Diese Richtlinien sowie die Statuten der Universität und ihrer Fakultäten von 1385 und 1389 zeigen den Pedellen als wichtigsten Mitarbeiter des Rektors und der Fakultätsdekane, von denen er täglich die anstehenden Aufträge entgegennahm. Dazu zählte die Bekanntmachung von Terminen; bei akademischen Feiern waren der Pedell und seine Gehilfen Zeremonienmeister, die die Universitätsangehörigen begleiteten und die ihnen zustehenden Plätze anwiesen. Sie trugen die Amtszepter, bei Promotionen nahmen sie den Kandidaten den Eid ab.
Daneben führte der Pedell die Aufsicht über die Universitätsgebäude, Mängel hatte er dem Rektor oder den Dekanen zu melden und diese entweder selbst zu reparieren oder Handwerker zu beauftragen. Er war für die tägliche Öffnung und Schließung der Hörsäle sowie für deren regelmäßige Reinigung zuständig.
Als Gerichtsbeamter überbrachte er Vorladungen und sonstige Schriftstücke, nahm Verhaftungen vor und war für die sichere Verwahrung und Versorgung der Arretierten zuständig. Er meldete Disziplinarverstöße von Studenten an den Rektor bzw. Pflichtversäumnisse der Professoren an den kaiserlichen Superintendenten.
Seit dem 16. Jahrhundert war der Pedell zur Führung von Amtsbüchern verpflichtet: Im Geschäftsprotokoll hielt er die an verschiedene Behörden übergebenen Schriftstücke fest; im Zeremonienprotokoll die Promotionen und sonstigen Feierlichkeiten. Daneben führte er (vermutlich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts) ein Amtstagebuch. Vereinzelt sind diese Geschäftsbücher im Universitätsarchiv erhalten und geben Einblick in die vielfältigen Aufgaben des Pedells im 18. und frühen 19. Jahrhundert.
Lange Zeit bestand die Bezahlung des Pedells aus Taxen und Gebühren für einzelne Dienstleistungen. Die von der Universität festgelegten Taxordnungen verzeichnen Gebühren für Immatrikulationen und Promotionen, wobei die Ausstellung der Diplome gesondert verrechnet wurde. Auch für Vorladungen, Zustellungen von Dokumenten oder die Abwicklung von Verlassenschaftsabhandlungen waren Taxen zu entrichten. Zusätzlich hatte der Pedell Anspruch auf eine Dienstwohnung. Dienstleistungen für die Fakultäten, akademischen Nationen oder die Studienvizedirektoren wurden eigens remuneriert. Ein fixes Gehalt erhielt der Pedell erst im 19. Jahrhundert.
Pedellen als Universitätshistoriker bzw. -chronisten
Wichtige Anstellungskriterien, die bereits in den Statuten der Juridischen Fakultät 1389 formuliert wurden, waren die Kenntnis der universitären Statuten und sonstiger Verfügungen sowie der Universitätsangehörigen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich unter den frühen Historiographen der Universität Wien Pedelle befinden, so z. B. Jonas Litters, der 1645 den „Catalogus Rectorum Et Illustrium Virorum Archigymnasii Viennensis […]“ zusammenstellte oder Joseph Johann Schlickenrieder und Jakob Zeisl, die 1753 und 1755 die beiden Bände der „Chronologia diplomatica celeberrimae et antiquissimae universitatis Viennensis […]“ veröffentlichten. Zwischen 1787 und 1872 gaben die Pedelle jährlich einen Universitätsschematismus heraus (auch als „Universitäts-Almanach“ bzw. als „Taschenbuch der Wiener k.k. Universität“ bezeichnet). Diese enthielten den Personalstand, Verzeichnisse der im jeweiligen Jahr promovierten bzw. verstorbenen Doktoren, die Vorlesungen und die Anforderungen für die strengen Prüfungen oder die Universität betreffende Gesetze.
Das Pedellenamt im 19. und 20. Jahrhundert
Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Aufgabenbereich des Pedells immer weiter eingeschränkt. Zwar war der Pedell nach wie vor für die Überwachung der studentischen Disziplin mitverantwortlich, doch fiel durch die Aufhebung der universitären Gerichtsbarkeit ein Großteil der Gerichts- und Polizeiagenden weg. Die Gebäudeaufsicht erfolgte seit dem späten 18. Jahrhundert durch das Gebäudeinspektorat. Damit blieben als Hauptaufgaben die Mitwirkung bei den Graduierungsfeiern und die Führung der Promotionsverzeichnisse (die Ausstellung der Diplome wurde an die Universitätskanzlei delegiert). Mit Beginn des Studienjahres 1975/76 wurde die Pedellenkanzlei in Promotionskanzlei umbenannt.