Das Herzogskolleg („Collegium ducale“)

Das erste Wiener Universitätsgebäude
1384

Herzog Albrecht III., jüngerer Bruder Rudolfs IV. und Mitbegründer der Universität Wien, stiftete der jungen Universität im Rahmen der ersten, umfassenden Reform im Jahre 1384 das erste Gebäude: das Herzogliche Kolleg, Collegium ducale. Heute ist dieses – nicht mehr existierende – Gebäude gegenüber dem Dominikanerkloster im Bereich Postgasse 7-9 an der Stelle des früheren Jesuitenkollegs und des ihm vorgelagerten „Stöcklgebäudes“ zu lokalisieren.

Für die räumliche Unterbringung der Universität hatte der Herzog zwei Häuser von dem Wiener Ratsbürger Niklas Würfel erworben, die dieser davor zu einem Gebäudekomplex vereint hatte. Zu diesem Haus mit dem charakteristischen Torturm, der die Universität im Stadtbild markierte, kaufte der Herzog im selben Jahr das nordöstlich angrenzende Stadthaus des Zisterzienserklosters Lilienfeld, das rundherum frei stand. Diesen Baukomplex übergab der Herzog 1385 der Universität. Im Jänner des Jahres werkten noch Zimmerleute und Steinmetze, Stühle wurden angeschafft. Im April fanden die ersten Sitzungen in der „Magna Stuba“ des Collegium ducale statt. Am 2. Februar hören wir von „des Würffels haus, da nu die hoch schull ist“, und am 26. April wurden den Kollegiaten ihre Wohnungen zugewiesen. Im Gegensatz zu dem bunten Treiben in dem geschäftigen Stubenviertel sollte der Vorlesungsbetrieb ungestört verlaufen. Deswegen verfügte der Herzog, dass in den an das Kolleg angrenzenden Gassen „alle chremerey und gewerb“ entfernt werde. In aller Ruhe und unbehelligt vom geschäftigten Treiben sollten die Scholaren rund um das Universitätsgebäude umherwandeln können.

Zum Ruhme des Stifters

Die einzige zeitgenössische Darstellung des Kollegsgebäudes stammt aus der prächtigen Handschrift des späten 14. Jahrhunderts, des sogenannten „Rationale divinorum officiorum“, einer deutschen Übersetzung des Handbuchs der Liturgie des Kanonisten Guilelmus Durandus (†1296), die Albrecht III. gewidmet war. Der Herzog ist darin in einem Medaillon als Stifter des Kollegsgebäudes dargestellt. Die Miniatur zeigt ein ziegelgedecktes zweistöckiges Gebäudegeviert mit Innenhof und dem markanten Torturm, der die anschließenden Häuser um zwei Geschosse überragt. Er diente später vermutlich als Observatorium der Wiener mathematisch-astronomischen Schule des 15. Jahrhunderts unter Johannes von Gmunden, Georg von Peuerbach und Johannes Regiomontanus. Hier war der Haupteingang des Kollegs. Der davorliegende Straßenzug „Am Collegium ducale“ wäre in der gedachten nordöstlichen Verlängerung der heutigen Riemergasse im Kollegshof zu suchen. Dieser Straßenzug wurde beim Bau des Jesuitenkollegs (1623-1650/54) an der Wollzeile abgetrennt und großteils verbaut. Im Hintergrund der Darstellung erscheint ein Dachbereich sichtbar, der nicht eingedeckt ist, offenbar ein Indiz für die durch den Herzog veranlasste bauliche Herstellung des abgewohnten Komplexes, die zu diesem Zeitpunkt noch ausständig war.

Umbau und Sanierung

Trotz der geplanten Sanierung war das Kolleg noch im Jahre 1388 in einem schlechten Zustand. Der renommierte Theologe Heinrich Heimbuche von Langenstein sprach in einem Bericht an den Landesfürsten sogar die Befürchtung aus, dass das Wiener Studium nicht mehr lange bestehen würde, wenn die noch immer nicht zu Ende geführten Gebäudereparaturen weiter hinausgezögert würden. Besonders die Unterbringung der Bibliothek sowie die Einrichtung der Kollegskapelle und die Erneuerung der Dächer fand er vordringlich, da inzwischen vieles durch eindringendes Regenwasser zerstört worden sei. Die baulichen Adaptierungen und die Inneneinrichtung waren drei Jahre nach seiner Eröffnung nicht abgeschlossen. Langenstein forderte die Sanierung des Gebäudes, riet aber auch zur wirtschaftlichen Nutzung der zum Teil noch unbenutzbaren Räume. Er dachte an die Einrichtung von vermietbaren Studentenwohnräumen, die er in Paris und Prag kennengelernt hatte. Dort konnten unbesoldete Magister eine Kollegsburse mit mehreren „ehrenhaften“ Studenten führen und so ihren Unterhalt sicherstellen. Auch an Gäste konnte Wohnraum vermietet werden. Das Kolleg hätte so über Einnahmen für die Instandhaltung der Gebäude verfügt.

Ein Haus für die Universität

In dem Collegium ducale befand sich der Sitz des Rektors, der Verwaltung (Notar und Syndicus, Pedellen) und die Hörsäle. Im ersten Stock war die „Magna Stuba Collegii“ (Aula) untergebracht, der repräsentative Sitzungssaal, wo feierliche Versammlungen, Prüfungen, Disputationen und Promotionen stattfanden. Die Fenster dieses Saales und der benachbarten Hörsäle richteten sich gegen den westlich vorbeiführenden Straßenzug „Am Collegium ducale“ (Riemergasse), aber auch gegen den Innenhof des Kollegs. Die Artistenfakultät sollten alle Studienanfänger absolvieren, ehe sie sich einem Studium der Medizin, Jurisprudenz oder Theologie widmeten. Die jugendlichen Scholaren erhielten die sprachliche und philosophische Grundausbildung, den Unterricht in den Sieben freien Künsten (Septem artes liberales). Daher standen den Artisten drei Hörsäle zur Verfügung, einer im ersten Stock neben der Großen Stube, zwei weitere im Erdgeschoß. Die Theologen hatten ihr Auditorium im ersten Stock direkt an die Aula anschließend, die Mediziner im Erdgeschoß darunter. Auch eine Kollegsbibliothek war in dem Gebäude gesondert untergebracht, während die Artistenfakultät noch im Jahre 1415 bloß einen Bücherschrank besaß, der unter der Stiege gegenüber dem Eingang zur Magna Stuba Platz fand. Holztreppen führten zu den Wohnräumen der Kollegiaten, wobei vier größere Zimmer für die Theologen und mehrere kleinere für die Artistenmagister vorgesehen waren. Außerdem befand sich im Kollegsgebäude auch ein Pferdestall. Gegen den Fleischmarkt hin bildete die dem Hl. Benedikt geweihte Hauskapelle den nördlichen Abschluss des Komplexes, ebenfalls eine Stiftung Albrechts III., die nachträglich angebaut wurde. Studenten und Magister sollten hier Messen lesen. Später diente der Raum auch als Urkunden- und Aktendepot.

Das Kollegium

Das Wiener Collegium ducale wurde in erster Linie nach dem Pariser Collegium Sorbonicum unter dem Einfluss der von dort berufenen Professoren organisiert, zweifellos hatte auch das 1366 von Kaiser Karl IV. begründete Prager Collegium Carolinum Vorbildwirkung. Das Herzogskolleg war das Zentrum des Wiener Studiums und hatte den Charakter einer selbständigen Korporation mit eigenen, von den Kollegiaten beschlossenen Statuten. Ihr gehörten zwölf Artistenmagister und zwei Doktoren der Theologie an. Jeder Kollegiat war zur Lehre verpflichtet und erhielt eine Besoldung aus der landesfürstlichen Dotation. Die Kollegiaten führten ein gemeinschaftliches Leben und waren berechtigt, freiwerdende Plätze im Kolleg selbständig zu besetzen. Den Artistenmagistern stand die Möglichkeit offen, neben der Lehre ein Theologiestudium zu betreiben. Überdies war den Kollegiaten eine Kanonikatsstelle bei St. Stephan in Aussicht gestellt. An der Spitze des Kollegs standen die Doktoren der Theologie, die als „parentes“ oder „superintendentes“ eine Ehrenstellung einnahmen. Die Kollegsleitung, Wirtschaftsführung und Finanzgebarung besorgte der von den Kollegiaten aus dem Kreise der Artistenmagister zu wählende Prior.

Die ursprüngliche Verpflichtung zu einem zölibatären Leben bestand für die Kollegiaten bis zu Jahr 1537. Im Gefolge der Reformation musste Ferdinand I. aus Mangel an „tauglichen Leuten“ diese Bestimmung zurücknehmen. Damals gab es nur mehr sieben Kollegiaten, davon lebten die „vier beheüratn collegiaten“ außerhalb des Kollegs mit ihren Familien, sollten aber dennoch „für collegiaten geacht“ werden. Die Aufnahme von Scholaren in die Gemeinschaft war nicht ausdrücklich vorgesehen, wenngleich Familiaren und Diener der Magister und Doktoren im Kollegsgebäude wohnten. Einzelne Räume konnten an „ehrenwerte Personen“ vermietet werden.

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