Josef Hyrtl, o. Univ.-Prof. Dr. med.
Ehrungen
Ehrung | Titel | Datierung | Fakultät | |
---|---|---|---|---|
Denkmal Arkadenhof | 1889 | Medizinische Fakultät |
|
Funktionen
Rektor | Medizinische Fakultät | 1864/65 |
- Medizin
- Anatomie
- Medizinische Fakultät
Josef Hyrtl, Sohn des Musikers der Hofkapelle Fürst Esterházys, Jakob Hyrtl, und dessen Ehefrau Franziska Theresia, geb. Löger, übersiedelte 1813 mit seinen Eltern nach Wien und trat als Sängerknabe in die k.k. Hofkapelle ein. Nach Absolvierung des Gymnasiums studierte Hyrtl ab 1829 Medizin an der Universität Wien. Bereits während seines Studiums förderten seine Anatomieprofessoren Joseph Czermak und Christian Joseph Berres den begabten Studenten, sodass er 1833 die Stelle als Prosektor am Lehrstuhl für Anatomie übernehmen konnte. 1835 erfolgte seine Promotion zum Doktor der Medizin. Als Assistent Czermaks lehrte er Anatomie sowie Praktische Anatomie. 1837 wurde Hyrtl – im Alter von 26 Jahren – als ordentlicher Professor für Anatomie an die Karls-Universität Prag berufen.
1845 kehrte Josef Hyrtl nach Wien zurück, als er als Nachfolger seines Lehrers Berres ordentlicher Professor für normale deskriptive Anatomie an der Universität Wien wurde. Hier lehrte er fast 30 Jahre lang und zählte zu den beliebtesten Lehrern der Zweiten Wiener Medizinischen Schule. Zu seinen Schülern gehörten u.a. Eduard Albert, Viktor Ebner-Rofenstein, Johann Kundrat, Karl Langer und Heinrich Obersteiner.
Aufgrund Hyrtls Initiative wurde die Angewandte bzw. Topographische Anatomie 1846 zum Pflichtfach für Medizinstudenten in Österreich erhoben und als wissenschaftliche Disziplin begründet. In seinen Kursen verknüpfte er anatomische Demonstrationen mit praktischen Erläuterungen für die klinische Medizin und Chirurgie. Diesen anwendungsorientierten Ansatz vermittelte er auch in seinen wissenschaftlichen Publikationen, vor allem dem „Lehrbuch der Anatomie des Menschen mit Rücksicht auf physiologische Begründung und praktische Anwendung“ (1846) und dem „Handbuch der topographischen Anatomie“ (1847), die international bald zu den wichtigsten medizinischen Lehrbüchern zählten. Bereits früh erregte er auch als praktischer Chirurg Aufsehen, als er als Erster durch einen wenige Minuten dauernden Eingriff schielende Augen korrigieren konnte.
Herausragend waren zudem Hyrtls Leistungen für die anatomische Technik, die vielfach die Basis für seine Lehre und Forschung darstellte. Er fertigte eine große Sammlung von Präparaten zur menschlichen und zur vergleichenden Anatomie an, zu der auch zahlreiche Tierpräparate zählten. Um diese zu erweitern, erhielt er seltene Tierexemplare aus aller Welt. Hyrtl entwickelte neue Verfahren zur Herstellung von Präparaten: Im Zuge des Korrosionsverfahrens injizierte er farbiges Wachs in Hohlräume wie Blutgefäße und ätzte nach dessen Aushärtung das umgebende organische Gewebe weg, sodass die feinen inneren Strukturen der Hohlräume sichtbar wurden. Mittels des Injektionsverfahrens konnten nach ähnlichem Prinzip mikroskopisch kleine Gefäße sichtbar gemacht werden. Hyrtls Präparate entwickelten sich rasch zu gesuchten und kostbaren Sammlungsobjekten, die von anatomischen Museen und medizinischen Schulen an Universitäten in aller Welt angekauft wurden. Einen Schwerpunkt stellten u.a. die vergleichend-anatomischen Präparate des Innenohres sowie des Blutgefäßsystems verschiedenster Säugetiere dar. Dass Hyrtl auch einen künstlerisch-ästhetischen Anspruch verfolgte, wird an einem seiner berühmtesten Werke, der Laokoongruppe, einem stilisierten Ensemble von menschlichen und tierischen Skeletten, deutlich.
Ein großer Teil seiner wertvollen Präparatesammlung sowie seiner Fachbibliothek wurde während der Revolution 1848 zerstört, als sein Wohnhaus im Zuge der Kampfhandlungen geplündert wurde und in Brand geriet. Die im Anatomischen Institut aufbewahrten Präparate bildeten wenig später die Basis für das 1850 von Hyrtl gegründete Museum für vergleichende Anatomie, in das auch das 1745 von Gerard van Swieten begründete Museum für menschliche Anatomie integriert wurde. Hyrtls anatomische Präparate waren ein wissenschaftlicher sowie kommerzieller Erfolg. 1861 erhielt er dafür einen Preis der Pariser Akademie der Wissenschaften, 1862 und 1873 wurden einige auf den Weltausstellungen in London und in Wien ausgestellt.
Josef Hyrtl galt jedoch zugleich als äußerst schwieriger Kollege. Besonders mit Ernst Wilhelm Brücke, der eine neue rein naturwissenschaftliche Orientierung der medizinischen Wissenschaften vertrat, während Hyrtl die naturphilosophische Richtung verkörperte, entwickelte sich eine jahrelange Auseinandersetzung. Seine Differenzen mit anderen Kollegen, darunter auch sein früherer Schüler und Nachfolger Karl Langer, isolierte ihn zunehmend innerhalb der Fakultät.
Dennoch wurde Josef Hyrtl an der Universität Wien zum Rektor für das Studienjahr 1864/65 gewählt. Bereits seine Inaugurationsrede „Die materialistische Weltanschauung unserer Zeit“ erregte Aufsehen und Widerspruch, da er sich als leidenschaftlicher Gegner des Materialismus positionierte. Als Rektor war Hyrtl 1865 auch oberster Repräsentant der Universität im Zuge der Feierlichkeiten zum 500-Jahr-Jubiläum der Universität Wien, das bereits im Vorfeld zu Auseinandersetzungen geführt hatte. Da die Universitätsleitung Ausschreitungen unter den Studenten befürchtet hatte, wurde versucht, diese durch die Verlegung der Feier in die Sommerferien sowie durch hohe Eintrittspreise fernzuhalten. Hyrtls Festrede als Rektor, in welcher er den kirchlichen Charakter der Hochschule pries und die Autorität der Kirche über die Wissenschaft vertrat, führte zu Kontroversen und wurde als Affront gegenüber dem aufgeklärten Österreich verstanden. Aus Anlass des Jubiläums wurde Hyrtl mit dem Orden der Eisernen Krone II. Klasse, dem preußischen Kronen-Orden II. Klasse und mit der Ehrenmitgliedschaft der Universität Kiew ausgezeichnet.
1874 trat Hyrtl wegen beginnender Erblindung in den Ruhestand, seine Forschungen setzte er jedoch fort und widmete sich historisch-linguistischen Studien zur medizinischen Nomenklatur wie „Das Arabische und Hebräische in der Anatomie“ (1879) und „Onomatologia anatomica“ (1880).
Josef Hyrtl, der durch den Handel mit seinen Präparaten und Lehrbüchern ein beachtliches Vermögen verdient hatte, setzte dieses für karitative Zwecke ein. Aus dem Zinsertrag einer Schenkung von 40.000 Gulden an die Universität Wien finanzierte er die Unterstützung für jeweils vier arme begabte Studenten der Medizin. Den größten Teil seines Vermögens stiftete er für die Errichtung und den Betrieb eines Waisenhauses (Hyrtlʼsches Waisenhaus) mit angeschlossener Kirche in Mödling sowie einer Kinderbewahranstalt in Perchtoldsdorf.
Ehrungen
Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Josef Hyrtl vielfach geehrt und ausgezeichnet. So war er wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien seit deren Gründung 1847, gehörte seit 1856 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie wissenschaftlichen Gesellschaften in Amsterdam, Berlin, Bonn, Budapest, Breslau, Brüssel, Dresden, Erlangen, Freiburg, Göttingen, Halle, Leipzig, Lemberg, München, Paris, Philadelphia, Prag, St. Petersburg, Stockholm und Venedig an. Zudem war er Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien (seit 1890) und des Akademischen Lesevereins in Wien. Hyrtl war Träger zahlreicher in- und ausländischer Orden, Ehrendoktor der Universitäten Leipzig und Moskau und wurde 1862 zum Hofrat sowie 1874 zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt.
Bereits 1885 benannte die Stadt Wien die Hyrtlgasse in Wien-Ottakring (16. Bezirk) nach ihm. 1889 wurde ein Denkmal für ihn im Arkadenhof der Universität Wien enthüllt. Die Marmorbüste, gestaltet von Johann Kalmsteiner, ist das einzige Denkmal im Arkadenhof, das noch zu Lebzeiten des Geehrten errichtet wurde. An Hyrtl, der in einem Ehrengrab des Perchtoldsdorfer Friedhofs bestattet wurde, erinnern heute zudem Denkmäler am Josef Hyrtl-Platz in Mödling vor dem von ihm gestifteten Waisenhaus sowie am Josef Hyrtl-Platz in Eisenstadt. Im Billrothhaus der Gesellschaft der Ärzte in Wien ist heute ein Raum nach ihm benannt.
Trotz zahlreicher Zeitungsberichte, die wenige Tage nach seinem Tod 1894 meldeten, dass sein Name der Ehrentafel der Medizinischen Fakultät hinzugefügt werde, wurde diese Ehrung nicht umgesetzt.
Ein Teil von Hyrtls Privatbibliothek wurde 1983 im Museum der Stadt Mödling im Thonetschlössl aufgefunden und wird heute im Rahmen einer Ausstellung über Leben und Werk des berühmten Anatomen der Öffentlichkeit präsentiert.
Werke (Auswahl)
Antiquitates anatomicae rariores, quibus origo, incrementa et status anatomes apud antiquissimae memoriae gentes historica fide illustrantur, 1835.
Lepidosiren paradoxa. Monographie, 1845.
Vergleichend-anatomische Untersuchungen über das innere Gehörorgan des Menschen und der Säugethiere, 1845.
Lehrbuch der Anatomie des Menschen mit Rücksicht auf physiologische Begründung und praktische Anwendung, 1846 (20. Auflage 1889).
Handbuch der topographischen Anatomie und ihrer praktisch-medicinisch-chirurgischen Anwendungen (2 Bände), 1847 (7. Auflage 1882).
Handbuch der praktischen Zergliederungskunst, 1860.
Vergangenheit und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie an der Wiener Universität, 1869.
Die Corrosions-Anatomie und ihre Ergebnisse, 1873.
Das Arabische und Hebräische in der Anatomie, 1879 (Neudruck 1966).
Onomatologia anatomica. Geschichte und Kritik der anatomischen Sprache der Gegenwart, 1880 (Neudruck 1970).
Die alten deutschen Kunstworte der Anatomie mit Synonymen, 1884 (Neudruck 1966).
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> u:monuments: Denkmal Josef Hyrtl
Zuletzt aktualisiert am 26.03.2024 - 22:28
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